Brexit

Durchbruch für den Brexit: EU und London einigen sich auf Deal

Großbritannien und die EU haben sich auf einen neuen Brexit-Vertrag verständigt.
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In letzter Minute haben sich London und Brüssel zusammengerauft und auf ein Abkommen zum Brexit geeinigt. Für Premierminister Boris Johnson dürfte der Ärger damit aber noch lange nicht vorbei sein.

Brüssel, London - Unmittelbar vor dem EU-Gipfel haben Großbritannien und die Europäische Union einen Durchbruch im Brexit-Streit erzielt. Die Unterhändler haben sich auf einen Vertrag geeinigt. Dies bestätigten der britische Premierminister Boris Johnson und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Donnerstag.

"Wo ein Wille ist, da ist ein Deal", twitterte Juncker. Damit steigen die Chancen, dass beim Gipfel ein Austrittsabkommen zustande kommt und der britische EU-Austritt geregelt vollzogen werden kann. Doch wartet auch danach noch eine entscheidende Hürde: Das britische Parlament müsste die Vereinbarung mittragen.

Juncker empfahl den Staats- und Regierungschefs, das Abkommen bei dem am Nachmittag beginnenden Spitzentreffen mitzutragen. „Es ist eine faire und ausgewogene Vereinbarung für die EU und Großbritannien und es steht für unseren Einsatz, Lösungen zu finden", schrieb er auf Twitter.

Premierminister Boris Johnson sprach von einem "großartigen Deal": "Wir haben einen neuen Deal, der die Kontrolle zurückholt - nun sollte das Parlament am Samstag den Brexit abschließen, damit wir zu anderen Prioritäten übergehen können, wie die Lebenskosten, NHS (das britische Gesundheitssystem, Anm.), gewalttätige Kriminalität und unsere Umwelt", twitterte der Regierungschef.

Das britische Parlament wird am Samstag über das zwischen London und Brüssel vereinbarte Brexit-Abkommen abstimmen. Das haben die Abgeordneten am Nachmittag in London gebilligt. Es ist die erste Sitzung des Unterhauses an einem Samstag seit 37 Jahren. Johnson will sein Land zu Halloween, am 31. Oktober, aus der Staatengemeinschaft führen. Wiederholt hatte er Brüssel mit einem ungeregelten Brexit gedroht. Für den Fall hatten Experten chaotische Verhältnisse für die Wirtschaft und zahlreiche andere Lebensbereiche vorhergesagt.

Neues Abkommen schafft Rechtssicherheit

Das neu ausgehandelte Abkommen zum Brexit schafft nach den Worten von EU-Chefunterhändler Michel Barnier Rechtssicherheit. Es werde eine Übergangsphase bis Ende 2020 geben, sagte Barnier Donnerstagmittag in Brüssel. Eine harte Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland sei ausgeschlossen. Die jetzige Vereinbarung sei keine Übergangslösung, sondern würde dann auf Dauer gelten.

Nordirland werde dazu begrenzt weiter EU-Regeln unterliegen und bilde das Eingangstor in den EU-Binnenmarkt. Zugleich werde die Provinz aber auch der britischen Zollhoheit unterliegen. Damit sei ein faires Abkommen gefunden, um einen geordneten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zu sichern. Zugleich sei der Weg geebnet für ein Handelsabkommen der EU mit Großbritannien, in dem es weder Zölle noch Quoten gebe, sagte Barnier.

Darüber hinaus wurde die politische Erklärung über die künftigen Beziehungen der EU zu Großbritannien geändert, wie Barnier weiter sagte. Darin gebe Großbritannien „solide Garantien", dasss EU-Standards etwa bei Umwelt- oder Sozialauflagen nicht unterboten werden. Das sei das bestmögliche Ergebnis gewesen, sagte Barnier.

Barnier setzt auf einen geordneten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union am 31. Oktober. Ab 1. November werde man dann über die künftigen Beziehungen sprechen, sagte er. Die Zeit für die Ratifizierung könne noch ausreichen.

Nordirische DUP und Labour-Partei lehnen Abkommen ab

Die nordirische Unionistenpartei DUP hat am Donnerstag erklärt, den ausgehandelten Brexit-Deal nicht unterstützen zu können. Die DUP bleibe bei ihrer ablehnenden Haltung, sagte ein Parteisprecher. Parteichefin Arlene Foster und Fraktionschef Nigel Dodds hatten am Morgen mitgeteilt, dass sie mit dem Stand der Verhandlungen nicht einverstanden seien. Johnson ist im Parlament auf die Unterstützung der DUP angewiesen.

Der Chef der größten britischen Oppositionspartei, Jeremy Corbyn, lehnt das neue Brexit-Abkommen ab. "Es scheint, dass der Premierminister einen noch schlechteren Deal verhandelt hat als (seine Vorgängerin) Theresa May", teilte der Labour-Chef mit. Das Parlament solle das Abkommen, das Premierminister Boris Johnson mit der EU ausgehandelt hat, zurückweisen. Es gefährde unter anderem die Sicherheit von Lebensmitteln, den Umweltschutz und die Rechte von Arbeitnehmern.

Corbyn sprach von einem "Ausverkauf". Das neue Abkommen könne Großbritannien nicht vereinen. Erneut forderte er ein zweites Brexit-Referendum. Die Briten hatten vor etwa drei Jahren mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt.

Der Chef der britischen Brexit Party, Nigel Farage, hält nichts von dem zwischen London und Brüssel vereinbarten neuen EU-Austrittsabkommen. "Ich denke einfach, es sollte abgelehnt werden", sagte Farage am Donnerstag in einem BBC-Interview. Der Deal bedeute keinen echten Austritt Großbritanniens aus der EU. Großbritannien werde durch den Vertrag verpflichtet, sich in einer ganzen Reihe von Politikfeldern an der EU zu orientieren. Farage warb stattdessen für einen Austritt ohne Deal.

Alternative zum Backstop gefunden

Seit Tagen verhandelten beide Seiten über Änderungen an dem Austrittsvertrag, den die damalige Premierministerin Theresa May 2018 noch mit Brüssel vereinbart hatte. Ihr Nachfolger Johnson verlangte Änderungen, weil er eine zu enge Bindung an die EU fürchtete.

Streitpunkt war die enthaltene Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland, der sogenannte Backstop. Johnson wollte ihn unbedingt streichen. Nach langem Hin und Her hat man eine Alternative gefunden. Nun wird mit Spannung erwartet, ob das britische Unterhaus dem Deal zustimmt. (APA/Reuters, dpa, TT.com)

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