Innenpolitik

Platter, Spindelegger und Pröll: ÖVP-Front gegen Mitterlehner

Das Buch "Haltung" von Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner erbost seine Heimatpartei.
© APA/Techt

Ex-ÖVP-Chef Mitterlehner schlägt nach Veröffentlichung seines Buches Kritik von Parteigranden entgegen. Für Ex-Parteichef Spindelegger war Mitterlehners Abgang die „Rettung der Volkspartei“, Spindeleggers Vorgänger Pröll attestiert seinem Nach-Nachfolger „verletzte Eitelkeit“.

Wien – Nach der Veröffentlichung seiner Abrechnung mit der ÖVP von Sebastian Kurz in Buchform schlägt Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner von ÖVP-Granden eine Welle der Kritik entgegen. Die Inhalte des „Haltung“ genannten Werks waren in den vergangenen Tagen bereits durchgesickert, die öffentliche Präsentation erfolgte aber erst am Mittwoch und das nicht zufällig, wie Mitterlehner betonte, sei der 17. April doch der Gründungstag der Volkspartei. Dieser will er nämlich auch nach seinem Buch treu bleiben und zwar als kritisches Mitglied.

Dass er in einigen Kapiteln ordentlich gegen den heutigen Parteichef Sebastian Kurz, der ihn dereinst abgelöst hatte, ausholt, begründete Mitterlehner damit, dass er diesen Teil seiner Biografie nicht auslassen habe wollen. Sein „beinahe unerschöpfliches Potenzial an Parteiräson“ sei auch irgendwann ausgeschöpft, zeigte er sich mit der Darstellung der damaligen Ereignisse durch das Kurz-Team unzufrieden. Das Buch sei nicht bösartig, er habe sich und den Lesern sogar einiges erspart.

Platter: „Habe einen anderen Zugang zur Politik“

Zunächst war es der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter, der den ehemaligen Parteichef tadelte: „Man mag Verständnis für persönliche Befindlichkeiten, wie sie nun Mitterlehner zwei Jahre danach an den Tag legt, haben. Ich persönlich habe einen anderen Zugang zur Politik“, sagte Platter gegenüber der TT. „Leider hat es Mitterlehner nicht geschafft, den damaligen Regierungspartner SPÖ dazu zu bringen, die notwendigen Reformen in Österreich einzuleiten. Die Bevölkerung wollte einen neuen Stil. (...) Bei der Nationalratswahl 2017 wäre die ÖVP nach allen Vorzeichen deshalb auf unter 20 Prozent abgestürzt.“

Spindelegger: Mitterlehners Abgang „Rettung“ der ÖVP

Kein gutes Haar an Mitterlehner ließ auch dessen Vorgänger Michael Spindelegger, der Mitterlehners Abgang als „Rettung der Volkspartei“ bezeichnete. Die ÖVP sei von einer Wahlniederlage in die nächste getaumelt „und war unter Mitterlehner auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit“, so der selbst beim Wähler glücklose Spindelegger am Mittwoch in einer Stellungnahme. Das Resultat der Parteiübernahme durch Kurz sei endlich wieder die ÖVP-Kanzlerschaft, soviel ÖVP-Politik wie schon lange nicht mehr und die Verhinderung von Rot-Blau unter einem Kanzler Heinz-Christian Strache, so der Alt-Vizekanzler in der übermittelten Stellungnahme.

Spindelegger galt als Förderer von Kurz und hat ihn als Staatssekretär überhaupt erst in Regierungsverantwortung genommen.

Pröll attestiert Mitterlehner „verletzte Eitelkeit“

Nach Spindelegger trat mit Josef Pröll am Mittwoch ein weiterer ÖVP-Chef an, um Kurz gegen die Kritik seines Vorgängers in Schutz zu nehmen und mit Mitterlehners Obmannschaft abzurechnen. Pröll sprach angesichts Mitterlehners Buch von „verletzter Eitelkeit“. Und er merkte an, dass die ÖVP mit Mitterlehner „immer mehr nach links gerückt“ sei.

„Die ÖVP hatte kein Profil mehr“, meinte Pröll in einer der APA übermittelten schriftlichen Stellungnahme. Zentraler Inhalt der Großen Koalition sei nur noch die Verwaltung des Stillstandes gewesen. Mit seiner linken Positionierung hätte Mitterlehner „niemals mehr eine Wahl gewonnen“, meinte der Niederösterreicher – unter dem die ÖVP bei den meisten Landtagswahlen alles andere als prächtig abschnitt, der aber selbst keine Nationalratswahl geschlagen hat. Denn er gab die Obmannschaft 2011 schon nach zweieinhalb Jahren – wegen eines Lungeninfarkts – wieder ab.

Hoch zufrieden äußerte sich Pröll über den Kurs von Kurz: Heute werde „wieder ÖVP-Politik gemacht“, bei Nulldefizit, Familienbonus oder Arbeitszeitflexibilisierung sei die ÖVP-Handschrift „ganz klar erkennbar“.

Führungswechsel in der ÖVP

Pröll löste im Herbst 2008 Wilhelm Molterer – nach dem ÖVP-Debakel in der von ihm losgetretenen Neuwahl – ab. Molterer, der den vor Kurz letzten ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel beerbt hatte, war damit nur von April 2007 bis September 2008 Parteichef. Pröll führte die ÖVP von September 2011 bis April 2011. Nach ihm kam Spindelegger, der den schweren innerparteilich Turbulenzen nach etwas über drei Jahren wich. Sein Nachfolger Mitterlehner wurde im August 2014 zum ÖVP-Chef gewählt, im Frühjahr 2017 löste ihn Kurz ab.

Leitl lobt, Zangerl kritisiert neuen Kurs unter Kurz

Diplomatisch legte es der langjährige Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl an, ein Förderer Mitterlehners. Er verzichtete auf Kritik an diesem und seinem Buch und lobte stattdessen die Politik von Kurz. Österreich habe sich unter dessen Kanzlerschaft von einem unterdurchschnittlichen Nachzügler zu einem Vorreiter eines starken Wirtschaftsstandortes entwickelt.

Tirols AK-Chef Erwin Zangerl nützte die Gelegenheit hingegen für eine weitere Abrechnung mit der Bundesregierung. „Weltmeister“ sei Türkis-Blau nur, „wenn man unter Reform Verschlechterungen, politisches Umfärben und Dialogverweigerung versteht“. „Absolute Verlierer“ der „Reformen“ - vom 12-Stunden-Arbeitstag über die Zerschlagung der Krankenkassen und Entmachtung der Arbeitnehmervertreter bis hin zur Steuerreform, „die nur jene entlastet, die es sich ohnehin leisten können“ - seien die Arbeitnehmer. Bei der Mindestsicherung spare die Regierung bei den Ärmsten „und kaschiert dies, indem sie die Ausländerkarte zückt und Neiddebatten anzettelt“, so Zangerl in einer Aussendung. (TT.com, misp)

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