Tirol

Begehrte Wählergruppe: Die Macht der Tiroler Pensionisten

Hoch die Hände, für immer Wochenende. Senioren haben Zeit und sind viel rüstiger als ihre Vorgänger. Das macht sie vom Kosmetikhersteller bis hin zum Reiseveranstalter und für die Politik interessant.
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Senioren werden von der Wirtschaft und der Politik umschwärmt. Durch die Lebenserwartung haben sie mehr Jahre, um Geld auszugeben, und sie sind verlässliche und fleißige Wähler. Das kann teuer werden.

Von Anita Heubacher

Innsbruck, Wien – Einen Monat vor der Nationalratswahl haben alle Parteien, mit Ausnahme der NEOS, saftige Pensionserhöhungen beschlossen. Bis 2023 kostet allein dieses Wahlzuckerl 1,6 Milliarden Euro. Zudem soll man künftig nach 45 Jahren ohne Abschläge in Pension gehen können. Auch das kostet. Die Gegenfinanzierung ist fraglich. „Die Pensionisten werden eine immer wichtigere politische Machtbasis“, sagt Dénes Kucsera, Ökonom bei der Agenda Austria. Die Zahl der Rentner in Österreich hat zwischen 2002 und 2018 um rund 360.000 Wähler zugenommen. „Zum Leidwesen der jüngeren Generation wird es noch schwieriger werden, die Pensionen nachhaltig zu sichern.“

Liebling der Senioren war bei der Wahl im Oktober Sebastian Kurz. „Die ÖVP hat bei den Pensionisten am stärksten gepunktet und die SPÖ als Pensionisten-Partei abgelöst“, sagt Kucsera. Die Grafik zeigt sehr schön, wie beliebt ÖVP, SPÖ und FPÖ bei den älteren Wählern seit 2002 bis heute waren.

„Ab 50 fühlt man sich 10 bis 15 Jahre jünger. Das beherzigt die Werbung, die ein Wunschbild zeichnet.“ Sophie Karmasin (Meinungsforscherin, Ex-Ministerin)
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Meinungsforscherin Sophie Karmasin, einst selbst für die ÖVP als Ministerin tätig, hat dafür eine Erklärung: Kurz habe diese Klientel mit den Themen Pflege und Wichtigkeit der Werte gut abgeholt. „Er hat ein jugendliches Auftreten, kombiniert mit älteren Themen.“ Das spreche Ältere am Land stark an. „Noch dazu ist das eine Zielgruppe, die sich mit einer Frau an der Spitz­e noch immer schwertut“, sagt Karmasin mit Verweis auf SPÖ-Frontfrau Pamel­a Rendi-Wagner.

„Die Wählerschaft der SPÖ besteht in Tirol zu 25 Prozent aus Pensionisten, österreichweit sind es 28 Prozent.“ Lukas Matt (SPÖ-Geschäftsführer)
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Eine Erkenntnis, die auch in der Tiroler SPÖ-Zentrale Gültig­keit hat. Zumindest liege beim Verlust der Pensionistenstimmen die Tiroler SPÖ ganz im Bundestrend, erklärt Geschäftsführer Lukas Matt. „Wir konnten dieser Gruppe nicht erklären, warum wir mit einem Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung vorgegangen sind.“ Die Wählerschaft der SPÖ bestehe in Tirol zu 25 Prozent aus Pensionisten, österreichweit seien es 28 Prozent. Die ältere Generation wird in den Gremien der SPÖ durch die „Arbeitsgemeinschaft 60 plus“ vertreten. Im Landesparteivorstand steht ihr ein Sitz von 21 zu. Unterrepräsentiert lässt Matt nicht gelten. „Auch ein junges Team kann die Interessen der Seniorinnen und Senioren vertreten.“ Der parteinahe Pensionistenverband ist ein eigenständiger Verein. Laut Matt hat er in Tirol knapp 25.000 Mitglieder.

Die Macht der Senioren kennt auch ÖVP-Geschäftsführer Martin Malaun. Er erinnert an die Brexit-Abstimmung in Großbritannien. „Die Alten wollten ihn, die Jungen haben sich nicht beteiligt.“ Aber auch in Österreich und in Tirol sind die Senioren mehr als das Zünglein an der Waage. „58 Prozent der über 60-Jährigen haben in Tirol bei den Landtagswahlen ÖVP gewählt.“ Weit abgeschlagen bei den Senioren laut Exit-Poll die anderen Parteien: SPÖ 13 Prozent, FPÖ 12 Prozent, Grün­e 9 Prozent.

