Daten vernichtet

Kurz spricht nach Schredder-Affäre von „üblichem Vorgang“

Ex-Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz gerät in Erklärungsnot.
© APA/HERBERT NEUBAUER

Ein Kanzleramts-Mitarbeiter ließ kurz nach der Ibiza-Affäre eine Festplatte schreddern – anonym und nicht von der IT-Abteilung des Kanzleramts. Ex-Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz dementierte einen Zusammenhang mit dem Ibiza-Video.

Palo Alto – ÖVP-Chef und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz hat die heimische Innenpolitik und Schredder-Affäre bei seiner Silicon-Valley-Reise eingeholt. Es würden bei einem Regierungswechsel „Laptops und Handys zurückgegeben und Druckerdaten gelöscht bzw. vernichtet“, sagte Kurz vor österreichischen Journalisten in Palo Alto (Kalifornien) am Sonntagnachmittag (Ortszeit). „Das ist ein üblicher Vorgang.“

Ein Kanzleramts-Mitarbeiter hatte im Mai zwischen dem Platzen der ÖVP/FPÖ-Koalition und dem Misstrauensantrag gegen Kurz eine Drucker-Festplatte bei der Firma Reisswolf schreddern lassen. Für Kritik sorgt nun, dass die Vernichtung der Festplatte nicht von der IT-Abteilung des Kanzleramts durchgeführt wurde, sondern unter Angabe eines falschen Namens von einem Mitarbeiter, der mittlerweile zur ÖVP gewechselt ist.

Über Telefonnummer ausgeforscht

Aufgeflogen ist die Causa, weil der Mann die Rechnung nicht bezahlt hatte. Über seine Telefonnummer wurde er ausgeforscht und angezeigt. Die „Soko Ibiza“ prüft nun, ob mit der Datenvernichtung wenige Tage nach Auffliegen der Ibiza-Affäre Beweismittel unterschlagen wurden. Auch die Opposition will wissen, welche Unterlagen vernichtet wurden.

„Es ist ein vollkommen normaler Vorgang, dass sensibel mit Daten umgegangen wird“, verteidigte Kurz das Vorgehen. Es gehe darum, Datensicherheit bei einem Regierungswechsel zu gewährleisten. Dass der Mitarbeiter „schlampig agiert“ und die Rechnung nicht gezahlt habe, sei „nicht korrekt gewesen“. Der Mitarbeiter habe „mittlerweile die Rechnung beglichen“ und „sich entschuldigt“, so der Ex-Kanzler. Einen Zusammenhang mit dem Ibiza-Video gebe es nicht. Das seien Unterstellungen und Falschbehauptungen.

Dass in Druckern eigene Festplatten eingebaut sind, die womöglich Daten von sensiblen Dokumenten speichern, war vor der aktuellen ÖVP-Schredderaffäre wohl den wenigsten bekannt. Moderne Bürodrucker sind aber großteils vollwertige Computer, erklärt Technikexperte Lendl auf Nachfrage. „Diese Geräte verfügen über zahlreiche Funktionen, sind mit Internetzugang ausgestattet und erhalten von vielen Seiten Aufträge. Das erfordert ein entsprechendes Speichermedium“, so Lendl.

Bierlein lässt prüfen

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein zeigte am Montag Verständnis dafür, dass das Büro ihres Vorgängers vor dem Auszug Daten schreddern hat lassen. Angesichts der parlamentarischen Anfragen mehrerer Parteien hat die Regierungschefin aber umgehend eine Untersuchung einleiten lassen.

Eher entspannt scheint das ganze auch Bierlein zu nehmen. „Die Löschung bestimmter sensibler, nicht dem Bundesarchivgesetz unterliegender Daten entspricht der üblichen Praxis bei Regierungswechseln“, hieß es in einer kurzen schriftlichen Stellungnahme ihres Büros, in der auch die interne Evaluierung angekündigt wurde.

Gar nicht normal findet die SPÖ das Vorgehen des Kurz-Büros. Der stellvertretende Klubobmann Jörg Leichtfried sieht den klaren Verdacht eines Gesetzesverstoßes. Offen sei auch, ob Kurz oder seine engsten Vertrauten den Auftrag zu der „Vertuschungsaktion“ gegeben hätten. NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper hatte schon am Sonntag bezweifelt, dass es sich um den Alleingang eines Mitarbeiters gehandelt habe.

Dass man den Beamten des Kanzleramts misstraut hat, zumindest wenn sie der SPÖ zugerechnet wurden, hat die ÖVP bereits am Wochenende als Motiv angegeben.

Kickl will nichts geschreddert haben

Der vormalige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) stellte indes am Montag auf Anfrage klar, dass er bei seinem Abgang sämtliche Akten ins Staatsarchiv geliefert habe. Vernichtet und entsorgt worden sei nur das, „was an nicht mehr gebrauchten Ausdrucken, Broschüren etc. in den Büros der Mitarbeiter lagerte“, heißt es aus dem Büro des geschäftsführenden FPÖ-Klubobmanns.

Seit bekannt wurde, dass ein heutiger ÖVP-Mitarbeiter unter falschem Namen und ohne zu bezahlen eine Druckerdatei aus dem Kanzleramt schreddern hat lassen, wird aus VP-Kreisen darauf verwiesen, dass bei Kickls Abgang aus dem BMI ein Lkw der Firma Reisswolf vor der Tür des Ministeriums gestanden war.

Kickl meint nun zur damaligen Entsorgungsaktion: Es sei schließlich auch ein Gebot der Höflichkeit, die Räume in gebrauchsfähigem Zustand zu übergeben. (TT.com, APA)

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