Bezirk Kufstein

Einmal um drei Ecken denken: Geodreieck als Wörgler Original

Ein Roboterarm prägt die Aufschrift in das Dreieck.
© Foto TT / Rudy De Moor

Jeder hatte das Geodreieck schon in der Hand, aber kaum jemand weiß, dass es seit 55 Jahren ein Wörgler Original ist. Es schaut so aus wie damals – aber es wird umweltfreundlicher.

Von Matthias Christler

Wörgl –Man kann ein Dreieck nicht neu erfinden, möchte man meinen. Doch vor 55 Jahren wurde das Dreieck durch den Einsatz von Plexiglas durchsichtig gemacht. Seit damals leistet das Aristo-Geodreieck jedem Schüler hilfreiche Dienste im Mathematik-Unterricht, zum Beispiel beim Zeichnen von parallelen Linien oder wenn man den Satz von Pythagoras (zur Erinnerung: a²+b²=c²) grafisch darstellen soll. So ein Erfolgsprodukt lässt sich erst recht nicht neu erfinden. In Wörgl zerbrechen sich einige Leute trotzdem den Kopf darüber und haben eine originelle Lösung gefunden.

Zuerst jedoch zu einer anderen Frage: Warum ausgerechnet in Wörgl? Die Antwort reicht viele Jahrzehnte zurück. Schon seit 1961 produzierte das deutsche Unternehmen Dennert & Pape Zeichengeräte mit dem Namen Aristo in Wörgl, seit 1964 das klassische Geodreieck, das als geschützte Marke eingetragen ist. Vor 16 Jahren erwarben leitende Mitarbeiter in Wörgl die Markenrechte und gründeten das Unternehmen GEOtec. Geschäftsführer Michael Schwaiger erzählt bei einem Werksbesuch die Einzelheiten und hält dabei oft das klassische Geodreieck mit der Artikelnummer „AR1552“ in der Hand, es wird nur in Wörgl produziert. Er nennt es ein „Juwel“: „Jeder kennt österreichische Produkte wie die Mozartkugeln. Aber bei Sachen, die nicht zum Essen sind, bei Dingen, da gibt es nichts anderes, das jeder schon verwendet hat. Das Geodreieck hat jeder schon in der Hand gehabt“, ist sich Schwaiger sicher.

Mit diesem Stempel werden Linien und Zahlen millimetergenau eingearbeitet.
© Foto TT / Rudy De Moor

Das Unternehmen mit 35 Mitarbeitern wird heuer 700.000 Dreiecke und Lineale produzieren, vom klassischen Geodreieck sind es 250.000 Stück. Es sieht genauso aus wie vor 55 Jahren. Jeder Buchstabe ist gleich, jede Linie, sogar die gelbe Farbe hat sich nicht verändert. Ein neues Design würde laut Schwaiger wenig Sinn machen: „Dreieck bleibt Dreieck.“ Auch das Material hat sich nicht verändert – Plastik. „Nein, Kunststoff“, verbessert der Geschäftsführer. In der Diskussion um Plastikmüll sieht er das Material in Verruf geraten, „dabei ist Kunststoff an sich nichts Verwerfliches. Das Geodreieck ist kein Wegwerfartikel, es soll ein Begleiter durch die Schulzeit sein.“ Es sei denn, die Spitzen brechen.

In der Plastik-Diskussion hat das Unternehmen quasi um die Ecke gedacht. Und eine Lösung gefunden, für die man 2018 vom Ministerium für Nachhaltigkeit das Umweltzeichen verliehen bekommen hat. Das Geodreieck wird nun in einer Kartonagen-Verpackung verkauft, völlig plastikfrei. „Das ist ein kleiner Beitrag unserer Seite, um den Plastikmüll zu reduzieren“, sagt Schwaiger. Obendrein wurde das Spitzen-Problem angegangen. Die Verpackung hat nämlich einen zweiten Nutzen. Nach dem Kauf kann sie verwendet werden, um das Dreieck sicher aufzubewahren.

Im Fall der Fälle ist für Nachschub gesorgt. Jeden Tag werden in Wörgl bis zu 3500 Geodreiecke und die größeren TZ-Dreiecke (TZ steht für technisches Zeichnen) hergestellt. Im Betrieb sieht man in einem Behälter das Ausgangsmaterial, kleine Stückchen aus Plexiglas. Das Granulat, das wie Diamanten glitzert, wird auf mehr als 250 Grad Celsius erhitzt und in die Dreieck-Form gepresst. In einer knapp 60 Jahre alten Maschine werden die schwarzen Linien und Zahlen genauso wie der gelbe Halbkreis in das Plexiglas geprägt. Die Maschine wird von zwei Mitarbeiterinnen bedient. Nur wenige Meter entfernt macht ein Roboter die gleiche Arbeit. Bei der Endkontrolle braucht es jedoch das menschliche Auge. „Man muss schauen, ob ja jede Linie und Zahl drauf ist. Und man fühlt, ob das Lineal gerade ist“, erklärt eine Mitarbeiterin.

© Foto TT / Rudy De Moor

Genauigkeit muss sein. Schwaiger erzählt, dass er von misslungenen Mathe-Prüfungen gehört habe, weil derjenige eine billige Kopie mit ungenauen Millimeter-Maßen verwendet habe. Das soll beim originalen Geodreieck aus Tiro­l nicht passieren. „Weil wir die kritischste Klientel haben: Lehrer. Die würden eine Ungenauigkeit von einem Zehntelmillimeter herausmessen, wenn etwas bei unseren Maßen nicht stimmt.“

Am Ende sieht das Geodreieck so aus, wie man es seit 1964 kennt.
© Foto TT / Rudy De Moor

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