Zuwanderungsregeln nach kanadischem Vorbild
Die NEOS wollen ein europaweit einheitliches System für die Rekrutierung von hochqualifizierten Arbeitskräften.
Von Karin Leitner
Wien –„Ungeregelte Migration bereitet den Boden für Populismus und Nationalismus auf“, sagt die NEOS-Spitzenkandidatin für die EU-Wahl, Claudia Gamon. „Klare Regeln“ müssten her – europaweit einheitliche. „Nationale Alleingänge und ignorantes Wegschauen haben uns nicht weitergebracht.“ Aber es gibt doch seit 2009 die Blue-Card, um hochqualifizierten Arbeitskräften aus Drittstaaten den Aufenthalt in EU-Staaten zu ermöglichen – wozu etwas Neues? Diese Karte sei „ein Schritt in die richtige Richtung. Die staatliche Umsetzung ist aber unterschiedlich. Zugangshürden wie etwa ein nötiges Mindestgehaltsniveau sind zu hoch, die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels je nach Mitgliedstaat verschieden“, antwortet Gamon. Auch die heimische „Rot-Weiß-Rot-Card“ tauge nichts.
Die NEOS haben ein Migrationskonzept erstellt, das der Tiroler Tageszeitung vorliegt. Hochqualifizierte Fachkräfte, die auf Dauer in Europa bleiben und arbeiten möchten, sollten nach gewissen Kriterien ausgesucht werden – nach dem Vorbild des kanadischen Punktesystems.
Abgewickelt werden sollte das über eine EU-Zuwanderungsagentur. Eine europaweite Online-Plattform sei zu schaffen. Nationale Arbeitsmarktbehörden und Unternehmen sollten sich dort registrieren können. Sie sollten angeben, welche Fachkraft sie wofür suchen – und welche Qualifikation vonnöten ist.
Jene Menschen, die in die Union einwandern wollen, um dort zu werken, sollten sich ebenfalls dieser Plattform bedienen. Sie geben ihre Qualifikationen an: Sprachkenntnisse, Bildungsabschlüsse, Berufserfahrung. Sie laden die Dokumente hoch und erstellen ein Profil. Beamte prüfen diese Unterlagen – und vergeben Punkte dafür.
„Auch andere Faktoren, die die gesellschaftliche Entwicklung positiv beeinflussen, etwa die noch verbleibenden Beitrags- und Arbeitsjahre, sollten berücksichtigt werden“, sagt Gamon. Ein Jobangebot via Plattform sollte zusätzliche Punkte bringen. „Die Chancen, tatsächlich eine Aufenthaltsgenehmigung in der EU zu erhalten, steigen damit massiv. Gleichzeitig entsteht kein Zwang, bei einem einzigen Unternehmen für einen begrenzten Zeitraum beschäftigt sein zu müssen.“ Sollte die Aufenthaltsgenehmigung befristet sein – etwa mit der Dauer des Engagements bei einer bestimmten Firma? „Sie sollte unbefristet sein, weil die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass eine Top-Kraft anderswo keinen Job findet. Ziel ist ja auch, dass diese Leute in Europa bleiben und in das System einzahlen.“
Es gelte auch, „von der starren Systematik, Tätigkeiten in Berufe einzuordnen, wegzukommen“, sagt Gamon. Das Modell ihrer Partei orientiere sich an Fähigkeiten, an einem „Skills Matching“. Es gebe schon einen Europäischen Qualifikationsrahmen, „der die Vergleichbarkeit von in der EU erworbenen Qualifikationen ermöglicht. Dieser muss als Basis für die Anerkennung von in Drittstaaten absolvierten Ausbildungen dienen. Eine Weiterentwicklung ist aber nötig.“
Damit in dem von den NEOS erwünschten System alles rasch vonstatten gehen kann, sollte den Bewerbern binnen acht Wochen beschieden werden, ob sie für die Plattform in Frage kommen – also ob sie die Mindeststandards und die Qualifikationslevels für die angebotenen Stellen erfüllen. „Wenn nicht, sollen sie im Herkunftsstaat über etwaige nachzuholende Qualifikationsmaßnahmen und Angebote beraten werden. Das Verfahren selbst soll innerhalb eines halben Jahres abgeschlossen werden.“
Ihren europäischen Schwesterparteien wollen die NEOS ihr Papier präsentieren; sie gehen von Zuspruch aus. „Im globalen Wettbewerb um die besten Köpfe konkurriert Europa mit Giganten wie China und den USA, aber auch mit Einwanderungsländern wie Kanada, die schon lange verstanden haben, dass sie von gesteuerter Zuwanderung profitieren“, sagt Gamon. „Auch Europa braucht qualifizierte Zuwanderung.“