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Nach ZiB2-Interview: Blaue über Wolf empört, Redakteursrat protestiert

ZiB2-Moderator Armin Wolf hatte das Sujet des RFJ-Plakats einer Darstellung in einem NS-Blatt gegenüber gestellt.
© Screenshot/ORF

Als ORF-Anchor Armin Wolf einen Cartoon der steirischen FPÖ-Parteijugend einer Illustration aus einem NS-Kampfblatt gegenüberstellte, platzte FPÖ-EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky der Kragen. Die Wogen zwischen ORF, FPÖ und Opposition gehen nun hoch.

Wien — Der Auftritt von FPÖ-EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky in der "ZiB 2" am Dienstag schlägt hohe Wellen. Vilimsky hatte sich über die Fragen von Moderator Armin Wolf empört und "Folgen" angedroht. Von FPÖ-Seite gab es danach noch mehr Kritik an Wolf; die Opposition kritisierte das Medienverständnis der FPÖ. ÖVP-Medienminister Gernot Blümel wollte das Interview nicht kommentieren.

Über Fragen nach rechtsextremen "Einzelfällen" in der FPÖ gab sich Vilimsky im Interview empört, er sah seine Partei in die Nähe zum Nationalsozialismus gerückt. "Das ist etwas, das nicht ohne Folgen bleiben kann", sagte er schließlich drohend vor laufender Kamera zu Interviewer Wolf. Anlass für Vilimskys Verbalangriff war eine visuelle Gegenüberstellung, die Wolf während des Interviews präsentierte.

Einen Cartoon der steirischen Parteijugend, in dem eine einheimische Familie in grüner Tracht von finsteren Zuwanderern mit langer Nase, Bart und Buckel bedroht wird, und auf dem "Tradition schlägt Migration!" zu lesen ist, stellte Interviewer Wolf neben die Darstellung eines Juden aus dem NS-Propagandablatt "Der Stürmer". Er wollte von Vilimsky wissen, was er davon halte, und wo er denn den Unterschied zwischen den Darstellungen sehe.

Vilimsky: "Diese Parallelität zu ziehen, ist allerletzte Schublade"

Dem FPÖ-Generalsekretär war diese Konfrontation zuviel: "Hier diese Parallelität zu ziehen, ist allerletzte Schublade. Indem Sie hier vom ,Stürmer' ein Bild hernehmen, das einem Jugendplakat gegenüberstellen und den Eindruck erwecken, dass wir in der Nähe des Nationalsozialmus seien, ist etwas, das nicht ohne Folgen bleiben darf", zeterte er. Sogar als einen "Skandal der Sonderklasse" bezeichnete er den - für ihn augenscheinlichen - Versuch von Wolf, "einen Monat vor der EU-Wahl das versuchen, zu skandalisieren". Für ihn stelle die Karikatur auf dem Plakat der FPÖ-Parteijugend einen Islamisten dar, die Geschichte sei zudem ein Jahr alt und habe im steirischen Landtag niemanden aufgeregt.

Schon zu Beginn des Interviews hatte Vilimsky dem ORF-Anchor vorgeworfen, nur zu versuchen, "der Regierung Schaden zuzufügen" und auch auf Twitter und in sozialen Netzwerken "permanent Stimmung gegen uns" zu machen. Er klagte zudem, dass der ORF schon in der "ZiB1" "null über unsere Kampagne" gebracht habe.

Unmittelbar nach dem Interview postete der FPÖ-Generalsekretär einen Artikel der Kronenzeitung zum Interview auf Facebook und schrieb dazu den Satz "Das darf man sich nicht gefallen lassen!". Am Morgen danach setzte er mit "

Das muss man gesehen haben! Unfassbar dieser Armin Wolf!" noch einmal einen drauf und bezeichnete Wolf als "Anti-FPÖ-Propagandisten".

FPÖ-Vorsitzender von ORF-Stiftungsrat sieht kein "Drohpotenzial"

Noch in der Nacht meldete sich dazu auch FPÖ-Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache via Facebook zu Wort. "Sachlichkeit kennt ein Herr Wolf wohl nicht", schrieb er. "Sowohl die Opposition als auch eine Hand voll Journalisten stellen ihre eigenen politischen Ansichten permanent über ein demokratisches Wahlergebnis." Ihm sei es aber "relativ egal", ob "ein Herr Wolf unser Handeln und Tun für gut empfindet oder nicht". Christian Hafenecker, wie Vilimsky FPÖ-Generalsekretär, sah im "Stürmervergleich" den Beweis, "wie unterirdisch der ORF mittlerweile ist". Via Twitter griff auch er Wolf direkt an: Man müsse dem Journalisten "dankbar dafür sein, dass er nicht einmal versucht, sich zu verstellen. Gut, dass Leute wie er nur vorgefertigte Texte verlesen dürfen und nicht etwa als Richter agieren können".

