Tirol

Leichte Entspannung in Osttirol, Land befürchtet 10 Mio. Euro Schaden

Alle Hände voll zu tun: Ein Mitarbeiter der Tinetz beim Instandsetzen einer Stromleitung in Osttirol.
© APA

Für die Osttiroler ist nach dem Schneechaos der vergangenen Tage langsam Entspannung in Sicht. Mehrere Straßensperren wurden aufgehoben, Schulen und Kindergärten haben großteils wieder geöffnet. Laut ersten Schätzungen haben die Unwetter in Tirol rund zehn Millionen Euro Schaden verursacht.

Innsbruck, Lienz — Die Unwetter in den vergangenen Tagen in Tirol haben laut ersten Schätzungen des Landes rund zehn Millionen Euro Schaden verursacht. Derzeit gäbe es eine Entspannung, "wir müssen aber weiterhin auf der Hut sein", sagte Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) am Dienstag bei einer Pressekonferenz nach der Regierungssitzung. Das Land stelle nun Mittel aus dem Katastrophenfonds zur Verfügung.

Auf welche Summe sich die Schäden tatsächlich belaufen, könne man aber erst zum Schluss genau beurteilen, sagte Platter, der die Gefahr in Osttirol noch nicht gebannt sah. Außerdem könne man feststellen, dass die Zeiträume zwischen solchen Ereignissen immer kürzer werden. "Massive Schäden" verzeichne man vor allem im Forstbereich, berichtete Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP). Rund 150.000 Kubikmeter Schadholz habe das Unwetter gefordert. Weil der Boden noch nicht gefroren war, seien zahlreiche Bäume unter der Schneelast umgeknickt. Zudem gestalten sich die Einzelentnahmen dieser Bäume schwierig.

Die Zusammenarbeit von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern habe sehr gut funktioniert, bilanzierte Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne). Sie zollte außerdem der Lienzer Bezirkshauptfrau Olga Reisner Respekt, welche die Situation mit Ruhe gemeistert habe.

Aufnahme aus St. Veit im Defereggental. Das Tal war tagelang von der Außenwelt isoliert.
© Ottilie Stemberger

Lage in Osttirol entstpannt sich langsam

Nach Tagen mit heftigen Schneefällen und Unwettern scheint sich die Lage in Osttirol langsam zu beruhigen. Nach und nach würde eine Straßenverbindung nach der anderen wieder aufgehen. Zudem seien Kindergärten und Schulen großteils wieder geöffnet, teilte das Land am Dienstag mit. Auch die Lawinengefahr ging von Stufe 4, große Gefahr, auf Stufe 3, erhebliche Gefahr, zurück.

"Von 64 Anforderungen für Hubschrauber-Erkundungsflüge konnten bereits 53 abgearbeitet werden. Laufend werden Straßen wieder geöffnet, die Felbertauernstraße muss noch geschlossen bleiben", erklärte Bezirkshauptfrau Olga Reisner und berichtete unter anderem, dass nach einem Erdrutsch in Dölsach die Bewohner inzwischen wieder in ihr Haus zurückkehren konnten.

Blick auf das tief verschneite Sillian.
© APA

Dort setzte sich gegen 0.23 Uhr oberhalb des Ortes nach den hohen Niederschlagsmengen der vergangenen Tage der aufgeweichte Boden als Mure aus Geröll, Erdmassen samt umgerissener Bäume in Bewegung. Er beschädigte eine Steinschlagsicherung der Gemeindestraße sowie zwei darunterliegende Wohnhäuser samt einer Holzhütte teilweise schwer. Bei einem der Wohnhäuser kam es über die eingedrückten Fenster zu einer Vermurung im Gebäudeinnern. Zum Glück wurde dabei niemand verletzt.

Noch etwa 1000 Haushalte ohne Strom

Die Mitarbeiter der Tinetz hatten auch in der Nacht auf Dienstag alle Hände voll zu tun, seit Tagen wird in Osttirol im Akkord gearbeitet, um die Stromversorgung wiederherzustellen. So ist es in der Nacht gelungen, die Zahl der Haushalte ohne Strom zu halbieren. Dienstagfrüh waren laut Angaben des Energieversorgers noch 800 Kunden unversorgt, später kamen jedoch wieder 200 neue Stromausfälle hinzu. Je nach Wetterverlauf soll bis etwa 15 Uhr die 110kV-Leitung nach Sillian in Betrieb gehen. Dann können auch das Puster-, Villgraten- und Lesachtal wieder mit Strom versorgt werden. Die Tinetz-Betreiber warnen aber, dass eine Vollversorgung noch dauern könnte: „Auch wenn es stetig Richtung Vollversorgung im Hoch- und Mittelspannungsnetz geht, vieles ist noch Provisorium und unzählige Störungen im Niederspannungsnetz stehen noch an."

Einsatz im Schneegestöber in Sillian: Die Rot-Kreuz-Mitarbeiter waren rund um die Uhr im Einsatz und/oder in Bereitschaft.
© Rotes Kreuz

Weitere Informationen bietet die Tinetz auf ihrer Homepage.

