Bezirk Landeck

Wenn der Gletscher langsam bröckelt

Das Gletschervorfeld des Jamtalferners hat es dem Forscherteam besonders angetan.
© Helfricht

Am Jamtalferner untersucht ein Forscherteam drei Jahre lang die Schuttabdeckung des Gletschers und was passiert, wenn das Eis schmilzt.

Von Matthias Reichle

Galtür –„Katastrophal.“ Der Galtürer Hüttenwirt Gottlieb Lorenz schätzt die Lage „seines“ Gletschers wenig optimistisch ein. „Wenn das so weitergeht, ist in 30 Jahren nicht mehr viel da“, befürchtet er.

Zuletzt hat der Jamtalferner auf seiner gesamten Fläche umgerechnet zwei Meter pro Jahr an Dicke verloren. „Er fängt an, in drei Teilbereiche auseinanderzubrechen, die Zunge verliert das nachfließende Eis und geht rasch zurück. Das kann man kaum aufhalten“, schildert Glet­scherforscherin Andrea Fischer. Von den zehn Gletschern, deren Massenbilanz beobachtet wird, sei der Jamtalferner einer von denen, die am schnellsten Fläche verlieren. Damit gibt er auch sehr viel Geröll frei.

Gestern nahm das Forscherteam gemeinsam mit den Projektbeteiligten ein Abflussradar in Betrieb.
© Reichle

Was passiert an der Grenze, wo das Eis auftaut? Diese Frage untersucht jetzt ein Forscherteam rund um den Projektleiter Kay Helfricht vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. „Gebiete, wo Gletscher stark an Länge verlieren, sind sehr instabil und anfällig für Erosion“, erklärt der Wissenschafter. „Es geht darum zu sehen, was mit dem Schutt passiert, wenn der Gletscher zurückgeht.“ Etwa, wie er vom Wasser abtransportiert wird, aber auch, ob die Schuttbedeckung der Gletscher selbst Auswirkungen auf die Eisschmelze hat.

Das „Hidden.Ice“-Projekt wird unter anderem in Kooperation mit der Uni Innsbruck, der Universität für Bodenkultur (Wien) und der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt durchgeführt – der Paznauner Gletscher soll den Forschern wichtige Erkenntnisse liefern. Auch die Illwerke, die Wasser vom Jambach für ihr Kraftwerk abzweigen, das Alpinarium sowie die Gemeinde seien eingebunden, so Helfricht. „Wir werden in den nächsten zwei Jahren viel lernen“, ist er sich sicher.

Es ist ein transdisziplinäres Projekt, das sich auf das Gletschervorfeld konzentriert. Drei Jahre lang werden verschiedene Messungen durchgeführt, aber auch historische Fotos sollen Entwicklungen sichtbar machen. Gestern wurde bei der Getsch­nerbrücke unterhalb der Jamtalhütte ein Abflussradar in Betrieb genommen, das die Höhe und die Geschwindigkeit des Bachs misst. „Die Grundlage ist, dass in Zukunft mehr loses Material anfällt“, sagt Stefan Achleitner, der für das Institut für Infrastruktur, Arbeitsbereich Wasserbau, am Projekt mitarbeitet.

Derzeit werde auch das Naturgefahrenpotenzial des Geschiebes von Gletschern stark diskutiert, erklärt Andrea Fischer. Nach einem Naturereignis beispielsweise führe ein Bach über mehrere Jahre besonders viel Geschiebe mit. Diese Erfahrung macht auch Martin Walter, Gemeindevorstand und Mitarbeiter der Illwerke. „Nach dem Hochwasser von 2005 hat es einige Jahre gedauert, bis sich der Jambach wieder stabilisiert hat.“ Dass der Jambach viel Geschiebe mitführt, weiß er nur zu gut. Die Kraftwerksbetreiber müssen Schotter und Sand regelmäßig ausbaggern.

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