Geburtstag

Hahnenkamm-Legende wird 100: „Das Skifahren ist mein Elixier“

In einer Hütte in seinem Garten hat sich Karl Koller sein ganz persönliches Skimuseum eingerichtet.
© Angerer

Skirennläufer, Erfinder, Visionär, Skilehrer – der Kitzbüheler Karl Koller feiert heute seinen 100. Geburtstag. Die Ski hat er zwar vor Kurzem an den Nagel gehängt, sein Herz hängt aber immer noch am Wintersport.

Von Harald Angerer, Max Ischia

Karl Koller war der erste Hahnenkamm-Sieger der Nachkriegszeit...
© Archiv Koller/KSC

Kitzbühel – „Liebes Menschlein, nimm’ dich nicht zu wichtig“, heißt es in einem der Gedichte von Karl Koller. Auch mit nunmehr 100 Jahren kann er die Verse aus dem Stegreif aufsagen. Wie überhaupt sich der Jubilar eine bemerkenswerte geistige Frische erhalten hat. Mit seiner zweiten großen Liebe, wie er Lebensgefährtin Ida Hechenberger nennt, lebt Koller inzwischen wieder in Kitzbühel. Eine Zeit lang war er nach Jochberg gezogen, auch, um im Winter – gleich hinter dem Haus – Langlaufen zu können. „Doch die Ski habe ich vor ein paar Jahren an den Nagel gehängt. Es geht nicht mehr. Man muss akzeptieren, dass sich alles ändert – alles“, sagt einer, der bis 92 auch noch auf Alpin-Latten unterwegs war.

Gemütlich und bescheiden lebt das Pärchen, auch Hechenberger ist rüstige 90, in einem Häuschen unterhalb des Kitzbüheler „Stadtls“ der Innenstadt. Die Stube ist voll mit Fotos und Erinnerungen an seine aktiven Ski-Zeiten, aber auch mit Bildern seines einzigen Kindes, seiner Enkel und Urenkel. Doch das meiste hat der Skipionier ohnedies im Kopf. Nur wenige haben der Stadt und dem Skisport ihren Stempel ähnlich aufgedrückt wie Karl Koller, auch, oder insbesondere, was das Skilehrerwesen betrifft.

Koller sorgte als Skischulleiter und Visionär für Furore.
© Archiv Koller/KSC

Der erste Hahnenkamm-Sieger der Nachkriegszeit übernahm im Winter 1949

50 von Sepp Sailer die Kitzbüheler Skischule und machte sie bis 1975 zu den berühmten „Roten Teufeln“. Gemeinsam mit Freund Alfons Walde, dem begnadeten Maler und Architekten, entwickelte er eine Bekleidungslinie für die Skilehrer mit roten Pullovern – ein Markenzeichen, welches bis heute das Skilehrerwesen prägt. In den 50er Jahren erfand er die Kurzski, einen Bindungs-Vorderbacken („Koller-Backen“) und mit der „Teufelspiste“ war er Wegbereiter für den heutigen Skicross. Selbst das Neujahrsfeuerwerk in Kitzbühel – „Hexenverbrennung“, wie er es damals nannte – geht auf den Visionär zurück. Und nachdem er sich mit der Skischule wirtschaftlich verkalkuliert hatte, startete er 1976 mit der Kinder-Skischule „Kollerland“ neu durch. „Die schönste Zeit in meinem Berufsleben.“

„Die Berge waren meine Freunde. Die haben nicht gefragt, ob ich arm oder reich bin, oder wer ich bin", beschreibt Koller seine Liebe zu den Bergen.
© Archiv Koller/KSC

Zum Skifahren ist er als Kind wegen Hautproblemen gekommen. Der Arzt hatte viel frische Luft empfohlen. Damit war der kleine Karl stets im Freien und rasch wurden aus den Schneehäufen der Innenstadt die Berge, die ihm die Welt bedeuteten. „Ich war eher ein Einzelgänger, die Berge waren meine Freunde. Die haben nicht gefragt, ob ich arm oder reich bin, oder wer ich bin“, sagt der Jubilar und unterstreicht: „Das Skifahren ist mein Elixier.“

Die Ski-Laufbahn war kurz – auch wegen des 2. Weltkriegs. Als die Kriegswirren beendet waren, schlug am 2. und 3. März 1946 seine Stunde: Zweiter in der Abfahrt, Zweiter im Slalom – das ergab in Summe den Hahnenkamm-Triumph. Noch heute steht sein Siegerski in einer Hütte im Garten seines Hauses. „Das ist sein Skimuseum“, sagt Lebensgefährtin Ida und lächelt ihren Karl an. Erst vor 20 Jahren wurden die beiden ein Paar. Zuvor war Koller mit seiner Jugendliebe Hilde 54 Jahre verheiratet, ehe die Gattin 1997 verstarb.

