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Der sanfte Radikale: Bruno Ganz mit 77 Jahren gestorben

Bruno Ganz während der Berlinale im Jahr 2017.
© AFP/MacDougall

Bruno Ganz zählte zu den großen Bühnen- und Filmschauspielern der Gegenwart. In der Nacht auf Samstag ist er im Alter von 77 Jahren in Zürich gestorben.

Von Joachim Leitner

Innsbruck – Als der griechische Filmemacher Theo Angelopoulos die Dreharbeiten zu „Die Ewigkeit und ein Tag“ (1998) nach langer Pause wieder aufnahm, traf er auf einen enttäuschten Hauptdarsteller. Hätte er die Länge des Stopps geahnt, hätte er Griechisch gelernt, ließ Bruno Ganz seinen Regisseur wissen.

Diese Anekdote sagt viel aus über das Arbeitsverständnis des großen Schauspielers Bruno Ganz. Nie ging es ihm um offensichtliche Radikalität. Seine Genialität gründete auf Präzision. Er erarbeitete sich seine Figuren gewissenhaft und genau, ganz sanft und doch frei von Rücksicht.

Für die Uraufführung von Thomas Bernhards „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ bei den Salzburger Festspielen 1972 nahm sich Ganz ein Jahr Auszeit, um Text und Figur zu durchdringen. Seine Darstellung des Doktors gilt als epochal. Es gibt einen Mitschnitt des herausragenden Festspiel-Debüts. Die Reprise fiel dem „Notlichtskandal“ zum Opfer.

Bruno Ganz wurde am 22. März 1941 im Zürcher Stadtteil Seebach geboren. Sein Vater war Schweizer, die Mutter Italienerin. Den Schauspielberuf erlernte er in seiner Heimatstadt. Einen Namen allerdings machte er sich in Bremen. 1966 beeindruckte er dort als Franz Moor in Peter Zadeks schon bald legendärer „Die Räuber“-Inszenierung. Seit 1967 arbeitete er regelmäßig mit dem Regisseur Peter Stein zusammen, zuletzt 2000 bei Steins monumentalem „Faust“-Projekt.

1970 wurde Bruno Ganz, inzwischen ein Star der Berliner Schaubühne, fürs große Kino entdeckt. Eric Rohmer besetzte ihn in „Die Marquise von O.“. Mit Wim Wenders machte er „Der amerikanische Freund“ und „Der Himmel über Berlin“, mit Werner Herzog „Nosferatu“ und mit Peter Handke „Die linkshändige Frau“.

1996 vermachte Josef Meinrad Ganz den Iffland-Ring, der seit mehr als hundert Jahren an den „würdigsten“ Bühnenschauspieler weitervererbt wird. Als seinen Nachfolger hätte sich Bruno Ganz Gert Voss gewünscht. Voss starb 2014.

Im Theater machte sich Ganz zuletzt rar. Postdramatischen Befragungen konnte er wenig abgewinnen. Im Kino hingegen wurde er spätestens mit „Der Untergang“ – Ganz verkörperte Adolf Hitler – auch in Übersee zum gefragten Charakterdarsteller. Er drehte mit Francis Ford Coppola („Jugend ohne Jugend“), Ridley Scott („The Counselor“), zuletzt mit Lars von Trier („The House That Jack Built“).

2018 blieb ihm eine Rückkehr nach Salzburg verwehrt. Sein Engagement als Erzähler in der „Zauberflöte“ musste er krankheitsbedingt canceln. Nach seinem Debüt an der Salzach widmete ihm der beeindruckte Thomas Bernhard das Stück „Die Jagdgesellschaft“ („Für Bruno Ganz, wen sonst?“) – und in der Erzählung „Wittgensteins Neffe“ stimmte der große Schimpfer gar ein Jubellied auf „das ungeheuere Theatergenie“ an. Ganz, heißt es da, sei „der größte Schauspieler, den die Schweiz jemals hervorgebracht hat“.

In der Nacht auf Samstag ist Bruno Ganz im Alter von 77 Jahren in Zürich einem Krebsleiden erlegen.

Bruno Ganz (l.) mit dem Filmregisseur Lars Von Trier.
© AFP

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