Sie waren gerade in den USA auf Tour, ausverkauft waren auch die zwei Abende am New Yorker Broadway. Spielen Sie lieber in großen Hallen oder in intimer Club- atmosphäre?
Marcus Füreder: Ich brauche die Abwechslung. Ich muss ganz ehrlich sagen, nach so einem Festivalsommer wie heuer, wo wir jeden Tag vor 20.000 bis 50.000 Menschen gestanden sind, freut man sich natürlich auf so ein intimes Konzert. Man ist näher an den Leuten dran, teilweise ist man da sogar nervöser, weil die Distanz fehlt. Natürlich, wenn 50.000 Leute zu schreien anfangen, bringt das eine Welle von Energie. Ich kann nicht sagen, was schöner ist. Ich habe meine Auftritte nie davon abhängig gemacht, wo sie stattfinden. Das Entscheidende sind die Leute und da haben wir mit unserer Band immer Glück gehabt, ob das nun New York ist oder Innsbruck.
Ihre Musik ist beschwingt, hat aber oft eine melancholische Note. Welche Dämonen tanzen auf Ihrem aktuellen Album „Demon Diaries"?
Füreder: Im Endeffekt ist es nur einer. Aber der reicht mir, weil es ist der, der mich ständig antreibt. Man findet einfach nie die Ruhe, sagt nie: So jetzt lass' ich es bleiben. Ich glaube, diesen Drang zu schaffen, teile ich mit anderen Künstlern. Das ist auf der einen Seite etwas sehr Schönes, dieser innere Antrieb. Aber manchmal fühlt man sich nicht allein. Weil man das Gefühl hat, irgendwer ermahnt dich ständig zur Produktivität.
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Das erklärt nicht die Melancholie und düstere Videoclips wie etwa zum Song „Six Feet Underground".
Füreder: Das Leben besteht nicht nur aus Party oder treibender Musik. Es gibt auch Momente, wo man einfach bei einem Glas Rotwein dasitzt, die Gedanken treiben lässt und sich in eine andere Welle reingrooven lässt. Ich muss ehrlicherweise sagen, für mich ist teilweise einfacher, in Moll Musik zu machen als in Dur.
Man könnte meinen, es wäre in Moll schwieriger, die Massen zu bewegen?
Füreder: Es kommt darauf an, wie man es angeht. Ich glaube, eine gewisse Melancholie hat jeder in sich, und die Melancholie bietet ein irrsinniges Potential an Kraft. Das unterscheidet sie von der Depression und ihrer Ausweglosigkeit. In der Melancholie steckt dieser bittersüße Schmerz, der einem die Hoffnung gibt, dass es anders weitergehen könnte. Und diese Hoffnung kann man gut in Breaks verpacken oder in Aufgänge und diese Kraft dann mitnehmen und sagen: Und jetzt!
Gab es schon mal ein Konzert, wo die Leute nicht getanzt haben?
Füreder: (lacht) Ehrlich gesagt nicht.
Sie gelten als „Pionier des Electro-Swing". Obwohl Sie sich gegen dieses Etikett verwehren.
Füreder: Diese Schubladen sind nicht so angenehm für Künstler, weil man ja ständig versucht, was Neues zu machen. Ich bin ein Mensch, der sich relativ schnell langweilt. Obwohl ich gestehen muss, inzwischen ist es mir egal, wenn ich so bezeichnet werde. Ich bin glücklich über das Ding, das Parov Stelar geschaffen hat. Pionier zu sein ist ja auch was Klasses. Für meine anderen Projekte und Ausflüge in andere Richtungen habe ich in Zukunft mehrere Pseudonyme, mit denen ich arbeiten möchte, und da kann dieser Parov Stelar im Elektro-Swing und Sampling zuhause bleiben, und die ganz abstrakten Ausflüge in Pop oder Elektronik überlasse ich den anderen Dämonen von mir.
Sie haben Grafik studiert, inspirieren Sie Bilder zu Songs?
Füreder: Bei mir ist der Prozess eigentlich ganz klassisch, ich fange mit dem Schlagzeug an, mit einem Beat-Sample, und dann gehe ich auf die Suche: Was könnte passen, wo kann ich ein Stück rausschneiden? Das ist wie ein Puzzle, und am Ende versucht man, das zu einem Gesamtwerk zusammenzubauen. Das geht eh nicht immer gut. Auf ein gelungenes Teil gehen ungefähr 20 Versionen davor. Bei „Demon Diaries" war die Wechselwirkung zwischen Bild und Musik aber tatsächlich sehr stark. Das Konzept war, meine Musik mit bildender Kunst auszudrücken. Ich hab' zu vielen Songs große Gemälde angefertigt und versucht, die Musik sichtbar und nicht nur hörbar zu machen.
Sie sind als Remixer und Kollaborateur gefragt, auch von Robbie Williams. Ist diese Zusammenarbeit noch aktuell?
Füreder: Das ist nach wie vor aktuell, aber was dabei herauskommt, darf ich zum einen nicht sagen, und zum anderen weiß ich selbst noch nicht, wohin die Reise mit dem Herren gehen wird.
Sie scheuen sich nicht, bekannten Namen eine Abfuhr zu erteilen. Wovon machen Sie das abhängig?
Füreder: Davon, ob das, was man gemeinsam macht, gut ist. Ich muss ja ehrlich zu mir sein. Manchmal liefere ich was Gutes ab, manchmal aber auch Mist. Ob das jetzt Robbie Williams, Lana del Rey oder wer auch immer ist, die haben auch nicht immer den gleichen Tag und nicht jeder Song liegt ihnen. Ich werde mich hüten, einen Song zu veröffentlichen, zu dem ich nicht hundertprozentig stehe, dann gebe ich eben eine Absage, so wie ich auch schon tausend Absagen gekriegt habe.
Sie haben aus der Not heraus Ihr eigenes Label „Etage Noir" gegründet. Zuletzt wurden Mitarbeiter aufgestockt, welche Pläne verfolgen Sie mit dem Label?
Füreder: Wir sind bestimmt nicht auf Quantität aus, so viele Kapazitäten haben wir neben Parov Stelar gar nicht. Nichtsdestotrotz haben wir einen Künstlerstamm und sind immer auf der Suche nach neuen Talenten und neuen Leuten. Die Türen, die wir mit Parov Stelar aufgemacht haben, kann man auch für andere Künstler nutzen. Und für mich ist teilweise auch eine Möglichkeit, ambitionierten Leuten von dem, was ich gekriegt habe, zurückzugeben. Nächstes Jahr kommt einiges auf uns zu.
Das Gespräch führte Silvana Resch