Gentechnik

Über Umwege landet genmanipuliertes Essen auf unseren Tellern

© ARGE Gentechnik-frei

Vor 20 Jahren wehrte sich Österreich erfolgreich gegen Gentechnik. Über Umwege landet genmanipuliertes Essen doch auf unserem Teller.

Von Nicole Strozzi

Innsbruck –Super-Pflanzen, die so verändert werden, dass sie immun gegen Schädlinge sind. Eine Verdoppelung der Ernte-Erträge und damit ein Schutz gegen den Hunger der Welt. Die Heilsversprechen der grünen Gentechnik, die vor Jahren in die Welt posaunt wurden, haben sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: „Gentechnologie ist klipp und klar eine Risikotechnologie. Abgesehen davon, dass die Schädlinge mit der Zeit resistent werden, ist es nicht abschätzbar, wie sich die Veränderung von Pflanzen langfristig auf die Gesundheit auswirkt“, betont Florian Faber, Sprecher der Plattform ARGE Gentechnik-frei Österreich.

In Ländern wie den USA oder Lateinamerika, wo hektarweise gentechnisch verändertes Saatgut – im speziellen Soja, Mais, Raps und Reis – angebaut wird, ist noch dazu eine extreme Abhängigkeit der Landwirte von multinationalen Saatgutproduzenten entstanden. Von diesen riesigen Konzernen gibt es nur noch eine Handvoll und deren Verbindungen werden immer undurchsichtiger. „Die Landwirte verpflichten sich, nicht nur die Saat, sondern auch die Düngemittel beim großen Konzern zu kaufen. Der US-Riese Monsanto verwendet z. B. für die Sojaproduktion das Unkrautvernichtungsmittel ‚Roundup Ready’. Das Pflanzengift enthält Glyphosat, das laut WHO wahrscheinlich krebserregend ist“, betont Faber. Es sei also nicht die Gentechnik unmittelbar, sondern das Glyphosat, das Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Das beweisen, so Faber, Untersuchungen in Argentinien, die belegen, dass die Krebsrate bei Menschen, die neben einem großen Sojaanbaugebiet wohnen, eklatant gestiegen ist.

Österreich hat sich mit einem Volksbegehren und über 1,2 Millionen Unterschriften bereits vor 20 Jahren eindeutig gegen die Gentechnik gewehrt und erreicht, dass es auch heute noch keine gentechnisch manipulierten Pflanzen auf unseren Feldern gibt. Im selben Jahr wurde die ARGE Gentechnik-frei, ein Kennzeichnungssystem für gentechnikfrei erzeugte Lebensmittel gegründet. Mittlerweile gibt es mehr als 3300 österreichische Lebensmittel mit dem grünen Kontrollzeichen „Ohne Gentechnik hergestellt“.

Von einem gentechnik-freien Österreich kann man allerdings immer noch nicht sprechen. Denn es gibt Schlupflöcher, die es ermöglichen, dass Gentechnologie über Umwege in unserem Essen landet. Die EU-Verordnung von 2003 sichert zwar, dass allfällige Lebensmittel, die gentechnisch verändert wurden, als solche zu kennzeichnen sind. Das gilt allerdings nicht für Tierfuttermittel.

So werden jährlich mehrere hunderttausend Tonnen von gentechnisch verändertem Soja nach Österreich importiert, das hauptsächlich für die Schweine-, aber auch Rindermast eingesetzt wird. „Während die Milch-, Eier- und Masthuhnproduktion in Österreich gentechnikfrei umgestellt ist, herrscht bei den Schweineproduzenten noch Handlungsbedarf“, sagt Faber. Lediglich drei bis fünf Prozent der Produzenten würden komplett auf Gentechnik verzichten.

Die zweite große Lücke tue sich bei Produkten auf, die mit Hilfe von mit Gentechnik hergestellten Enzymen oder sonstigen Zusatzstoffen produziert wurden. Beispielsweise der Emulgator Sojalecithin, der in Schokolade oder Keksen vorkommt. „Je weiter ein Produkt verarbeitet wurde, desto schwieriger ist es, die einzelnen Komponenten zu erkennen“, sagt Faber. Eine gentechnikfreie Fertigpizza gebe es z. B. immer noch nicht.

Österreich übernimmt mit der Kennzeichnungspflicht und den strengen Kontrollen sicher weltweit eine Vorreiterrolle. Aber man dürfe sich nicht auf Lorbeeren ausruhen, sondern Entwicklungen, wie etwa das derzeit gestoppte Freihandelsabkommen TTIP, beachten, sagt Faber. Außerdem herrsche derzeit eine rege Diskussion über neue Züchtungsformen. Es gibt aktuelle Versuche der Gentech-Lobby, durch die Hintertür ihre Produkte auf den Markt zu schleusen. Dabei handelt es sich um verschiedene molekularbiologische Techniken zur „Verbesserung“ der Pflanzen.

„Diese neuen Techniken sind eine Herausforderung der Zukunft“, sagt Helmut Gaugitsch vom österreichischen Umweltbundesamt. „Die rechtliche Interpretation ist noch offen. Spätestens bis April 2018 erwarten wir vom Europäischen Gerichtshof den Entscheid, ob solche neuen Zuchtformen unter Gentechnik fallen oder als andere Methode angesehen werden“, erklärt der Umweltexperte. Fallen die Technologien unter Gentechnik, ist die Gesetzeslage klar, tun sie es nicht, könnte es schwieriger werden.

Die Technologien seien so gefinkelt, dass sich nicht nachweisen lässt, ob eine natürliche Mutation oder eine bewusste Veränderung vorliegt. „Wir werden aber nicht erstarren. Unsere Aufgabe ist es, zumindest gleichauf mit der Gen-Lobby zu sein“, sagt Gaugitsch. Denn Österreich will auch in Zukunft kein Essen aus dem Genlabor.

Ohne Gentechnik

Wie können Konsumenten sicher sein, dass ihr Essen gentechnikfrei ist?

1) Auf das grüne Zeichen „Ohne Gentechnik hergestellt“ achten. Das deutsche Pendant dazu ist eine auf der Spitze stehende grüne Raute. 2) Bioprodukte sind garantiert gentechnikfrei. 3) Obst und Gemüse aus Österreich ist frei von Gentechnik.

Noch bis zum 17. Juni finden im österreichischen Lebensmittelhandel die „Gentechnik-freien Wochen“ statt. Kampagnen und Folder weisen auf die Vielfalt der gentechnikfreien Produkte hin. Infos: www.gentechnikfrei.at

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