Tirol

Politik beim Zucker gefordert: „Es ist nicht wurscht, was man isst!“

Symbolbild.
© APA (dpa/gms/Christin Klose)/Chr

Herbert Tilg, Direktor an der Inneren Medizin an der Klinik Innsbruck, fordert eine dringende Reglementierung des Zuckergehalts bei Nahrungsmitteln: Nur so könne Übergewicht bekämpft und chronischen Erkrankungen vorgebeugt werden.

Innsbruck – Im Kampf gegen Übergewicht und damit einhergehenden Erkrankungen wie chronischen Entzündungen schlägt die Innsbrucker Universitätsklinik Alarm – und stellt Forderungen an die Politik. Es brauche in Österreich beispielsweise dringend eine Reglementierung des Zuckergehalts bei Nahrungsmitteln, erklärte Herbert Tilg, Direktor für Innere Medizin I, im APA-Gespräch.

Herbert Tilg, Direktor an der Universitätsklinik für Innere Medizin I.
© Jan Hetfleisch

Denn der Zuckergehalt im Blut habe wesentlichen Einfluss auf die Oberfläche des Darmes, wo die Ursache für chronische Entzündungen liegen könnte, so Tilg, seines Zeichens auch Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH). Und Zuckerkonsum korreliere „direkt mit Übergewicht“. „Die Politik ist gefordert, Maßnahmen zu setzen. Sie muss den Mut haben, gewisse Dinge zu reglementieren“, verlangte Tilg und verwies auf Staaten wie Großbritannien, Irland oder Frankreich, in denen es solche Regelungen wie eine Zuckersteuer bereits gebe. In Österreich sei man dahin gehend „völlig unterentwickelt“.

Chronisch erhöhte Entzündungswerte nehmen zu

Die Fälle von chronisch erhöhten Entzündungswerten, vor allem bei Patienten mit Übergewicht und auch Diabetes, hätten in den vergangenen zehn bis 20 Jahren „substanziell zugenommen“ – ebenso wie die damit häufig verbundene Gefäßverkalkung, die so genannte Arteriosklerose. Chronisch erhöhte Entzündungswerte dürften zudem dafür verantwortlich sein, dass Menschen mit diesen Erkrankungen ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko haben und häufiger einen Schlaganfall oder Herzinfarkt bekommen.

Maßnahmen seitens der Politik im Bereich „Public Health“ sind die eine Seite der „Präventiv-Medaille“, die zweite ist Forschungsarbeit auf diesem Gebiet. Und hier wartet Tilg durchaus mit neuen Erkenntnissen auf: Gemeinsam mit Fachkollegen aus Israel entwickelte und veröffentlichte er nämlich nun im renommierten Fachjournal Nature Reviews Immunology ein dreistufiges Modell, wie die Mikrobiota, also die Keimwelt im Darm, metabolische Entzündungen und Dysfunktionen regelt. „Die Antwort“ liege im Darm – denn bei Patienten mit Typ 2 Diabetes, starkem Übergewicht oder der nichtalkoholischen Fettleber lasse sich eine Gemeinsamkeit finden: Sie alle zeigen signifikante Veränderungen in der Zusammensetzung der Mikrobiota, so Tilg.

Nahrung manipuliert Keimwelt

Fest stehe, dass „Nahrung die Keimwelt manipuliert“. „Der hauptmodulierende Faktor für diese Keimwelt ist Ernährung“, erläuterte der Experte. Es sei eben „nicht wurscht, wie man sich ernährt und was man isst“. Im Schnitt werde die Keimwelt etwa durch eine fett- und zu kalorienreiche Ernährung negativ verändert – „im Sinne von potenziell krank machend“. Dabei handelt es sich laut dem Mediziner um das erste von drei Schlüsselereignissen, das für Entzündungen verantwortlich ist.

Nicht nur Diabetes droht bei erhöhtem Zuckerkonsum. Auch andere chronischen Erkrankungen werden dadurch ausgelöst.
© Stefan Rupp

In der zweiten Stufe komme es dann dazu, dass die gestörte Darmbarriere „löchrig“ wird – wobei hier wiederum der Zuckerspiegel eine Rolle spiele. Zu diesem Zeitpunkt der Erkrankung könne die Leber allerdings noch viel neutralisieren. Schließlich kommt es allerdings zu einem Fortschreiten: Keime können in der Leber nicht mehr eliminiert werden und geraten in den Kreislauf, wo an verschiedenen Stellen Entzündungen „getriggert“ werden.

„Die Vision“ sei es, irgendwann – aufbauend auf der Forschungsarbeit – Keimpräparate zu erfinden, die die Darmbarriere wieder perfekt machen und so vor chronischen Entzündungen schützen. „Quasi die perfekte Rasenpflege für morgen. Denn die Oberfläche des Darmes ist wie ein Fußballplatz, wie ein englischer Rasen. Und der muss in perfektem Zustand sein“, griff Tilg zu einem sportlichen Vergleich. (APA)

Der tägliche Zuckerkonsum ist viel zu hoch.
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