„ Wünsche? Dass wir zwei noch ein Zeitl in Ruhe miteinander verbringen können.“
Karl Koller

Nach wie vor zieht es den ab heute 100-Jährigen an die frische Luft, „aber mein Gehen ist nur mehr wischi­waschi“. Trotzdem rafft er sich immer wieder auf und geht – auf zwei Stöcke gestützt – ein­e kleine Runde, manchmal auch noch durch das Stadtl. Dort, wo er einst als Jugendlicher mit dem Hut in der Hand zum Fünf-Uhr-Tee Gelder für den Kitzbüheler Ski Club gesammelte hatte. „Please, for the Ski Club, hamma g’sagt.“ Dass er später (1953 bis 1955) dem KSC als Obmann vorstehen sollte, hätte er nicht zu träumen gewagt.

Auch wenn ihn das offizielle Kitzbühel heute im Rasmushof feiert, wurde er nur allzu oft vergessen. „Ich bin kein Mensch, der laut ist und schreit. Mein Antrieb war es immer, etwas zu verbessern und über die Zukunft nachzudenken. Ich habe es nicht für die anderen gemacht.“

Auch seinem runden Geburtstag misst er nicht allzu viel Bedeutung bei. Körperlich sei es nicht immer einfach, „es geht mir halt dem Alter entsprechend“, nickt er. Auch mit dem Essen sei es manchmal „ein Drama, aber ein Schnapserl zum Geburtstag ist schon drin“.

Ein Herz und eine Seele: der Jubilar mit Lebensgefährtin Ida Hechenberger.
© Angerer Harald

Wenn es ums Skifahren geht, pumpert sein Herz wie eh und je. Noch immer lässt er im Fernsehen kaum ein Weltcuprennen aus. Nur auf den Ton verzichtet er regelmäßig – und dies ganz bewusst. „Die Vorberichte und das ganze Geplapper sind mir zuwider.“ Schlampige Technik ist ihm bis heute ein Gräuel, wie Enkel Alexander, 1998 Snowboard-Gesamtweltcupsieger, weiß. „Opa hat noch immer alles genau im Blick.“ Seinem mehrfachen Rat, doch endlich das Internet zu installieren, erteilte er aber regelmäßig eine Abfuhr. „Dafür habe ich meine Lexika. Und oft schadet es nicht, nachzudenken, um Antworten zu bekommen.“ Nicht viel anders verhielt er sich mit der durchaus sinnstiftenden Verwendung eines Hörapparats. Frei nach dem Motto: Der Koller Karl muss nicht (mehr) alles hören. Schon gar nicht nach 100 Lebensjahren ...

Zur Person

Karl Koller wurde am 16. April 1919 als zehntes Kind in Kitzbühel geboren. Sein einziger Sohn Karl ist Chef der Kitzbüheler Wirtschafts- treuhandgesellschaft. Sein Enkel Alexander wurde 1998 Gesamtweltcupsieger im Snowboarden und führt in Wien eine Immobilienfirma, dessen Bruder Matthias ist plastischer Chirurg in Linz.

Werdegang: Nach seiner aktiven Skikarriere übernahm Koller im Winter 1949/50 von Sepp Sailer die Leitung der Kitzbüheler Skischule („Rote Teufel“) und machte mit zahlreichen Innovationen (u. a. Kurzski, Bindungs-Vorderbacken, Teufelspiste) von sich reden. 1976 macht er sich mit der Kinder-Skischule „Kollerland“ selbstständig.

Funktionär: Von 1953 bis 1955 Obmann des Kitzbüheler Ski Clubs. Von 1968 bis 1972 Chef des Kitzbüheler Tourismusverbandes. Unter anderem auch Präsident des Österreichischen Skilehrerverbands und Vizepräsident des Welt-Skilehrerverbands.

Autor: Neben zahlreichen Gedichtbänden schrieb der Jubilar auch mehrere Bücher, darunter die Erinnerungen „Freud und Leid zu meiner Zeit“ und „Kitzbühel zu meiner Zeit“.

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