Föderalismusbericht

Bund hebelt Länder aus: Föderalismus gerät unter die Räder

„Großer Österreichischer Zapfenstreich“: Der Bund gibt nach wie vor den Ton an. Zumindest die Klänge der Militärmusik sind harmonisch.
© Thomas Böhm

Das Institut für Föderalismus hat dem Landtag seinen Bericht für 2018 vorgelegt. Schein (Sonntagsreden) und Sein (Realität) klaffen erneut weit auseinander. Auch an der ehemaligen türkis-blauen Regierung übt der Bericht harsche Kritik.

Innsbruck – Der jetzt vorliegende Zustandsbericht über das Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, kurz Föderalismus, dürfte mächtig Staub aufwirbeln. Denn das in Innsbruck angesiedelte Ins­titut für Föderalismus, dessen Träger die Länder Tirol, Vorarlberg, Oberösterreich und seit heuer auch Salzburg und Niederösterreich sind, zieht eine ernüchternde Bilanz über die Entwicklung des Föderalismus in Österreich im Jahr 2018. Und das auf vielen Ebenen. Die Zentralisierung schreitet voran, die ehemalige türkis-blaue Bundesregierung hat hier nahtlos an die Vorgängerregierungen angeknüpft.

Vor allem in finanziellen Angelegenheiten wurde den Ländern regelmäßig die Tür vor der Nase zugeschlagen: „Neben mehreren Novellen des Finanzausgleichsgesetzes war im Bereich des finanziellen Föderalismus für das Berichtsjahr aus Ländersicht negativ hervorzuheben, dass Begutachtungsentwürfe mit finanziellen Folgen für die Länder und Gemeinden regelmäßig ohne Einbindung derselben erstellt wurden“, beanstanden Institutsdirektor Peter Bußjäger und sein Assistent Christoph Schramek.

Generell ortet das Föderalismus-Institut Schwächen in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bei Gesetzesentwürfen. Von den Ländern würden dabei vor allem die knappe Fristsetzung, die mangelnde Berücksichtigung von Stellungnahmen sowie unzureichende bzw. mitunter fehlende Angaben über finanzielle Auswirkungen geplanter Vorhaben bemängelt, heißt es.

Die unter Türkis-Blau beschlossene Reform des Sozialversicherungssystems wird „aus föderaler Sicht“ ebenfalls kritisch bewertet. Fazit: „Angesichts der umfassenden Weisungsbindung der Landesstellen ist ein autonomes Handeln auf regionaler Ebene nur in begrenztem Rahmen möglich.“ Und was die groß angekündige Dezentralisierung der Bundesverwaltung betrifft, sieht es nicht besser aus. Da habe es 2018 kaum neue Entwicklungen „hinsichtlich der territorialen Dezentralisierung von Bundesdienststellen“ gegeben.

Föderalismus-Kritik in Wiener Medien

Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern ist naturgemäß ein schwieriges. Kompetenzen überlappen sich und gehören entflochten, zugleich geht es ums Geld und drittens wird seit Jahrzehnten an einer Zuständigkeitsreform zwischen Bund, Ländern sowie Gemeinden (Bundesstaatsreform) herumgedoktert. Der Föderalismusbericht 2018 hält der Politik erneut den Spiegel vor, schließlich gerät der Föderalismus zusehends unter die Räder. Weil die Dezentralisierung auch medial kritisch gesehen wird.

So geriet die Verländerung der Kinder- und Jugendhilfe vielfach ins Schussfeld. „Die dargestellte Kritik an der föderalen Differenzierung ist auch einem besonderen Zentralisierungsgrad der österreichischen Medienlandschaft geschuldet“, folgert das Föderalismusinstitut. Weil, so heißt es dezent, aber klar mit Verweis auf die Informationspolitik im Bund: „Die Verflechtungen zwischen Bundespolitik und den in der Bundeshauptstadt erscheinenden Medien sind kundigen Leserinnen und Lesern augenfällig.“

Die meisten Kritikpunkte betreffen die mangelnde Einbeziehung der Länder in die Gesetzgebung. Vor allem unter Türkis-Blau hat sich das deutlich fortgesetzt. Der Bund konfrontierte die Länder mit knappen Fristsetzungen sowie unzureichenden bzw. fehlenden Angaben über finanzielle Auswirkungen. „Die Entwürfe enthielten entgegen der Vereinbarung mitunter lediglich eine Kostendarstellung für den Bundesbereich, dies selbst in Fällen, in denen klar auf der Hand lag, dass Mehrkosten auch andere Gebietskörperschaften treffen“, wird kritisiert. Die Stellungnahmen wurden außerdem kaum berücksichtigt.

Hinsichtlich der Verlagerung von Bundesstellen in die Regionen tritt Österreich auf der Stelle. Mehr noch: Wien bleibt nach wie vor erster Adressat für die Ansiedelung von Verwaltungsstrukturen wie zuletzt der „Digitalisierungsagentur“ innerhalb der in der Bundeshauptstadt angesiedelten Forschungsförderungsgesellschaft. (pn)

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