Als Verteidigung gegen Vorwürfe, er habe die FPÖ mit Nationalsozialisten verglichen, verteidigte sich Wolf auf Twitter: "Ich habe ein RFJ-Sujet mit einer Stürmer-Darstellung verglichen und Herrn Vilimsky live dazu befragt. Das war's."

Der freiheitliche Vorsitzende des ORF-Stiftungsrats, Norbert Steger, kann indes in Vilimskys Angriffen kein Drohpotenzial orten, wie er dem Kurier am Mittwoch sagte. "Was war beim 'Stürmer' die Konsequenz? Man war mit dem Leben bedroht. Was droht Wolf? Dass ich sage, dass ist nicht Journalismus wie ich ihn mir vorstelle." Wolf solle sich "um die Sozialistische Partei kümmern" und "für sie kandidieren", sagte Steger. Der Stürmer-Vergleich sei empörend, weil den Nationalsozialismus verharmlosend: "Ich halte das für pervers, dass man solche lauen Lüfterl immer mit Nazis vergleicht."

"Liberaler Demokratie unwürdig"

Der ORF-Redakteursrat protestiert gegen Vilimsky verbalen Drohungen gegen ZiB2-Moderator Armin Wolf. "Dass der Generalsekretär einer Regierungspartei in einem Interview den Moderator bedroht, hat es in dieser Form noch nicht gegeben", so der Redakteursrat in einer Aussendung. Das sei "einer liberalen Demokratie mit funktionierender Pressefreiheit unwürdig".

Kritik übt der Redakteursrat auch an den Aussagen des von der FPÖ gestellten Vorsitzenden des ORF-Stiftungsrates, Norbert Steger. Er hatte Wolf zu einer Kandidatur für die SPÖ geraten. "Auch das zeigt ein seltsames Verständnis von journalistischer Arbeit. Kritische Interviews werden offenbar nur dann wahrgenommen, wenn Parteifreunde betroffen sind", verteidigen die ORF-Redakteursvertreter ihren Kollegen gegen die Kritik des früheren FPÖ-Chefs.

Blümel kommentiert doch

Nachdem er am Vormittag erklärt hatte, "nicht jedes Interview kommentieren" zu wollen, nahm ÖVP-Medienminister Gernot Blümel Mittwochabend doch - kurz und mit kritischer Distanzierung - Stellung zur Drohung Harald Vilimskys (FPÖ) mit "Folgen" für den ORF-Journalisten Armin Wolf wegen seiner Interviewführung. Blümel wandte sich gegen Einmischung der Politik in Beschäftigungsverhältnisse von Journalisten.

"Die Politik hat sich nicht in Beschäftigungsverhältnisse von Journalisten einzumischen, völlig unabhängig davon, wie Fragestellungen oder Interviewführungen bewertet werden", erklärte Blümel in seiner kurzen Aussendung - unter Hinweis auf die "aktuellen Diskussionen", aber ohne einen Namen zu nennen.

Ebenfalls das Wort ergriff die Opposition. "Es vergeht weiterhin kein Tag, an dem die FPÖ nicht an den Grundfesten der Demokratie sägt", meinte SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda. "Vilimskys unverhohlene Drohungen auf berechtigte Fragen zur Abgrenzung der FPÖ gegenüber dem Nationalsozialismus sind ein weiterer besorgniserregender Schritt in Richtung illiberale Demokratie Orban'scher Prägung." Auch NEOS-EU-Spitzenkandidatin und Mediensprecherin Claudia Gamon sah sich an Ungarn erinnert. "Mit Drohungen auf kritische Fragen zu reagieren - damit hat die FPÖ einen neuen Tiefpunkt erreicht", schrieb sie in einer Aussendung. Alma Zadic ortete in Vilimskys Aussagen eine "absolute Grenzüberschreitung, nach der wir nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen können". (TT.com/APA)

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