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Eigene Partei kam ihm zuvor: CSU bremst Seehofer aus

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Seehofer konnte sein Ende als Parteichef nicht länger verhindern. Die eigene Partei beraubte ihn am Sonntag des letzten Schlupflochs, indem sie den Sitzungsablauf öffentlich machte.

Von Gabriele Starck

München, Berlin –Es war schon vor der Bayern-Wahl klar, dass Seehofers Tage als Parteichef gezählt sind – schon lange vor der Wahl. Fest stand es eigentlich bereits seit der CSU-Schlappe bei der Bundestagswahl 2017 und der daraus folgenden Ablösung Seehofers als Ministerpräsident durch Markus Söder im März. Von dem Zeitpunkt an war der einstige Held aus Ingolstadt der auserkorene Sündenbock der Partei für die unausweichliche Landtagswahl-Niederlage einige Monate später in Bayern.

Bis dahin durfte Seehofer in Berlin poltern und Kanzlerin Angela Merkel für ihre Flüchtlingspolitik von 2015 kritisieren. München applaudierte ihm, als er die Partei immer weiter rechts positionierte und Migration „zur Mutter aller politischen Probleme“ hochstilisierte. Da sahen Söder und Co. in Bayern noch die AfD als einzigen ernstzunehmenden Konkurrenten im Kampf um die CSU-Stammwählerschaft.

Seehofer beklagte sich nach der Wahl über die ihm zugedachte Rolle, als er im Bayerischen Rundfunk meinte, er mache nicht noch einmal „den Watschenbaum“ für seine Partei. Was er nicht überriss: Er war längst der Watschenmann. Erst am Sonntag in einer vierstündigen Gremiensitzung gelang es der Partei, ihm klarzumachen, dass es höchste Zeit ist zu gehen. Und um dem neuerlichen Rückzug vom Rücktritt vorzubeugen, kolportierte sie selbst noch am Abend gegenüber einigen Medien die Bereitschaft Seehofers, den CSU-Vorsiz aufzugeben.

Dass zudem noch gleich Seehofers mittelfristiger Rückzug als Innenminister mitgeflüstert wurde, war diesem dann doch zu viel. Bei einem Termin im sächsischen Bautzen dementierte der 69-Jährige und meinte, das „Amt des Bundesinnenministers ist von dieser Entscheidung in keiner Weise berührt. Ich bin Bundesinnenminister und werde das Amt weiter ausüben.“ Und: Dass er den Weg für eine Erneuerung der Partei frei mache, sei nicht dem Wahlergebnis geschuldet. Die Gründe dafür seien in Berlin und Bayern zu suchen, womit er einmal mehr Kanzlerin Merkel und seinem Nachfolger Söder die Verantwortung für den Verlust der absoluten Mehrheit im bayerischen Landtag zuschob. Keine Spur von Selbstkritik.

Auch zum Termin seines Rücktritts als CSU-Chef sagte er nach wie vor nichts, ja nicht einmal, wann er diesen verkünden würde. Kolportiert wird jedoch, dass sogar der für Jänner geplante Sonderparteitag zur Wahl eines Nachfolgers ein Kompromiss sei. Die Parteigremien wollten ihn noch heuer, Seehofer erst im Verlauf des Jahres 2019.

Die CSU hat sich damit bald vom lästig gewordenen Chef befreit. Erleichterung darüber war gestern allerdings maximal in Bayern zu vernehmen. Die Ansage Seehofers, er wolle doch Innenminister bleiben, als der er die letzten beiden Regierungskrisen ausgelöst hat, verbessert die Stimmungslage in Berlin keine Spur – zumindest nicht, solange sich dessen gewählter Nachfolger nicht dazu bereiterklärt, die Ministerposten in der Bundesregierung neu zu besetzen.

Zudem ist davon auch nicht zwangsweise auszugehen. Aller Voraussicht nach dürfte Söder künftig den CSU-Parteivorsitz und Regierungschef wieder in einer Person vereinen. Wie groß Söders Interesse an einer funktionierenden GroKo in Berlin ist, ist schwer abzuschätzen. Vor allem: Wen sollte er statt Seehofer einsetzen. Der wiederholt ins Spiel gebrachte bayerische Innenminister Joachim Herrmann will in München bleiben. Und die zwei einzigen CSU-Größen in Berlin, Verkehrsminister Andreas Scheuer und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, sind inzwischen fast so unbeliebt wie Seehofer – sogar in ihrem Heimatland.

Je länger allerdings mit der Ablöse Seehofers gewartet wird, desto eher droht dessen Nachfolger als Innenminister nur eine Kurzzeit-Karriere in Berlin. Denn der Widerstand gegen einen dann geschwächten Seehofer wird nicht geringer werden. Das machten sowohl der Koalitionspartner SPD als auch die Opposition gestern klar. Es sei nicht souverän, Zeit zu schinden und noch einige Monate im Amt zu bleiben, meinte Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) zur Rheinischen Post: „Horst Seehofer sollte jetzt Haltung zeigen und Verantwortung für seine schweren politischen Fehler übernehmen.“ Auch FDP, die Linke und Grüne forderten Seehofers Rücktritt. „Jeder Tag, den Horst Seehofer weiter Innenminister bleibt, ist ein Tag zu viel“, sagte Grünen-Fraktionschefin Kathrin Göring-Eckardt.

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