Brustkrebs-Bluttest mit vielen offenen Fragen
Es wäre eine Sensation, wenn man Brustkrebs in der Blutprobe erkennen könnte. Deutsche Mediziner wollen nun mit so einem Test auf den Markt.
Innsbruck – Ein kleiner Stich, wenige Milliliter Blut ans Labor geschickt und schon ist klar: Die Patientin ist an Brustkrebs erkrankt oder nicht. Weltweit arbeiten Wissenschafter seit Jahren daran, in der Krebsdiagnostik die so genannte Liquid Biopsy – eine Art Gewebeprobe aus dem Blut – voranzutreiben. Christof Sohn, der Direktor der Heidelberger Universitätsfrauenklinik, verkündet nun, einen Bluttest zur Erkennung von Brustkrebs im Köcher zu haben. Demnach identifiziert der Test 15 Biomarker im Blut, mit denen bereits kleine Tumore nachweisbar sind.
Die Entwicklung sei marktreif. Ein eigenes Unternehmen, die HeiScreen GmbH, wurde gegründet, um Zertifizierung und Markteinführung vorwärtszubringen.
Marth: „Bisher gibt es keine Details“
In dicken Lettern feierte die Bild-Zeitung gestern auf der Titelseite die „Weltsensation aus Deutschland“. Die Reaktion von Christian Marth, Direktor der Uniklinik für Gynäkologie in Innsbruck, fällt allerdings verhaltener aus. „Wenn es so wäre, würde es mich freuen. Doch bisher gibt es keine Details außer den Aussagen des Firmeninhabers“, sagt Marth. Er halte es für etwas voreilig, sich an die Medien zu wenden, noch bevor es eine begutachtete Publikation in einem wissenschaftlichen Journal gebe.
Die Heidelberger Experten – neben Sohn war Sarah Schrott, Leiterin für Familiäre Krebserkrankungen an der Klinik, beteiligt – preisen den Test hingegen als „Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik“ an. Der Bluttest sei „eine neue, revolutionäre Möglichkeit, eine Krebserkrankung in der Brust nichtinvasiv und schnell mit Hilfe von Biomarkern im Blut zu erkennen“, erklärte Sohn.
In einer Studie mit 900 Teilnehmerinnen – 500 davon Brustkrebspatientinnen – habe der Bluttest eine Trefferquote von 75 Prozent erreicht. Bei den unter 50-Jährigen war die Quote mit 86 Prozent noch höher, bei den über 50-Jährigen lag sie bei 60 Prozent. Besonders würden daher jüngere Frauen und Frauen mit familiärer Hochrisikosituation für Brustkrebs profitieren.
Die Liquid-Biopsy-Methode könne sowohl in der Brustkrebsvorsorge als auch in der Langzeitüberwachung herangezogen werden. Damit könne man den Patientinnen wiederholte Untersuchungen mit Strahlenbelastung ersparen. Der Bluttest zeige nämlich auch an, wie gut die Patientinnen auf die Therapie ansprechen oder ob sich z. B. Metastasen bilden.
2016 ließen die Heidelberger Forscher das Testverfahren patentieren. Eine aktuell laufende Studie, bei der bis zu 2000 Probandinnen mitmachen sollen, soll dazu beitragen, die Aussagekraft und Sensitivität weiter zu verbessern sowie weitere Einsatzmöglichkeiten auszuloten.
Die Sensitivität gibt an, zu welchem Prozentsatz erkrankte Patientinnen tatsächlich erkannt werden. Bei Brustkrebs erreicht der Test laut den Medizinern eine Sensitivität von 80 bis 90 Prozent. Bei Eierstockkrebs liege sie bei bis zu 80 Prozent. Noch heuer, sobald die Zertifizierung abgeschlossen ist, soll der Test in die klinische Anwendung kommen.
Fraglich, ob jede Veränderung der Zelle direkt auf einen Tumor hinweist
Soweit der Innsbrucker Experte Marth informiert ist, versucht der deutsche Krebstest spezifische Muster von Stoffwechselprodukten, so genannte Metaboliten, im Blut nachzuweisen. „Prinzipiell ist das schon machbar. Man geht davon aus, dass sich der Stoffwechsel der Zellen bei Krebs verändert.“ Allerdings sei fraglich, ob jede Veränderung des Zellstoffwechsels direkt auf einen Tumor hindeute. „Das können noch viele andere Dinge sein, die in der Zelle ablaufen“, wirft er ein. Deutsche Kollegen Marths machen auf viele ungeklärte Fragen aufmerksam. Man wisse z. B. nicht, wie sich Rauchen oder die Antibabypille im Bluttest auswirken.
