Ausstellung in Graz

Böhmermann stellt schonungslose Abrechnung mit Österreich zur Schau

Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann.
© imago stock&people

Seine Ausstellung in Graz rückt laut dem deutschen Satiriker Jan Böhmermann „die Ambivalenz von Österreich seiner eigenen Geschichte gegenüber“ ins Zentrum. Dabei spannt er den Bogen von Identitären über Gabalier bis hin zu „ganz unten“.

Graz – Er will nicht schweigen – auch Bundeskanzler Sebastian Kurz dürfe das nicht: Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann hat am Freitag seine Ausstellung „Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich“ im Grazer Künstlerhaus bei einer Presseführung in von ihm gewohnter Manier präsentiert. An „östereich – nie vom faschismus geheilter blinddarm großdeutschlands“, wie beim Einlass zu lesen, ließ er kein gutes Haar.

Passkontrolle am Eingang, Mobiltelefon- und Pressefotografen-Verbot: Böhmermann ist nicht auf der Suche nach Freunden und wohlgesonnenen Ausstellungskritiken. Doch wer hatte sich das auch schon erwartet? Während seine Fans ihn für seine schonungslose Offenheit selbst bei Tabu-Themen lieben, gilt er bei anderen als anstandslos. „Ja, ich bin ein Populist“, sagte er beim Pressegespräch am Freitag in Graz. Doch das dürfe er auch, sagte er. Politiker dürfen aber nicht alles – zum Beispiel nicht schweigen, wenn Menschen mit Ungeziefer verglichen werden: „Sebastian Kurz ist, da zu schweigen, wo man nicht schweigen darf.“

Das Grazer Künstlerhaus in dem am Freitag die Ausstellung "Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich" des deutschen Satirikers Jan Böhmermann präsentiert wurde.
© APA

„Hetzkekse“ mit „100 Prozent Hass“

Die Ausstellung rückt laut Böhmermann „die Ambivalenz von Österreich seiner eigenen Geschichte gegenüber“ ins Zentrum. Dabei spannt der Satiriker mit seiner Produktionsfirma Bildundtonfabrik (btf) den Bogen von den Identitären – „wer hat nicht schon mal 1500 euro von einem massenmörder aufs girokonto überwiesen bekommen? alles kein problem alles geht“ – über Andreas Gabaliers Eloquenz bei seinen Liedtexten bis hin zu „ganz unten“, denn im Keller der Ausstellung prangen an der Wand die Namen Felix, Fritzl, Austria und Priklopil. Daneben rattert ein Drucker in Echtzeit Tweets von Politikern, die an die Wand projiziert werden.

Leitthema der Ausstellung ist für Böhmermann das „Anfassen des digitalen Raums“. Nicht zum Anfassen ist dagegen das Modell des „Reichsparks“; Untertitel „Geschichte erleben“ inklusive Reichsautobahn, Kletterpanzer, Live-Show „Wolfsschanze“, Stalingrad Experience (Kältehalle) und Führerbunker namens „Der Untergang“. Unweit davon steht ein Automat, bei dem man sich „Hetzkekse“ mit „100 Prozent Hass“ kaufen kann.

„östereich – immer mit dabei aber nie schuld“ ist zu lesen. Böhmermann verfolgt mit seinen Installationen eine Intention, aber was passiere, wenn dann tatsächlich Besucher kommen, sei außerhalb seiner Reichweite. Von Ablehnung bis sichtbaren Reaktionen bei manchen Ecken der Schau – alles sei möglich. Besonders reize ihn das Phänomen, „dass manche ihre Ablehnung nicht durchdringen. Das ist interessant zu beobachten“, so der Deutsche. Die Ausstellung in Graz ist eine Art Österreich-Ableger von „Deuscthland“, die seit 2017 bis 2018 bei den Nachbarn gezeigt wurde.

„Erosion in Österreich weit fortgeschritten“

Österreich ist für den Satiriker deshalb so spannend, weil hier seiner Meinung nach jene, die nicht akzeptieren würden, dass die Rechten salonfähig geworden seien, nicht salonfähig sind. Das sei der Unterschied zu Deutschland. In seinem Heimatland würden sich die Menschen dagegen wehren, dass die Rechten salonfähig werden: „Die Erosion in Österreich ist dagegen weit fortgeschritten“, konstatierte er. „Bei der ersten schwarz-blauen Koalition standen alle auf den Hinterbeinen. Nun habe ich den Eindruck von acht Millionen Achselzucken“, so Böhmermann, ohne dabei auf Ausnahmen wir ORF-Anchor Armin Wolf zu vergessen. „Der breite Widerstand ist Gemütlichkeit gewichen.“

Der mehrfach ausgezeichnete TV-Moderator der ZDF-Sendung „Neo Magazin Royale“ kritisierte, dass die Welt des digitalen Raums unterschätzt werde: „Das spielt den Leuten in die Karten, die schneller auf Gefühlsknöpfe drücken“ und das für politische Interessen nutzen würden. Die Wirklichkeit sei nicht mehr, wie sie scheint. Die Identitären seien in seinen Augen „nichts Neues, es sieht nur anders aus“: „Eine faschistische Ideologie ist keine Meinung.“

Grenzen von Satire und Ernsthaftigkeit verschwimmen

Eine seiner Lieblingsinstallationen sei das Eierbett – „die Schlafstelle des engagierten Künstlers“. Dieses habe er schon immer einmal bauen wollen und gerade zu Österreich passe es wegen der Einschränkung der Künstler gut. Für Österreich habe er ohnehin ein Faible, weil es von außen wie ein Versuchslabor wirke: „Vom Neo-Nazi zum Sportminister“ – das gehe nur in einem Land mit beschränkter Personalauswahl, so Böhmermann. „In Österreich ist es normal, dass ein 32-jähriger Versicherungsvertreter, der nix kann, Kanzler ist“, legte der Deutsche noch eines drauf.

Die Grenzen von Satire und ernsthafter Kritik verschwimmen ineinander. Die gezielte Provokation als stets funktionierendes Mittel dürfte ihr Ziel mit der Ausstellung erreichen. „Es ist an der Zeit was zurückzugeben. Die Österreicher haben uns zu Weltruhm verholfen“, spielte Böhmermann etwa auf den im österreichischen Braunau geborenen Adolf Hitler an, der als verkannter Künstler nach Deutschland ging. „Wir Künstler müssen zusammenhalten.“ (APA)

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