IS meldet „Befreiung“ von Frauen, Erdogan warf Trump-Brief „in den Müll“
Die Terrormiliz erklärte, mehrere Frauen aus kurdischer Haft in Syrien befreit zu haben. Indes wurde ein warnendes Schreiben von Trump an Erdogan öffentlich, das letzterer in den Müll geworfen haben soll.
Tall Abyad, Ankara – Die Terrormiliz IS (Daesh) hat die „Befreiung“ von mehreren Frauen aus kurdischer Haft in Syrien gemeldet. Die Extremistengruppe erklärte am Donnerstag über den Kurzmitteilungsdienst Telegram, ihre Kämpfer hätten ein Hauptquartier der kurdischen Sicherheitskräfte westlich von Raqqa gestürmt und von den Kurden „entführte muslimische Frauen befreit“.
Ob es Frauen von Kämpfern oder IS-Mitglieder waren, blieb offen. Seit Beginn der türkischen Offensive gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Nordsyrien besteht international die Sorge, dass die tausenden inhaftierten IS-Anhänger in kurdischer Haft die Chance zur Flucht nutzen.
In den vergangenen Tagen wurden bereits mehrere Ausbrüche und Fluchtversuche gemeldet. Insbesondere sollen knapp 800 Frauen und Kinder von IS-Kämpfern aus einem Lager bei Ain Issa geflohen sein. Laut dem Außenamt in Wien befinden sich derzeit drei Österreicher in nordsyrischen Lagern – neben der Salzburgerin Maria G. und ihren beiden Kleinkindern und der Wienerin Evelyn P. mit ihrem Sohn auch ein Österreicher mit türkischen Wurzeln.
Kurden werfen Türkei Einsatz von Napalm und Phosphor vor
Die kurdische Selbstverwaltung in Nordsyrien warf der Türkei indes den Einsatz von verbotenen Waffen wie Napalm und Phosphor vor. „Im offensichtlichen Verstoß gegen das Recht und die internationalen Verträge wird die türkische Aggression gegen (Ras al-Ain) mit allen Arten von Waffen geführt“, erklärte die Verwaltung der kurdischen Autonomieregion
Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar wies die Vorwürfe umgehend zurück. „Es ist allgemein bekannt, dass die türkischen Streitkräfte keine chemischen Waffen in ihrem Inventar haben“, sagte Akar nach einem Treffen mit dem US-Sicherheitsberater Robert O‘Brien. Die YPG setze selbst Chemiewaffen ein, um anschließend die Türkei dafür die Schuld zu geben, sagte er.
Trump warnte Erdogan eindringlich vor Einmarsch
Am Donnerstag wurde zudem ein undiplomatischer Brief öffentlich, den US-Präsident Donald Trump seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan kurz vor der Militäroffensive geschrieben hat. Erdogan habe diesen „in den Müll geworfen“, zitierte CNN Türk nicht näher genannte Diplomaten.
Trump hatte Erdogan in einem ungewöhnlich scharf formulierten Schreiben am 9. Oktober vor einem Einmarsch in Syrien gewarnt. Sollte Erdogan dies tun, werde er als „Teufel“ in die Geschichte eingehen, warnte Trump darin. Er solle weder „ein Narr sein“ noch sich als „harten Kerl“ geben, sondern lieber mit Trump „einen guten Deal ausarbeiten“. Ein „großartiger Deal“ sei möglich, wenn er mit dem YPG-Kommandant Maslum Abdi verhandle.
Die USA haben die YPG jahrelang im Kampf gegen die Jihadisten unterstützt. Die Türkei betrachtet die syrische Kurdenmiliz jedoch als „Terrororganisation“ und hat Verhandlungen mit ihr kategorisch ausgeschlossen. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte dem Sender BBC am Donnerstag, Erdogan habe wiederholt gesagt, „dass es keine Verhandlungen mit Terroristen geben wird“.
In dem Brief schreibt Trump drohend: „Sie wollen nicht für das Abschlachten von tausenden Menschen verantwortlich sein, und ich will nicht für die Zerstörung der türkischen Wirtschaft verantwortlich sein – und ich werde es tun.“ Die von CNN Türk zitierten Diplomaten sagten, Erdogan sei angesichts von Trumps Brief zu dem Schluss gekommen, dass die beste Reaktion darauf der Start der Militäroffensive sei.
Am Donnerstag traf US-Vizepräsident Mike Pence zu Gesprächen in Ankara ein.
Auch Russland wegen Offensive besorgt
Auch Russland beobachtet die türkische Militäroffensive mit Sorge. Die humanitären Folgen dieses Einsatzes seien beunruhigend, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Die Lage sei angespannt.
Darüber wollten der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan am kommenden Dienstag in der Schwarzmeer-Stadt Sotschi reden, so Peskow. Die beiden Präsidenten hatten erst diese Woche miteinander telefoniert.
Das Außenministerium in Moskau sprach von einer „ernsthaften Eskalationen der Spannungen“ in den Gebieten, die nicht von der syrischen Regierung kontrolliert würden.
Merkel: „Humanitäres Drama mit großen geopolitischen Folgen“
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat der Türkei eine Destabilisierung in Syrien vorgeworfen und erneut ein Ende des Vormarsches in Nordsyrien gefordert. Es handle sich um ein „humanitäres Drama mit großen geopolitischen Folgen“, sagte Merkel in ihrer Regierungserklärung zum EU-Gipfel am Donnerstag im Bundestag. (TT.com, APA/dpa)