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Suchtexperte warnt: „Kiffen ist gefährlicher geworden“

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Das neue Cannabis kann Psychosen auslösen. Der Linzer Suchtexperte Kurosch Yazdi erklärt, wer besonders gefährdet ist und wie das Gift wirkt.

Derzeit wird viel über Cannabis diskutiert. Schon ein Joint soll im Gehirn von Jugendlichen Veränderungen verursachen, besagt eine aktuelle US-amerikanische Studie. Geht es so schnell?

Kurosch Yazdi: Tatsächlich gibt es Erkenntnisse, die darauf hinweisen, dass der Konsum von Cannabis vor dem 25. Lebensjahr nachhaltig schädlich ist. Erst dann ist das Gehirn ausgereift. Gerade starke Nutzer riskieren vor diesem Alter eine Schädigung. Für schwache Konsumenten, also jene, die nur einen Joint rauchen, gibt es aber noch zu wenig vergleichbare Studien.

Reagiert jeder Mensch gleich auf Cannabis oder gibt es Dispositionen?

Yazdi: Bei Menschen mit einer Veranlagung für psychotische Erkrankungen wie Schizophrenie kann diese eher ausbrechen, wenn Cannabis konsumiert wird. Und dazu kommt noch die Häufigkeit. Es macht natürlich einen Unterschied, ob ich dreimal am Tag oder einmal im Jahr einen Joint rauche.

Kurosch Yazdi ist Vorstand der Psychiatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin des Kepler Universitätsklinikums Linz. Er nimmt regelmäßig zu Drogen-Debatten Stellung. Er ist Autor von „Die Cannabis-Lüge – Warum Marihuana verharmlost wird und wer daran verdient."
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Kann ich Veranlagungen für psychotischen Erkrankungen vorher bestimmen?

Yazdi: Nein. Die genetischen Prädispositionen sind nicht auf ein Gen zurückzuführen, wie zum Beispiel die Haarfarbe. Es ist zu komplex. Das Ganze bedeutet übrigens nicht, dass Menschen ohne Veranlagung nicht auch Psychosen bekommen können.

Das heißt, Cannabis löst auf jeden Fall Psychosen aus?

Yazdi: Die Vorfälle haben sich in den letzten Jahren gehäuft. Deswegen gibt es bei uns jetzt eine eigene Cannabis-Gruppe. Hierher kommen Patienten, die aufgrund des Konsums an Verfolgungsängsten leiden, die auf eine Schizophrenie hindeuten, oder auch massive Antriebslosigkeit haben bis hin zur Depression.

Wie wirkt Cannabis?

Yazdi: Zwei Inhaltsstoffe sind entscheidend. Einer ist die psychoaktive Substanz Tetrahydrocannabinol, kurz THC genannt. Das ist die eigentliche Droge. Sie macht psychotisch, aber auch high. Und dann wirkt noch ein anderer Stoff, das Cannabidiol, das unter CBD bekannt ist und das man in minimaler Dosierung etwa in Ölen im Hanf-Shop kaufen kann. Das könnte man den gesunden Teil nennen. Es macht nicht high und kann bei Nervenschmerzen, wie einem Bandscheibenvorfall, positiv wirken.

Hat sich der Stoff verändert?

Yazdi: Ja massiv und das macht ihn so gefährlich. In den 60er-Jahren wurde Cannabis mit einem THC-Gehalt von rund ein bis zwei Prozent und 0,5 Prozent Cannabidiol geraucht. Durch gezielte Züchtungen, die den Konsumenten lange high machen sollen, hat sich das geändert. Seit den 2000ern steigen die Werte an. Zum Beispiel „Skunk“, eine hochgezüchtete Form des Cannabis, beinhaltet heute 15 bis 20 Prozent THC und so gut wie kein Cannabidiol. Das ist doppelt fatal. Das schädliche THC ist viel höher und das CBD, das wahrscheinlich psychosenhemmend wirkt, zu gering.

Die „weiche Droge“ Hasch ist also Vergangenheit?

Yazdi: Der Begriff ist Quatsch. Nikotin ist in Österreich die gefährlichste Droge. An den Rauchinhaltsstoffen sterben jährlich rund 15.000 Menschen, an Heroin circa 150. Und jetzt will mir wohl keiner sagen, dass Nikotin eine harte Droge ist? Die Begriffe weiche und harte Drogen sind völlig sinnfrei. Wir sollten sie weglassen. Fakt ist, dass Kiffen viel gefährlicher geworden ist, weil bestimmte Cannabis-Sorten viel mehr psychosenverstärkend wirken.

Spricht die Entwicklung gegen eine Legalisierung?

Yazdi: Es ist nicht meine Aufgabe, das zu beurteilen. Das ist eine politische Frage. Ich bin gegen die Verharmlosung. Es herrscht sehr viel Halb- und Falschwissen. Eines muss klar sein: Sobald legalisiert wird, kommen Unternehmen, die den Markt nutzen und auch möglichst starkes Cannabis anbieten werden. Was dann passiert, kann man zum Beispiel in Colorado in den USA sehen. Dort gibt es seit der Legalisierung im Jahr 2014 einfach mehr Suchtkranke. Das lässt sich nicht ignorieren.

Sind die psychotischen Auswirkungen von Cannabis eigentlich therapierbar?

Yazdi: Es gibt eine Intoxikationspsychose, also eine Psychose, die wirkt, solange man den Cannabis-Inhaltsstoff THC im Körper hat. Das ist weniger dramatisch. Bleibt die Psychose auch, wenn das THC abgebaut ist, spricht man im Volksmund von „hängen bleiben“. Das ist natürlich kein medizinischer Fachausdruck, aber man kann sich etwas darunter vorstellen. Es hat sich also eine Psychose manifestiert.

Was bedeuten Ihre Erkenntnisse für die Nutzung von Cannabis in der Medizin?

Yazdi: Das ist genau so ein Feld, auf dem viel Unwissenheit herrscht. Cannabis wird schon in der Medizin eingesetzt und ist in Österreich in drei Medikamenten enthalten. Nur werden diese nicht von den Kassen bezahlt, aber das ist eine andere Debatte. Der Joint auf Rezept ist Blödsinn. Wie sollte ein Arzt die Dosierung auch anleiten? Die moderne Medizin verschreibt so exakt, um möglichst wenige Nebenwirkungen zu erhalten. Das geht bei einem Joint einfach nicht.

Das Interview führte Andrea Wieser

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