Extremismus

Islamisten und Rechtsextreme haben ähnliche Weltsicht

Rechtsextreme brauchen laut Ebner Islamisten und umgekehrt.
© dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Für Extremismusforscherin Julia Ebner sind sich Rechtsextreme und Islamisten in vielerlei Hinsicht ähnlich. Beide Gruppen brauchen sich demnach gegenseitig.

Wien – Für die Extremismusforscherin Julia Ebner ähneln sich die „Erzählungen und die Weltsicht“ von Islamisten und Rechtsextremen. „Es ist, als würden sich die beiden Seiten wechselseitig einen Spiegel vorhalten“, sagte sie am Dienstag im APA-Interview in Wien im Vorfeld eines Vortrages im Bruno Kreisky Forum. Ziel sei die Polarisierung der Gesellschaft bis zum Bürgerkrieg.

Die Ähnlichkeiten seien Ebner bei „direkten Gesprächen mit Islamisten und Rechtsextremen“ aufgefallen, als sie Veranstaltungen der verschiedenen Gruppen „undercover“ besucht habe. „Islamisten reden beispielsweise davon, dass es einen Krieg zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen gibt und dass der Westen diesen Krieg gegen den Islam gestartet habe“, erklärte Ebner.

Dasselbe Narrativ sei auch auf der rechtsextremen Seite zu finden, „nur aus der anderen Perspektive“: Es gäbe einen Krieg zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen und der Islam hätte sich gegen den Westen zusammengeschlossen. „Das Ziel ist es, den Bürgerkrieg, den sich beide (Gruppen, Anm.) herbeisehnen, durch gezielte Manipulation, Radikalisierung und Spaltung der Gesellschaft herbeizuführen, damit die Grauzonen der Gesellschaft eliminiert werden und sich die Menschen einer der Gruppen zuwenden“, so die Terrorismusforscherin.

Verschwörungstheorien und die „Lügenpresse“

Auch die Strategien von Islamisten und Rechtsextremen weisen laut Ebner Gemeinsamkeiten auf. „Es geht ihnen um die schrittweise Polarisierung der Gesellschaft durch Provokationen wie Terroranschläge, aber auch Netzkampagnen, um die Existenzängste der Bevölkerung und die Wut, die sich aus den vielen Krisen der letzten Jahren ergeben hat, zu schüren und ein Ventil zu bieten“, stellte sie fest. Durch die Verrohung der Sprache werde das Feindbild zudem „stark entmenschlicht“, weswegen es dann auch „sehr schnell“ zu „Gewaltausbrüchen gegen die Feindgruppe“ komme.

„Auf beiden Seiten werden komplexe Zusammenhänge stark vereinfacht“, fuhr die Wissenschafterin fort. „Das passt auch gut mit den jüngsten Entwicklungen im Netz zusammen, weil viele Informationslücken mit Falschinformationen gefüllt und in Verschwörungstheorien eingebettet werden“, analysierte sie. Die Verschwörungstheorien seien zumeist dieselben. „Beide bezeichnen traditionelle Medien als ‚Lügenpresse‘, stellen Politiker und die globalen Eliten als korrupt dar und zweifeln die Demokratie als Regierungsform an“, hielt sie fest.

„Die einen brauchen das Feindbild der anderen.“
Julia Ebner

Für Ebner stellen Islamisten und Rechtsradikale zwar das gegenseitige Feindbild dar, sie sind aber dennoch „hilfreich“ füreinander. „Die einen brauchen das Feindbild der anderen“, erklärte Ebner. „Nach jedem islamistischen Anschlag sieht man, wie sich Rechtsextreme mobilisieren“, sagte sie. Umgekehrt sehe man nach Übergriffen gegen Muslime oder Migranten, wie sich die Islamisten „daran orientieren und eingeschüchterte Muslime rekrutieren können“. „Diese Spirale spielt auch rechtspopulistischen Politikern in die Hände, weil sie sich einer ähnlichen Rhetorik annehmen, da sie die Welt auch in sehr einfache, homogene Einheiten einteilen, wie ‚die Migranten‘, ‚die Muslime‘ und ‚die Flüchtlinge‘“, fuhr sie fort.

Aufruf zu gesamtgesellschaftlichem Vorgehen gegen Extremismus

Um gegen diese Polarisierung vorzugehen forderte Ebner eine „parteiübergreifende große Koalition, die nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch mithilfe der Tech-Unternehmen, dem Privatsektor, den Medien und vielleicht auch der Kunstbranche geschaffen werden muss“. Diese müsse „sowohl auf faktischer als auch auf emotionaler Ebene diesen Narrativen“ entgegenwirken. „Es muss darüber aufgeklärt werden, wenn Falschinformationen auftauchen und über die Kernaspekte der Propagandakampagnen informiert werden, die man immer wieder erkennt. Auf faktischer Ebene ist das Aufgabe der Tech-Unternehmen, der Wissenschaft und der Medien. Auf emotionaler Ebene ist es wichtig, mehr Empathie für Randgruppen, mit denen man sich nicht so gut identifizieren kann, zu schaffen“, erörterte Ebner. Der Bildungsbereich und „vor allem“ die Kunst könnten dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Besonders soziale Medien sieht Ebner in der Pflicht. Zwar müsse man differenziert vorgehen, um die Meinungs- und Pressefreiheit nicht zu beschneiden, jedoch sei es wichtig, dass „hetzerische Elemente, besonders diejenigen, die zu Gewalt aufrufen, sofort entfernt werden“. Im „Grauzonenbereich“ müsse man hingegen bessere Moderationstechniken finden, um Falschinformationen zu bekämpfen und ein „Bewusstsein“ für derartige Inhalte zu schaffen.

Die Politik rief Ebner auf, nicht in Überreaktionen den Forderungen der Extremisten nachzugeben. „Vor allem darf die Rhetorik nicht reproduziert werden“, betonte sie. Stattdessen müsse man der Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken und die „Solidarität zwischen den Gemeinschaften, egal welcher kulturellen, religiösen und nationalen Zugehörigkeit“, fördern. (APA)

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