Die Hauptkritik des Innsbrucker Klinikdirektors richtet sich jedoch darauf, dass der Test bisher einzig in Heidelberg mit einer Studie erprobt worden sei. Auch die Innsbrucker Klinik habe vor einiger Zeit mit einer ansässigen Firma einen Bluttest nach derselben Methodik getestet. „Bei Eierstockkrebs hat er überhaupt nicht funktioniert. Bei Prostatakrebs hat es in Innsbruck sensationell gut ausgeschaut. Doch die Ergebnisse waren mit anderen Populationen an anderen Zentren nicht wiederholbar. Die Güte des Tests ist dann ziemlich weggebrochen.“ (thm, APA, dpa)
Zertifizierung soll folgen
Das Verfahren erkennt eine Krebserkrankung anhand von Biomarkern und kann somit das Diagnosespektrum optischer Diagnoseverfahren wie Mammografie, Ultraschall oder MRT erweitern. Im Blut von an Brustkrebs erkrankten Frauen konnten 15 Biomarker (miRNA und Methylierungsmarker) identifiziert werden, mit denen auch kleine Tumore nachweisbar sind, schrieb die Heidelberger Universitätsklinik.
Das Verfahren wurde von Christof Sohn, Geschäftsführender Ärztlicher Direktor der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg und Sarah Schott, Sektionsleiterin Translationale Frauenheilkunde und Leiterin für Familiäre Krebserkrankungen an der Klinik entwickelt. Für den Test sind nur wenige Milliliter Blut notwendig, er soll von jedem Labor durchgeführt werden können.
Die Methode kann bei Frauen aller Altersgruppen durchgeführt werden. Besonders profitieren jüngere Frauen unter 50 Jahren und Frauen mit familiärer Hochrisikosituation für eine Brustkrebserkrankung, bei denen eine Mammografie beispielsweise aufgrund des dichten Brustdrüsengewebes wenig Aussage liefert oder aufgrund anderer Risikofaktoren herkömmliche bildgebende Verfahren nicht angebracht sind. Dabei konnte laut den deutschen Wissenschaftern eine Sensitivität von 80 bis 90 Prozent erreicht werden. Die Sensitivität gibt an, zu welchem Prozentsatz erkrankte Patientinnen durch den Test tatsächlich erkannt werden.
Das Universitätsklinikum Heidelberg hat sich bereits seit Jahren in der Forschung im Bereich Liquid Biopsy engagiert: 2016 wurde das dem Test zugrunde liegende Verfahren als Patent angemeldet. Ziel der aktuell laufenden Studie, an der bis zu 2.000 Probandinnen teilnehmen sollen, ist es, die Aussagekraft, Sensitivität und Einsatzmöglichkeit durch zukünftige Analysen weiter zu spezifizieren und zu verbessern. „Auch wird der Einsatz bei weiteren Krebsarten, so z. B. Eierstockkrebs, erforscht. Die derzeitigen Zwischenergebnisse erreichen eine Sensitivität von bis zu 80 Prozent bei rund 200 untersuchten Patientinnen“, schrieb die Heidelberger Universitätsklinik.
Neben der Erkennung einer Krebserkrankung kann der Bluttest zur Analyse weiterer Daten dienen. So soll zukünftig anhand von Biomarkern auch eine Metastasenbildung oder ein Rezidiv frühzeitiger erkannt werden und der Test bei der Langzeitüberwachung eingesetzt werden. Daneben dienen die gewonnenen Informationen auch der Therapie: Die Biomarker können Auskunft darüber geben, ob eine Behandlung anspricht oder eine Therapieresistenz eintritt. Erste Erkenntnisse weisen auch darauf hin, dass das individuelle Ansprechen auf eine Chemotherapie über Liquid Biopsy überwacht werden kann und so langfristig personalisiertere Chemotherapiebehandlungen erfolgen können. Solche Anwendungsgebiete waren bisher vorrangig das Ziel solcher Entwicklungen, die weltweit vorangetrieben werden.
Um die notwendigen Zertifizierungen voranzutreiben und die Marktreife sicherzustellen, wurde von den Entwicklern die HeiScreen GmbH gegründet. Das Unternehmen wird die Markteinführung des Verfahrens voranbringen und Vertriebskanäle entwickeln. Die CE-Zertifizierung hat bereits begonnen, um den Bluttest noch in diesem Jahr in die klinische Anwendung zu bringen.