17.000 freiwillige Stunden durch Rot-Kreuz-Helfer

Die Bezirksstelle des Roten Kreuzes in Osttirol veröffentlichte am Dienstag eine erste Bilanz. In der Zeit zwischen 13. und 19. November seien zusätzlich mehr als 110 Rotkreuz-Mitarbeiter täglich aktiv gewesen — mit Rufbereitscaften auch in schwer zugänglichen Ortschaften. "Wir sprechen hier von ca. 17.000 freiwilligen Stunden", wird in der Aussendung hervorgehoben. 24 Fahrzeuge standen im Bezirk gleichzeitig im Rettungs- und Krankentransport im Dienst. Wichtig sei gewesen, dass man auf das Wetterereignis mit den entsprechenden Material- und Personalressourcen vorbereitet war.

Unter anderem wurden auch Hubschrauberflüge für Dialysepatienten und für die Medikamentenversorgung organisiert. Hauptamtliche und freiwillige Mitarbeiter wurden vom Dienst freigestellt, um in ihren Wohnorten im Notfall einzuspringen. Zudem wurde der Großteil der durch Sperren und Stromausfälle betroffenen Gemeinden bereits im Vorfeld mit ausreichend Notfallmedizin ausgestattet. Auch die Organisation dreier Notunterküfte in Sillian, Innervillgraten und Matrei habe gut funktioniert. Der große Dank des Roten Kreuzes gelte allen Freiwilligen, wird in der Aussendung betont.

Haus in Natters evakuiert

Auch in Nordtirol gibt es durch die Niederschläge der letzten Tage weiter einige Probleme. In Natters musste am Montag ein Haus evakuiert werden, weil sich ein steiler durchweichter Hang auf einer Breite von 20 Metern in Bewegung setzte. Wegen der akuten Gefährdung wurden die 92-jährige Bewohnerin und ihre bulgarische Pflegerin umgehend in Sicherheit gebracht. Auch die Pferde auf dem Hang oberhalb des Hanges mussten weggebracht werden. Immer noch sind in Tirol Dutzende Straßen gesperrt.

Eine Übersicht über die aktuellen Straßensperren gibt es auf der ÖAMTC-Homepage: ÖAMTC-Verkehrsservice

Gesperrte Zugstrecken

  • In Osttirol bleibt die Bahnstrecke im Drautal unterbrochen. Auch dort ist ein Schienenersatzverkehr aufgrund von Lawinengefahr nicht möglich. Die Drautalbahn bleibt laut ÖBB vorraussichtlich bis zum 30. November gesperrt.
  • Die Streckensperre für die Bahnverbindung zwischen Lienz und San Candido/Innichen bleibt bis auf weiteres aufrecht. Die Schäden an der Strecke betreffen die Masten und Oberleitungen, sowie Verlegung der Strecke. Es gibt Schienenersatzverkehr zwischen Lienz und Sillian.
  • Wegen Unwetterschäden sind zwischen Reutte und Bichlbach-Berwang bis voraussichtlich Dienstag, 18 Uhr keine Fahrten möglich. Ein Schienenersatzverkehr zwischen Reutte und Garmischen-Partenkirchen wurde eingerichtet. Die ÖBB empfiehlt allen Reisenden, sich vor geplanten Reisen nochmals über den aktuellen Status online unter www.oebb.at oder telefonisch unter 07-1717 zu informieren.

Evakuierungen in Gaimberg

In Gaimberg mussten am Montag ebenfalls mehrere Häuser evakuiert werden. Betroffen waren 18 Personen aus ingesamt sieben Häusern, die zum Teil in einem Hotel, zum Teil bei Verwandten unterkamen.

Es war gegen 18 Uhr, als an einem steil abfallenden Hang unterhalb eines Rohbaus samt Swimmingpool mehrere verbaute Elemente einer Hangsicherung durch Baggerarbeiten aus der Bodenverankerung gerissen wurden, um diese auszutauschen. Da der Hang durch diese Arbeiten instabil wurde — was nicht zuletzt auch den Niederschlagsmengen der letzten Tage geschuldet war — und auf die darunterliegenden Wohnhäuser abzurutschen drohte, ordnete der Bürgermeister die Einstellung der Arbeiten an. Die Begutachtung des Hanges durch den Landesgeologen ergab, dass die Hangsicherung wegen mehrerer gebrochener Sicherungselemente instabil und nicht mehr gegeben war. Ein Hangrutsch war nicht mehr auszuschließen, weshalb auf Anraten des Landesgeologen und auf Anordnung des Bürgermeisters die darunter befindlichen Wohnhäuser evakuiert wurden. Der Hang soll am Dienstag saniert und mit einer neuen Hangsicherung versehen werden. Dann muss der Landesgeologe erneut beurteilen, ob eine entsprechende Sicherheit gegeben ist.

Lawinensituation entspannt sich langsam

In Sachen Lawinengefahr scheint vorerst die schlimmste Zeit vorbei zu sein. "Tendenziell geht die Lawinengefahrenstufe weiter zurück, so dass wir inzwischen von der Lawinengefahrenstufe 4 auf 3 zurückgehen konnten", berichtete Patrick Nairz vom Lawinenwarndienst Tirol. Eine spezielle Gefahr bleibt vorerst noch in Form von Gleitschneelawinen, die durch die feuchten Schneemassen auf den steilen Wiesenhängen ausgelöst werden könnten. "Die Anzahl an Gleitschneelawinen hat zwar deutlich abgenommen, das Problem wird uns aber weiterhin beschäftigen. Wintersportler sollten neben der Gleitschneeproblematik vor allem auf frische Triebschneepakete in größeren Höhen achten", warnte Nairz. (rena/TT.com/APA)

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