EM-Quali

Nach Rassismus-Skandal in Sofia: Bulgarischer Verbandspräsident tritt ab

Zweimal wurde das Spiel wegen rassistischen Äußerungen der bulgarischen Zuschauer unterbrochen.
© AFP

Das EM-Quali-Spiel zwischen Bulgarien und England wurde in der ersten Halbzeit zweimal wegen rassistischer Äußerungen von bulgarischen Fans unterbrochen worden, mehrfach wurde von einheimischen Zuschauern auf der Tribüne der Hitlergruß gezeigt.

Sofia - Der Präsident des bulgarischen Fußballverbandes, Borislaw Michailow, ist nach den Rassismus-Vorfällen im EM-Qualifikationsspiel gegen England zurückgetreten. Michailow habe am Dienstag seinen Rücktritt eingereicht, der den Mitgliedern des Exekutivkomitees bei einer Tagung am Freitag vorgelegt werden soll. Das teilte der bulgarische Fußballverband am Dienstag auf seiner Internetseite mit.

Zuvor hatte Bulgariens Regierungschef Boiko Borissow Michailows Rücktritt gefordert. Beim 6:0-Sieg der Engländer am Montagabend in Sofia war die erste Halbzeit zweimal unterbrochen worden. Die bulgarischen Fans hatten erneut für rassistische Entgleisungen gesorgt sowie den Hitlergruß gezeigt. Das Spiel stand kurz vor dem Abbruch.

Zuvor hatte Sportminister Krassen Kralew am Dienstag in Sofia erklärt, dass die Regierung bis zum Rücktritt Michailows die Beziehungen zum Fußballverband aussetzen wolle, auch die finanziellen Zuwendungen sollten eingestellt werden. Michailow hatte die Rücktrittsforderung zunächst noch zurückgewiesen.

"Eine der schrecklichsten Nächte"

Die rassistischen Vorfälle im EM-Qualifikationsspiel zwischen Bulgarien und England in Sofia haben auf der Insel für Entsetzen, aber auch Genugtuung gesorgt. Umgehend forderte der englische Verband FA Untersuchungen durch die UEFA. FA-Präsident Greg Clarke nannte das Geschehen eine der schrecklichsten Nächte, die er jemals im Fußball gesehen habe. Die "Three Lions" gewannen die Partie mit 6:0.

Englands Nationalcoach Gareth Southgate zeigte sich am Montagabend trotz des klaren Sieges betroffen. "Wir wissen, dass dies eine inakzeptable Situation ist, aber ich glaube, wir haben es geschafft, zwei Antworten zu geben. Indem wir das Spiel gewonnen haben und indem wir alle auf die Situation aufmerksam gemacht haben, als das Spiel zweimal gestoppt wurde", sagte er. Southgate war "unglaublich stolz" auf seine Spieler. "Sie wollen Stories im Fußball schreiben, aber sie waren auch Teil von etwas, was denke ich größer ist."

Das Spiel war in der ersten Spielhälfte zweimal wegen rassistischer Äußerungen von bulgarischen Fans unterbrochen worden, mehrfach wurde von einheimischen Zuschauern auf der Tribüne der Hitlergruß gezeigt. Tyrone Mings hatte sich bei seinem Länderspiel-Debüt mehrfach beim kroatischen Schiedsrichter Ivan Bebek beschwert, dass sein Teamkollege Raheem Sterling bei jeder Ballberührung mit Affenlauten von der Tribüne diskreditiert wurde. Die Beleidigungen waren "ziemlich klar auf dem Platz zu hören", sagte Mings, der selbst auch Opfer von Schmähungen wurde.

Der Stadionsprecher warnte nach Aufforderung durch den Referee vor dem Abbruch der Partie. Bebek brachte die Partie jedoch zu Ende. Englische Spieler hatten vor der Begegnung gedroht, den Rasen bei rassistischen Vorfällen zu verlassen. Das taten sie nach einem laut Mings gemeinsamen Entscheid allerdings nicht und feierten einen mühelosen Sieg. Marcus Rashford (7.), Ross Barkley (20., 32.), Sterling (45., 69.) und Harry Kane (85.) schossen die Tore. England führt in der Tabelle der Gruppe A mit 15 Punkten vor Tschechien (12).

Balakow hat "nichts gehört"

Sterling schrieb auf Twitter, er habe Mitleid mit Bulgarien, "von solchen Idioten im Stadion repräsentiert zu werden". Marcus Rashford erinnerte an Bulgariens Kapitän Iwelin Popow, der in der Pause auf dem Spielfeld blieb und das Gespräch mit den Fans suchte. Dem gegenüber stand allerdings, dass viele bulgarische Akteure angaben, von rassistischen Bemerkungen nichts mitbekommen zu haben. "Die Zuschauer haben sich benommen, ich habe keine Beschimpfungen gehört", meinte Torhüter Plamen Iljew. Teamchef Krassimir Balakow sprach von einem "sehr heiklen Thema". Es sei sehr ungewöhnlich, wie Rassismus im Fußball interpretiert werde. "Ich habe absolut nichts gehört", meinte der ehemalige Weltklasse-Spieler Balakow weiter. Im Gegenteil hätten sich englische Fans ungebührend gegen bulgarische verhalten. "Ich habe in der zweite Halbzeit Wörter gehört, die ich unakzeptabel finde."

