Innsbruck

40 Jahre Waldorfpädagogik in Tirol: „Am Anfang hat es schon sehr viel Mut gebraucht“

Der enge Bezug zur Natur ist in der Waldorfpädagogik wichtig: Die Kinder im Kindergarten in der Schneeburggasse spielen täglich eine Stunde im Freien und arbeiten viel mit Naturmaterialien.
© Domanig

Der „Verein der Waldorfpädagogik Tirol“ blickt auf 40 Jahre zurück – eine Zeit zwischen erfolgreicher Expansion und hartnäckigen Klischees.

Von Michael Domanig

Innsbruck –40 Jahre „Verein der Waldorfpädagogik Tirol“: Dieses Jubiläum feiern Schüler, Eltern, Pädagogen, Freunde und Interessierte am Freitag, den 16. November, mit einem großen „Begegnungsfest“ im Innsbrucker Treibhaus (ab 19 Uhr).

„Am Anfang brauchte es schon sehr viel Mut, das Umfeld war damals alles andere als offen“, erinnert sich Monika Hauser-Rieder, die lange als Vereinsobfrau und Kindergärtnerin tätig war und mit ihrem Mann zu den Mitbegründerinnen der Waldorfeinrichtungen in Tirol zählte. Initialzündung war 1978 ein Vortrag über Waldorfschulen, veranstaltet von der Antroposophischen Gesellschaft Innsbruck. Eine Initiative von Studierenden der Erziehungswissenschaften und Eltern machte sich daran, die auf den Lehren von Rudolf Steiner aufbauende Pädagogik auch in Innsbruck zu verwirklichen. „Wir hatten den Eindruck, dass in den Bildungseinrichtungen zu wenig auf den Menschen geschaut wird“, meint Hauser-Rieder.

Derzeit sind Kindergarten- und krippe auf der dringenden Suche nach einem neuen Standort.
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Also gründete die Gruppe einen Verein, lud zu Infoveranstaltungen – und schon ab Herbst 1978 zu einem berufsbegleitenden Waldorfpädagogik-Seminar, um spezialisierte Pädagogen heranzubilden.

Trotz aller Widerstände sei das Projekt von Beginn an unter einem guten Stern gestanden, meint Hauser-Rieder, das Interesse sofort groß gewesen. 1980 eröffnete in Hall der erste Tiroler Waldorfkindergarten, 1982 dann der erste in Innsbruck. Vier Jahre später folgte der nächste Meilenstein – die Gründung der Freien Waldorfschule Innsbruck, zunächst mit drei Klassen in einem alten Bierdepot in der Grassmayrstraße. 1989 übersiedelte die Schule an den heutigen Standort in der Jahnstraße, wobei die Stadt Innsbruck die Räume zur Verfügung stellte. Bald schon wurde auch eine Oberstufe aufgebaut.

Die Kinder arbeiten viel mit Naturmaterialien.
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Und so ging es stetig voran, etwa mit der Gründung des Waldorfkindergartens in der Höttinger Schneeburggasse (1991) – die Stadt unterstützte den Ausbau – oder der ersten Gruppe für Kleinkinderbetreuung (1999). Heute werden allein in der Waldorfschule in zwölf Schulstufen rund 180 Schüler unterrichtet, mit den Krippen bzw. Kindergärten Jahnstraße, Schneeburggasse und Universitätsstraße in Summe rund 300 Kinder waldorfpädagogisch betreut.

Man habe auch finanziell „viele Opfer bringen müssen“, bilanziert Hauser-Rieder – da man öffentlich vergleichsweise wenig gefördert werde –, „aber wir haben immer wieder Hilfe bekommen, um weitermachen zu können“. Und die Herausforderungen gehen weiter: Bis Sommer 2020 muss der Standort in der Schneeburggasse wegen eines Neubaus geräumt werden, der Verein ist daher auf der dringenden Suche nach passenden Räumlichkeiten für Kindergarten und -krippe. „Auch ein altes Haus wäre geeignet, wir würden selbst viel herrichten“, betont Hauser-Rieder. Neben einem Platzbedarf von rund 250 bis 300 Quadratmetern benötige man auf jeden Fall auch ein Garten.

Auch wenn es Waldorfschulen längst weltweit gebe – und selbst Silicon-Valley-Manager ihre Kinder dorthin schicken –, habe man bis heute mit Imageproblemen und Klischees zu kämpfen, gesteht Hauser-Rieder. Dabei gebe es in der Waldorfpädagogik sehr wohl Regeln, es handle sich nicht um eine antiautoritäre Laissez-faire-Pädagogik, „die Kinder müssen etwas tun“. In Innsbruck könne man nun auf über 20 Jahre von Absolventen zurückblicken: „Sie stehen voll im Erwerbsleben, auch als Ärzte oder Juristen, ihre Kinder besuchen zum Teil ebenfalls schon Waldorfeinrichtungen.“

Natürlich seien künstlerische Fächer wie auch der enge Bezug zur Natur zentral, meint Hauser-Rieder – im Kindergarten Schneeburggasse halfen die Kinder zuletzt etwa beim Ernten und Verarbeiten von Äpfeln –, aber entgegen dem Klischee der Weltfremdheit arbeite man z. B. sehr wohl auch mit dem Computer.

Waldorfpädgogik gebe den Kindern die Möglichkeit, „ihre eigenen Sinne zu entwickeln“ und die Zeit, „ihre individuelle Entwicklung zu vollziehen“, ausgehend von einem ganzheitlichen Menschenbild. Den Pädagogen komme dabei die Rolle der respektvollen, stärkenden Begleitung zu. Und den Erfolg merke man: „Unsere Kinder entwickeln ein hohes Selbstwertgefühl.“ Nun schon seit 40 Jahren.

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