Niederlande

Isolierte Familie: Auch Vater verhaftet, Berichte über Sektenmitgliedschaft

Das abgeschiedene Bauernhaus, in dem die Familie lebte.
© ANP

Ein Vater und sechs Kinder lebten neun Jahre lang völlig isoliert auf einem niederländischen Bauernhof. Ein Oberösterreicher ist bereits in Untersuchungshaft – nun wurde auch der Vater festgenommen.

Ruinerwold – Im Fall der isolierten Familie auf einem Bauernhof in den Niederlanden ist nun auch der 67 Jahre alte Vater festgenommen worden. Er werde der Freiheitsberaubung, Misshandlung und Geldwäsche verdächtigt, Das teilte die Polizei am Donnerstag in Assen in der Provinz Drenthe mit. Zuvor war bereits die U-Haft über einen 58-jährigen Österreicher wegen Verdachts auf Freiheitsentzug verhängt worden. Das teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstagnachmittag per Twitter mit. Der Verdächtige wurde am Dienstag in Zusammenhang mit einer isoliert lebenden Familie im Ort Ruinerwold festgenommen. Der abgelegene Hof wurde inzwischen von einer Spezialeinheit der Polizei durchsucht.

Die Polizei geht nun davon aus, dass die sechs Kinder gegen ihren Willen festgehalten wurden. „Wir denken, dass die sechs Personen dort nicht aus freiem Willen gelebt haben“, sagte die Sprecherin der Polizei der Provinz Drenthe, Nathalie Schubart, am Donnerstagabend der Deutschen Presse-Agentur.Die Polizei schließt auch nicht aus, dass die Hintergründe des Falls in einer Art Sekte liegen könnten. Es werde untersucht, „ob es hier um eine besondere Glaubens- oder Lebensgemeinschaft ging“.Auf dem Hof hatten die Ermittler auch eine große Summe Bargeld sichergestellt. Da die Herkunft nicht bekannt sei, werde der inzwischen festgenommene 67 Jahre alte Vater auch der Geldwäsche verdächtigt.

Berichte über Mitgliedschaft bei „Moon Sekte“

Rund um den Fall berichten aber auch niederländische Medien am Donnerstag, dass es Hinweise auf eine Mitgliedschaft bei der Vereinigungskirche gebe, die auch unter dem Namen „Moon-Sekte“ bekannt ist. De Telegraaf berief sich auf Angaben eines Verwandten des 67-jährigen Vaters der Familie, der selbst Mitglied ist. Laut RTV Drehnt sollen sich der Vater der Familie und der festgenommene Österreicher über diese Gemeinschaft kennengelernt haben.

Er war demnach ebenfalls Mitglied, schrieb RTV Drehnte. Die Vereinigungskirche wies bereits am Mittwoch Berichte gegenüber der APA zurück: Der 58-jährige Österreicher sei weder bei der Vereinigungskirche in Österreich noch in den Niederlanden Mitglied gewesen.

Ehemalige Nachbarn

Bisher hieß es, dass der 58-Jährige ein gebürtiger Wiener sei. Wie die Recherchen der APA ergaben, ist der Mann dann wieder nach Oberösterreich zurückgezogen und lebte bis 2010 rund zehn Jahre wieder in einer Marktgemeinde im Bezirk Perg, ehe er dann in die Niederlande ausgewandert ist.

Niederländischen Medien schrieben, dass der Österreicher und die Familie einander bereits vor dem Aufenthalt in Ruinerwold gekannt hätten. Sie sollen laut de Volkskrant zuvor in der Ortschaft Hasselt bei Zwolle Nachbarn gewesen seien. Der 25-jährige Hofbewohner, der am Montag in einem Wirtshaus um Hilfe gebeten und den Fall so ins Rollen gebracht hat, habe Hasselt zudem als seinen Geburtsort genannt. Später habe er in Zwartsluis gelebt, jener Ortschaft, wo der Vater bis 2008 einen Spielwaren- und Holzhandel betrieben hat.

Kontakt über Holzhandel?

Das Gebäude soll schon länger zum Verkauf stehen, Mieter seien der besagte Vater und der 58-jähriger Österreicher. Besagtes Geschäft und ein weiterer Betrieb in der rund 15 Kilometer entfernten Ortschaft Zwartsluis wurden am Mittwoch von den niederländischen Behörden durchsucht, etwaige Ergebnisse wurden jedoch noch nicht bekannt gegeben. Zudem werden die Räume auf dem Bauernhof in Ruinerwold digital erfasst, „um sich einen vollständigen Überblick zu verschaffen“, schrieb die Polizei in einer Stellungnahme.

Über den o.g. Holzhandel könnte auch der Kontakt zum verdächtigen Österreicher geknüpft worden sein, denn dieser dürfte in der wenige Kilometer entfernten Stadt Meppel ein Firma registriert haben, die auf Holz spezialisiert ist, wie das niederländische Firmenregister nahelegt. Laut de Volkskrant verkaufte er in den Niederlanden unter anderem auch Holzspielzeug, Holzspäne und Kleinmöbel auf diversen Märkten. Auch während seiner Zeit in Österreich war der 58-jährige als Tischler tätig.

Noch drei ältere Töchter

Nach Angaben der Polizei scheint keines der Familienmitglieder in Ruinerwold in Drenthe bei der Grundverwaltung registriert zu sein. Das könnte erklären, warum die Behörden bisher untätig waren. Auf dem abgelegenen, von Bäumen und Hecken umgebenen Bauernhof könnte sich die Familie von auf dem Gelände angebauten Gemüse ernährt haben – auch Tiere, unter anderem eine Ziege, sind dort gehalten worden.

Die zuständige Polizeibehörde bestätigte am Donnerstag auf Anfrage der APA, dass die Exekutive auf dem Bauerhof selbst sechs Personen angetroffen hatte. Sie selbst gaben an, dass sie eine Familie seien: ein Vater und sechs seiner Kinder. Der 25-jährige älteste Sohn war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auf dem Gelände anwesend. Der in U-Haft sitzende Österreicher selbst dürfte nicht dort gelebt haben. Nach Angaben der deutschen Nachrichtenagentur dpa kam er nur regelmäßig vorbei und hat Reparaturarbeiten erledigt.

Alter und die Identitäten der sieben Personen sind weiterhin Gegenstand der Ermittlungen. Auch die Frage, ob sich alle Personen unfreiwillig auf dem Hof aufgehalten haben, war bisher noch ungeklärt, bisher gebe es aber keine derartigen Indizien.

Medienberichten zufolge soll die Familie noch drei weitere Mitglieder haben. Der Lokalsender RTV Drenthe berichtete, dass es noch drei ältere Töchter geben soll. Sie sollen älter als 25 Jahre sein, ihr Aufenthaltsort sei unbekannt.

Die Mutter der Familie soll bereits 2004 gestorben sein, seitdem kümmerten sich die Kinder auch um den Vater, der zuletzt bettlägerig war. Am Montag ging schließlich der älteste Sohn in ein Lokal und berichtete dem Wirten, dass er weggelaufen sei, Hilfe brauche und nicht mehr nach Hause könne. Der 25-Jährige habe auch geschildert, dass er neun Jahre lang nicht mehr draußen gewesen sei. Daraufhin hatte der Gastwirt die Polizei eingeschaltet. Er beschrieb den jungen Mann als „sehr verwirrt“, er habe außerdem auf eine kindliche Weise gesprochen. (APA)

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