Tirol

Alpenvereine gegen Seilbahnpläne: „Angriff auf Naturräume“

Blick auf den Hinteren Brunnenkogel (links), an dem erst kürzlich Bautätigkeiten an einem Skiweg angezeigt wurden.
© ÖAV

Die Alpenvereine warnen vor einer “Fortschreibung“ des Tiroler Seilbahnprogramms. Sie befürchten eine neue Erschließungswelle.

Innsbruck - Die Alpenvereine aus Österreich und Deutschland haben das geplante Tiroler Seilbahn- und Skigebietsprogramm (TSSP) als einen „Angriff auf unerschlossene Naturräume“ verurteilt. Mit diesem öffne man Skigebiets-Neuerschließungen Tür und Tor, so die Vertreter der Alpenvereine am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. Das Seilbahnprogramm befindet sich derzeit in Begutachtung.

„Neuerschließungen zu Lasten der Natur“

„Die Seilbahner wollen immer noch mehr und haben damit auch offenbar Erfolg“, kritisierte Andreas Ermacora, Präsident des Österreichischen Alpenvereins und sprach von „Neuerschließungen zu Lasten der Natur“. Obwohl im geplanten TSSP Neuerschließungen verboten sind, seien diese jetzt kurzerhand „als Erweiterungen getarnt“, so Ermacora, der ein „Zurück an den Start“ fordert und im Falle des Falles „Initiativen der alpinen Vereine“ ankündigte. „Die Seilbahnbetreiber haben damit mehr Möglichkeiten, sich räumlich zu verbreitern“, merkte er an.

Durch das Seilbahnprogramm werde sich der Verkehr intensivieren sowie der Ressourcenverbrauch durch noch größere Skigebiete steigen. „In der jetzt vorgelegten Fassung bereitet uns das TSSP große Sorgen. Schon jetzt taumelt Tirol von einem Tourismusrekord zum nächsten, einige Nadelöhre sind verkehrstechnisch bereits völlig überlastet. Jetzt wird ein Seilbahnprogramm diskutiert, das den schwelenden Erschließungsplänen endgültig Tür und Tor öffnen würde“, so Alpenvereinspräsident Ermacora.

„Wunden werden in Landschaft gerissen“

Tirol müsse hingegen sein Heil im „sanften Tourismus“ suchen. „Die Tiroler Landesregierung soll den öffentlichen Verkehr ebenso fördern wie das Schneeschuhwandern oder Projekte wie die Bergsteigerdörfer“, sagte Ermacora. Das möchte auch Rudolf Erlacher, Vizepräsident des Deutschen Alpenvereins, forciert sehen: „Mit reiner Zahlendynamik kommen wir nicht mehr weiter.“ Stattdessen fordert Erlacher, dass die Landesregierung die „radikalen Maßnahmen, die der Weltklimarat derzeit insgesamt empfiehlt“, angehe und die „Radikalität nicht falsch auslege“. Diese Auslegung führe jedenfalls, so Liliane Dagostin, Leiterin der Abteilung Raumplanung und Naturschutz im ÖAV, dazu, dass „Wunden in die Landschaft gerissen“ würden.

Das derzeitige Tiroler Seilbahn- und Skigebietsprogramm läuft am 31. Dezember 2018 aus. Die schwarz-grüne Koalition hat sich in ihrem Regierungsprogramm dazu bekannt, das TSSP weiterzuentwickeln. Ziel dabei sei es, „dass es zu keinen Neuerschließungen kommt und Zusammenschlüsse, Abrundungen und Zubringer dort möglich sind, wo sie sinnvoll und ökologisch verträglich sind“, heißt es im Regierungsprogramm.

Die Projekte Kappl-St. Anton, Spieljoch-Hochzillertal und Ötztal-Pitzal mit Zubringerbahn Griestal würden sich bereits im behördlichen Verfahren befinden und seien daher nach den einschlägigen rechtlichen Kriterien abzuarbeiten. Sie wurden außer Streit gestellt.

Tiroler Grüne begrüßen „öffentliche Diskussion“

Die Tiroler Grünen zeigten sich über die „angestoßene öffentliche Diskussion“. Ein derartig wichtiges und weitreichendes Programm des Landes gehöre breit und offen diskutiert, meinte Landessprecherin Barbara Schramm-Skoficz in einer Aussendung.

Sie hoffe, dass weitere Vereine, Organisationen, politische Verantwortungsträger und auch Privatpersonen dem Beispiel der Alpenvereine folgen werden. „Das Seilbahnprogramm ist richtungsweisend für ganz Tirol. Das ist anders wie bei einem konkreten Projekt, wo lediglich direkt Betroffene Parteistellung haben. Hier kann und soll sich jeder kritisch und konstruktiv einbringen“, rief die Landessprecherin zu Stellungnahmen auf.

Diese könnten einfach durch ein E-Mail an die schwarz-grüne Landesregierung eingebracht werden. Denn die Landesregierung lege erst nach der Begutachtung am 2. November fest, wie das Programm am Ende aussehe, so die Grüne. In Tirol seien bereits genügend Berge erschlossen und Pistenkilometer in die Natur gefräst, meinte Schramm-Skoficz. (TT.com)

Hörl: „Griff in Mottenkiste des Umweltaktivismus“

Ganz anderes reagierte Tirols Wirtschaftsbundobmann Franz Hörl (ÖVP) auf die Kritik der Alpenvereine am TSSP. „Die Herren Präsidenten haben wieder in die Mottenkiste des Umweltaktivismus gegriffen und wärmen längst abgehakte Themen immer und immer wieder auf“, so Hörl. „Die Seilbahnbranche und der Tourismus haben schon längst die Zeichen der Zeit erkannt und setzen massiv auf verantwortungsvolles Wirtschaften im Sinne der eigenen natürlichen Umgebung. Ansonsten wäre die Branche nicht Weltmarktführer, denn die Konsumenten fordern diesen Kurs immer stärker und aktiver ein“, so Hörl.

„Es ist ein Faktum, dass genau unser TSSP Tirol vor Neuerschließungen bewahrt. Ohne TSSP sind auch neue Skigebiete theoretisch möglich, weil dann nur noch das Naturschutzgesetz gilt. Und da steht nirgends, dass Neuerschließungen nicht möglich sind. Daher mein Appell an die Herrn Präsidenten: bitte mehr Realitätsbezug und zurück zur Wahrheit“, sagte Hörl. (TT.com)

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