Korruptionsvorwürfe

Ungarn gewährte Mazedoniens Ex-Premier politisches Asyl

Nikola Gruevski, der zwischen 2006 und Anfang 2016 mazedonischer Regierungschef war, floh vor seiner Inhaftierung nach Ungarn.
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Nikola Gruevski war wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden, trat die Haft Anfang November jedoch nicht an. Stattdessen floh der mazedonische Ex-Ministerpräsident nach Ungarn.

Budapest – Der mazedonische Ex-Ministerpräsident Nikola Gruevski, der wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde und gegen den in seiner Heimat zwei weitere Korruptionsprozesse anhängig sind, hat nach eigenen Angaben in Ungarn Asyl gewährt bekommen. Er bestätigte damit einen Online-Bericht der regierungsnahen ungarischen Zeitung Magyar Idök vom Dienstag.

„Heute hat die Republik Ungarn, ein EU- und NATO-Staat, meinen zuvor eingebrachten Antrag auf Erlangung von politischem Asyl wegen politischer Verfolgung in der Republik Mazedonien positiv beantwortet“, schrieb Gruevski auf seiner Facebook-Seite.

Der Ex-Premier und nationalkonservative Politiker war im Mai wegen Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit der Anschaffung eines teuren Dienstwagens zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte einen Haftaufschub beantragt. Das zuständige Gericht lehnte den Antrag aber ab. Er erschien am 8. November aber nicht zum Haftantritt. Mithilfe ungarischer Diplomaten floh er über Albanien, Montenegro und Serbien nach Ungarn, wo er einen Asylantrag stellte.

Mehrere Prozesse laufen noch

Gegen Gruevski, der zwischen 2006 und Anfang 2016 Regierungschef war, laufen derzeit noch mehrere weitere Prozesse. Mazedonische Medien hatten im Frühjahr errechnet, dass der nationalkonservative Politiker bis zu 20 Jahre hinter Gittern verbringen könnte, sollte er in allen diesen Prozessen verurteilt werden. Die nationalkonservative VMRO-DPMNE, deren Parteichef Gruevski jahrelang war, spricht von einer „politischen Verfolgung“ des einstigen Ministerpräsidenten. Die VMRO-DPMNE wird mit zahlreichen Affären in Verbindung gebracht, darunter Wahlmanipulation mittels falscher Wählerverzeichnisse, die illegale Massenabhörung von mehr als 20.000 Bürgern, die Gängelung der Medien und Korruption.

Laut Magyar Idök erachtete das ungarische Einwanderungsamt, das über Gruevskis Asylantrag entschied, dessen Befürchtung, sein Leben sei in Mazedonien in Gefahr, als begründet. Es sei Gruevskis Argumentation, wonach die aktuelle, von den Sozialdemokraten angeführte Regierung in Mazedonien „(...) die persönliche Freiheit des ehemaligen Ministerpräsidenten mit nicht demokratischen Schritten einschränken und aufheben will“.

Mazedonien will Auslieferungsantrag stellen

Mazedonien strebt eine Auslieferung des Justizflüchtlings an. Nach Angaben der Justizministerin Renata Trenevska-Deskoska sollte den ungarischen Behörden noch im Laufe des Dienstags, spätestens am morgigen Mittwoch, ein entsprechender Antrag zugestellt werden. Zudem kündigte sie an, selbst im Fall einer Asylerteilung nicht auf den Auslieferungsantrag verzichten zu wollen, auch wenn sie sich in diesem Fall skeptisch zu den Erfolgsaussichten zeigte.

Auf mehreren Hundert Seiten habe das mazedonische Justizministerium die Sachverhalte dargestellt, die zur rechtskräftigen Verurteilung Gruevskis in einem Fall und zu Anklageerhebungen in vier weiteren Fällen geführt haben. „Die mazedonische Regierung ersucht ihre ungarischen Kollegen, ihn zu verhaften und nach Mazedonien auszuliefern“, zitierte der mazedonische Fernsehsender Telma TV das Ministerium.

Auslieferung äußerst unwahrscheinlich

Mit dem positiven Budapester Asylbescheid ist eine Auslieferung nach Ansicht von Beobachtern tatsächlich äußerst unwahrscheinlich geworden. Die ungewöhnliche Zügigkeit des Verfahrens scheint außerdem darauf hinzudeuten, dass Gruevski unter dem ausdrücklichen Schutz des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban steht, mit dem ihn eine langjährige Freundschaft verbindet.

Das Portal hvg.hu schrieb unter Berufung auf diplomatische Quellen, dass Orban seinem mazedonischen Gesinnungsgenossen persönlich Schutz und Asyl versprochen haben soll. Mit der zügigen Abwicklung des Verfahrens verbinde der ungarische Regierungschef die Hoffnung, dass die Angelegenheit schnell und ohne internationale Verwicklungen unter den Teppich gekehrt werden könne.

Die Opposition in Ungarn steht dem Asyl für Gruevski kritisch gegenüber. Der Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Nationale Sicherheit, Adam Mirkoczki, ein Vertreter der rechtsextremen Jobbik-Partei, berief für den morgigen Mittwoch eine außerordentliche Ausschusssitzung zum „Gruevski-Skandal“ ein. Innenministerium und Einwanderungsbehörde hätten mit dem positiven Asylbescheid gegen das Gesetz verstoßen, so Mirkoczki. Timea Szabo, Ko-Vorsitzende der oppositionellen Partei „Parbeszed“ (Dialog), erklärte, Premier Orban mache Ungarn zur „Deponie für politischen Abschaum“. (APA/Reuters/dpa)

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