Kino

“Champagner und Macarons“: Skandale und andere Geschäftsmodelle

Agnès Jaoui und Jean-Pierre Bacri (mit Toupet) sind seit 30 Jahren ein Autorenteam. In „Champagner & Macarons“ gehen sie sich aus dem Weg.
© Polyfilm

In „Champagner & Macarons“ wirft Agnès Jaoui einen satirischen Blick auf die französische Bourgeoisie.

Von Peter Angerer

Innsbruck –Ein Mann erleichtert sich – mit dem Rücken zur Kamera – am Straßenrand. Er könnt­e jetzt einen Dialog mit seiner Prostata eröffnen, doch aus dem Radio seiner britischen Edellimousine, an der sein Chauffeur Manu (Kévin Azaïs) lässig lümmelt, träufelt Balsam in sein Ohr. Der TV-Star Castro (Jean-Pierre Bacri) hört sich bei der Verbreitung banaler Lebensweisheiten („Wer mit 20 nicht links ist, ist ein Idiot“) zu, die mit dem Alter einem konservativen Zynismus weichen müssen. Das inspiriert den Angestellten zu einer egalitären Frechheit, doch der Chauffeur hat nur den Chef zitiert. „Aber ich bin ich und du bist du“, sagt Castro, um Missverständnisse über Hierarchien und die Attitüde der 68er-Generation auszuräumen.

Seit 30 Jahren bilden Agnè­s Jaoui und Jean-Pierre Bacri ein Autorenteam, das gleichermaßen für das Theater und das Kino arbeitet. In den 90er-Jahren haben sie den Meister­regisseur Alain Resnais mit preisgekrönten und kassenträchtigen Drehbüchern („Das Leben ist ein Chanson“) beliefert, der sie dafür mit großen Auftritten belohnt hat. Von Resnais ermutigt hat Jaoui schließlich die Regie übernommen und Bacri konnt­e sich auf das Ausfeilen egozentrischer Misanthropen konzentrieren, die zu seinem Markenzeichen geworden sind.

In „Champagner & Macarons“ ist Bacris Ekel ein Mann, der dabei ist, die Kontrolle in Beruf und Leben zu verlieren. Castr­o möchte mit seiner Anwesenheit der von seiner Produzentin und ehemaligen Schwägerin Nathalie (Léa Drucker) organisierten House-Warming-Part­y etwas Glanz verleihen. Allerdings wimmelt es auf dem Gartenfest nur so von Stars. Außerdem ist ihm entgangen, dass sein Geschäftsmodell, Prominenten unter dem Einfluss von Alkohol vor der Kamera Geheimnisse und Indiskretionen zu entlocken, der Vergangenheit angehört. Die Reichen und Schönen wählen längst den Weg der sozialen Medien, wenn sie den Wunsch nach Entblößung verspüren. Wozu also noch aufwändige Fernsehformate produzieren, wenn die Skandale auf der Datenstraße herumliegen?

„Place publique“ heißt Jaouis Film im Original, und wie im richtigen Leben gibt es für Frankreichs Bourgeoisie auf dem Parcours aus Eitelkeiten und allgegenwärtigen Smartphones kein Entkommen. Die Gastgeberin verhöhnt ihren Nachbarn, der sich am frühen Morgen um seine Kühe kümmern muss, und eifert damit nur dem Staatspräsidenten nach, der das Problem der Arbeitslosigkeit nicht verstanden hat. Castros Exfrau (Agnès Jaoui) gefällt sich in ihrem sozialen Engagement, privat propagiert sie ein überholtes Weltbild. Diese Widersprüche in der Wahrnehmung Prominenter erzählt beider Tochter – ganz altmodisch – in einem analogen Buch. Castro kann mit allen Enthüllungen über Kokain und Exzesse leben, ihn stört nur ein Detail. Es sind jämmerliche Figuren, die Nathalies neue Villa feiern, doch Jaouis satirischer Blick ist gnädig. Anderntags lässt sich alles auf den Champagner schieben. Den Rest erledigt YouTube, das neue Prominenz generiert.

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