Innenpolitik

Mindestsicherung: „Der Teufel der Reform liegt im Detail“

Schon im Mai des Vorjahres protestierte die Armutskonferenz gegen die geplante Mindestsicherungsreform ? und sieht nun ihre Befürchtungen bestätigt.
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Türkis-Blau will die Mindestsicherung neu regeln. Sozialexperte Martin Schenk hofft noch auf Überarbeitungen des Gesetzesentwurfs.

Carmen Baumgartner-Pötz

Wien –Vor gut einem Monat ist die Begutachtungsfrist für das Sozialhilfegesetz abgelaufen. Rund 140 Stellungnahmen hat es zu dem Gesetzesentwurf aus dem Ressort von Ministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) gegeben, der Großteil davon kritisch – etwa von SOS Kinderdorf, dem Roten Kreuz, aktion leben oder der Richtervereinigung. Besonders die Einschränkungen für subsidiär Schutzberechtigte, Kinder sowie bedingt Verurteilte stießen auf Widerstand.

Ob und welche Änderungen in dem Gesetzesentwurf vorgenommen werden, ist derzeit offen, auch einen Zeitplan gibt es noch nicht. Martin Schenk, Sozialexperte der Diakonie Österreich, hofft jedenfalls, dass nicht alles so kommt, wie es im ersten Entwurf Niederschlag gefunden hat. „Es hat Signale gegeben, dass es bei den Haftentlassenen und bei Menschen in therapeutischen Wohngemeinschaften noch Entschärfungen gibt“, formuliert der Mitinitiator der Armutskonferenz im TT-Gespräch seine Hoffnung. „Der Teufel steckt im Detail“, sagt Schenk, der davon überzeugt ist, dass viele Auswirkungen der Mindestsicherungs-Reform schlicht nicht durchdacht sind. Als Beispiel nennt er den Deckel der möglichen zusätzlichen Leistungen für das Wohnen. Ein Rechenbeispiel der Diakonie: Eine Alleinerzieherin von drei Kindern in Salzburg verdient als teilzeitbeschäftigte Handelsangestellte netto € 850 im Monat. Dazu kommen € 450 Unterhaltsleistungen. Bisher hat die Frau eine monatliche Aufstockung durch die Mindestsicherung inklusive Wohnbedarfshilfe erhalten. Mit der Neuregelung verkürzt sich diese Unterstützung trotz Alleinerzieherinnenbonus und der Verlust beträgt monatlich 300 Euro. „Vor allem in den westlichen Bundesländern mit den hohen Wohnkosten kann sich das mit der Deckelung nicht ausgehen“, gibt Schenk zu bedenken. Die Wohnungslosenstellen in Westösterreich rechnen jedenfalls mit Tausenden Notfällen.

Ein weiteres „teuflisches Detail“: Ein genereller Deckel, der für alle Erwachsenen im Haushalt gilt und Menschen mit Behinderungen oder pflegende Angehörige treffen kann. Ist das Kind älter als 18 Jahre, kommt es zu massiven Kürzungen. „Das trifft beeinträchtigte Kinder, die noch daheim wohnen“, sagt Schenk. Er hat die Befürchtung, dass das neue Gesetz eine uneinheitliche und zerstückelte Sozialhilfe ergeben wird – „also das genaue Gegenteil von bundeseinheitlich“, wie er sagt: „Es gibt keine Mindeststandards mehr, sondern nach unten ungesicherte Kann-Leistungen.“ Besonders brisant aus Sicht des Sozialexperten: Die Sozialhilfe neu zähle „soziale und kulturelle Teilhabe“ nicht mehr zu ihren Zielen, denn das komme im Gesetzesentwurf nicht mehr vor. Und das bedeute, dass stärker sozialstaatliche, statussichernde Leistungen in mehr „almosenhafte“, bevormundende Fürsorge überführt werden. Das wiederum führe stärker zu Stigmatisierung und Abwertung. Diese Systematik kenne man aus Deutschland und Großbritannien, wo sich soziale Unsicherheit bis in die unteren Mittelschichten ausgebreitet hat, mit dem Nebeneffekt, dass sich ein riesiger Niedriglohnmarkt aufgetan hat. Schenk: „Nur zwölf Prozent steigen bei Hartz IV in bessere Arbeitsverhältnisse auf. Man fällt schnell hinein und kommt umso schwerer wieder heraus.“

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