„58 Prozent der über 60-Jährigen haben in Tirol bei den Landtagswahlen ÖVP gewählt.“ Martin Malaun (ÖVP-Geschäftsführer)
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„Die Themenlage war damals noch anders“, meint Malaun. Kurz hat seiner Meinung nach durch den Amtsinhaberbonus, zumindest war er einmal Kanzler, und das Schwiegersohn-Syndrom gepunktet. „Auch in Tirol ist das so, wir punkten bei den Älteren mehr als bei den Jungen.“ In der ÖVP sind die Senioren mit Landesrätin Patrizia Zoller-Frischauf als Bünde­obfrau auf der Regierungsbank vertreten. Der Seniorenbund mit seinen knapp 30.000 Mitgliedern stellt zudem eine Bundesrätin und zwei Vertreter im 26-köpfigen Landesparteivorstand der ÖVP. „Im Lauf­e eines Lebens rücken viele von links in die Mitte. Sie werden konservativer“, sagt Parteimanage­r Malaun.

Die Lebensjahre machen wohlhabende Senioren auch zum Faktor in der Wirtschaft. „Die Senioren sind viele Jahre sehr vital“, meint Meinungsund Motivforscherin Karmasin. Viel Zeit, um Autos, Mode, Kosmetik zu kaufen oder auf Reisen zu gehen. Auch hier kommt die Demographie hinzu: Der Anteil der Älteren wächst, weil die Baby­boomer, die geburtenstarken Jahrgänge, jetzt in Rente gehen. Mehr Konsumenten, die noch dazu Zeit haben. Dennoch werden die meisten Konsumgüter mit jungen oder maximal mittelalterlichen Menschen beworben.

„Der Einfluss der älteren Bevölkerung wird bei Wahlen naturgemäß größer. Zum Leidwesen der Jungen.“ Dénes Kucsera (Ökonom Agenda Austria)
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Das erklärt Karmasin so: „Die Werbung zeigt nicht ein reales Abbild, sondern bietet eine Identifikationsfläche.“ Und identifizieren wollten sich auch die Älteren lieber mit der Jugend. Diese stehe für Leistung. „In unserer Kultur wird nicht die Weisheit des Alters geehrt, sondern die Dynamik der Jugend.“ Je älter Menschen würden, desto jünger an Lebensjahren fühlten sie sich, sagt Karmasin. „Ab 50 fühlt man sich zehn bis 15 Jahre jünger. Das beherzigt die Werbung, die ein Wunschbild zeichnet.“ Werbung dürf­e nie zu fern oder zu nah am Alltag sein.

Den Alltag versüßen dürfte auf jeden Fall die Pensionserhöhung – den Pensionisten und der Wirtschaft.

Italien lockt Rentner mit Steuervergünstigungen

Rom — Mit einem neuen Projekt will die italienische Regierung Rentner aus Nordeuropa ins Land holen. Weil junge Menschen die Region verlassen, sterben im sonnendurchfluteten Süden Dörfer aus, Häuser und Wohnung stehen überall leer. Um dem entgegenzuwirken, sollen nun Menschen mit Kaufkraft wegen Steuervergünstigungen dorthin ziehen.

Doch nicht jeden will die Regierung in Rom laut News-Portal wize.life dort leben sehen. Gesucht werden vor allem Menschen, die keinen Job mehr brauchen, wohl aber Sonne, Strand und Ruh­e im Alltag wollen. Senioren aus dem Norden Europas bietet die Regierung deshalb einen zeitlich begrenzten Steuersatz von sieben Prozent auf das Einkommen an. Das Angebot von Juni dieses Jahres gilt auch für italienische Staatsbürger, die im Ausland leben und gerne in ihre Heimat zurückkehren möchten.

Natürlich gehört nicht jede Kommune zur Niedrigsteuerzone. Infrage kommen Kleinstädte mit nicht mehr als 20.000 Einwohnern in den Abruzzen, Apulien, Basilikata, Kalabrien, Kampanien, Molise und auf den Inseln Sizilien und Sardinien.

Ausgenommen sind aber die touristischen Ziele in diesen Regionen, wo sich ohnehin meist nur Reiche eine Immobilie leisten können.

Wer trotzdem ein sonniges Plätzchen haben möcht­e, muss noch auf das Kleingedruckte achten, denn der Steuerrabatt gilt nur für fünf Jahre, danach ist der volle Steuersatz von bis zu 45 Prozent fällig. (wize.life, TT)

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