Die Partie gegen England war bereits vor teilweise leeren Rängen ausgetragen worden, weil bulgarische Fans schon in den Spielen gegen Tschechien und den Kosovo im Juni durch rassistische Äußerungen negativ aufgefallen waren. (APA/dpa/Reuters)

Internationale Pressestimmen zu den Vorfällen in Bulgarien:

ENGLAND

„The Guardian": „Willkommen in der neuen Welt. Wir haben ein Fußballspiel erwartet. Was wir bekommen haben, war ein miserables Ereignis in einer miserablen Nacht in einem miserablen Stadion (...) vor einem miserablen Hintergrund von Beschuldigungen und bösem Blut. Am Ende hat sich das kein bisschen wie ein Sportereignis angefühlt. Es fühlte sich an wie eine offene Wunde, ein Angriff auf die grundlegende Idee von Nationen, die zusammenkommen."

„Daily Mirror": „Das Traurige daran ist, dass niemand sich an den Fußball erinnern wird. Niemand wird sich an den klaren Sieg erinnern, Ross Barkleys Auftritt als bester Mann des Spiels, Marcus Rashfords fantastischen Treffer oder Raheem Sterlings genialen Doppeltreffer. Alle werden sich an eine Nacht erinnern, die eine Schande für den Fußball war."

„The Sun": „Eine Umgebung wie diese, eine giftige Mischung aus schändlichen und beschämenden Beschimpfungen und Gesängen, ist nicht das, woran man sich bei einem Fußballspiel erinnern sollte. So sieht die Zukunft für den Sport in vielen Austragungsorten aus - mit Unterbrechungen, Verzögerungen und Beobachtern im Publikum, die die vierten Offiziellen informieren."

„Telegraph": „England hat Bulgarien mit drei Punkten, sechs Toren und einer deutlich gezogenen Linie verlassen. Diese Qualifikation für die Euro 2020 muss ein Wendepunkt sein, ein entscheidender Moment, in dem dieser „abscheuliche rassistische Missbrauch", wie ihn der Fußballverband in seiner Erklärung sofort und unmissverständlich genannt und eine Untersuchung der UEFA gefordert hat, aufhören muss."

„The Independent": „Es war ein Abend mit hässlichen, beispiellosen Szenen in Sofia, der so viele aktuelle Probleme im Fußball und in der Gesellschaft zur Schau gestellte hat, der sich jedoch als Meilenstein für die Zukunft erweisen könnte."

„BBC Sport": „Man kann nur erwarten, dass dem bulgarischen Verband (BFU) die schwerwiegendsten Sanktionen drohen, nachdem ein weiterer schwerwiegender Vorfall von Rassismus ein Euro-2020-Spiel überschattet hat. (...) Es ist nun an der Uefa zu handeln, sobald der Bericht des Schiedsrichters und der Beobachter vorliegt."

BULGARIEN

„Mediapool.bg": „Schandvolle Niederlage und rassistische Sprechchöre"

„Trud" (Internetausgabe): „Neuer Boden: Bulgarien brach den Rekord für Heimspielniederlage"

„Duma" (Internetausgabe): „In Europa verurteilten sie uns als Rassisten"

„Club-Z": „Fußballspiel Bulgarien-England zwei Mal wegen Rassismus gestoppt"

TV Evropa: „Schamvolle Niederlage für Bulgarien gegen England"

SPANIEN

„Marca": „Das Beste für England war der Sieg, der die Niederlage gegen Tschechien am Freitag korrigiert hat. Die Manschaft von (Gareth) Southgate kann trotz der vergeblichen rassistischen Versuche eines Teils des Publikums lächeln."

„El Mundo": „Aus irgendeinem Grund war die Uefa der Ansicht, dass die Schließung von Teilen des Vasil-Levski-Nationalstadions in Sofia für zwei Spiele wegen rassistischer Parolen der bulgarischen Fans gegen Tschechien genug Strafe sei. Und dass das Platzieren einiger Plakate mit dem Motto „Respekt" verhindern würde, dass es sich wiederholt. „Überraschenderweise" hat es nicht funktioniert und England hat Bulgarien unter rassistischen Gesängen 0:6 besiegt."

ITALIEN

„Gazzetta dello Sport": „Bulgarien-England war viel mehr als ein Fußballspiel, bei dem der technische Aspekt unvermeidlich zweitrangig wird (...) Der Pessimismus vom Vorabend erwies sich als begründet. Man fürchtete das Schlimmste im Lewski-Stadion, wo es schon vorher zu schweren rassistischen Vorfällen gekommen war. England hatte nach einer Zusammenkunft Southgates mit den Spielern in den vergangenen Tagen angekündigt, jegliche Demonstration der Intoleranz sehr ernst zu nehmen. Und pünktlich zum 2:0 kamen die ersten fremdenfeindlichen Chöre."

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