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Svindal im TT-Interview: „Das Ende rückt immer näher“

Nach neuerlichen Knieproblemen hofft der 36-jährige Aksel Lund Svindal auf genügend Kräfte für die Klassiker in Wengen und Kitzbühel.
© imago sportfotodienst

Nach den jüngsten Knieproblemen denkt Aksel Lund Svindal (36) leise an Abschied. Im TT-Interview spricht der 36-Jährige über Comebacks, den fehlenden Kitzbühel-Abfahrtssieg und den tragischen Helden Stefan Luitz.

Herr Svindal, Sie haben 2016 in Wengen gewonnen, waren 2018 Zweiter. Wie gut tut es, zurückzukommen?

Aksel Lund Svindal: Es ist sehr cool, die Abfahrt hier ist eines der größten Rennen. In Kitzbühel hast du das große Publikum im Ziel, hier hast du es entlang der ganzen Strecke. Und Kitzbühel ist mehr Party in der Stadt, im Stadion. Hier hast du das Ganze auf der Strecke mit gut 3,5 Kilometern. Und die Szenerie ist spektakulär, das inspiriert noch mehr.

Sie haben schon in der ersten Frage zweimal Kitzbühel erwähnt – also bleiben wir gleich bei der alten Leier: Sie haben zweimal die Olympia-Abfahrt gewonnen, dazu kommen 36 Weltcupsiege, fünf Weltmeistertitel …

Svindal: … aber immer noch kein Kitzbühel (lacht).

Ja, die Abfahrt auf der Streif fehlt Ihnen noch.

Svindal: Wir können jetzt hier sitzen und darüber philosophieren, ob das Zufall ist. Aber das ist es nicht. Ich habe jetzt achtmal in Lake Louise gewonnen, aber kein einziges Mal auf der Streif. So etwas ist kein Zufall. Kitzbühel war noch nie meine beste Abfahrtsstrecke. Aber so etwas kann sich ändern. Nehmen wir Wengen: Ich bin hier 2013 gestürzt, war davor nie schnell. Im Jahr darauf habe ich gewonnen. Ich hatte den Wengen-Code geknackt. Das hat ein paar Jahre gedauert. In Kitzbühel habe ich das noch nicht geschafft. Aber ich gestehe: Der Sieg geht mir ab.

Es heißt ja, man sei kein kompletter Abfahrer ohne Sieg auf der Streif …

Svindal: Es gibt keinen kompletten Abfahrer. Und es gibt niemanden, der alles gewonnen hat. Ich habe mich damit abgefunden, dass ich niemals komplett sein werde. Wir machen einen Sport mit sehr, sehr wenig Spielraum. Am Ende musst du dankbar sein, dass du gesund bist. Dankbar sein für alles, was du gewonnen hast. Du darfst nicht dastehen und dich beschweren, dass du nichts hast.

Sie wurden in Ihrer Karriere unzählige Male von schweren Verletzungen zurückgeworfen, feierten x-fach Comebacks. Wie sehr sind Sie noch bereit, alles für den Streif-Sieg zu riskieren?

Svindal: Um alles riskieren zu können, musst du richtig schnell sein. Wenn man sich meine Karriere ansieht – wann war ich wirklich schlimm verletzt? Genau zu den Zeiten, als ich am schnellsten war. Da lohnt sich das Risiko, da gibt es Siege als Entschädigung. Aber bin ich so dumm und riskiere alles, wenn ich weiß, dass am Ende ein fünfter oder sechster Platz rausschaut? Sicher nicht. Es ist eine mentale Sache bei mir: Wenn ich weiß, dass ich gewinnen kann, dann riskiere ich mehr und mehr. Und irgendwann bin ich dann draußen. Wenn in Kitzbühel alles gut läuft, werde ich es riskieren können. Sonst nicht.

Aber die Saison entsprach bisher nicht Ihren Erwartungen (kein Sieg, Anm.). Wie geht es Ihrer großen Schwachstelle, dem Knie?

Svindal: Das Rennen in Bormio Ende Dezember war nicht gut für das Knie. Da habe ich gespürt, dass etwas nicht passt. Ich habe mich erholt, es geht besser, sollte für Wengen und Kitzbühel gut genug sein. Aber es kann gut sein, dass ich Garmisch auslasse und mich auf die WM vorbereite.

Tennis-Star Andy Murray sorgte dieser Tage mit seinem unter Tränen angekündigten Abschied für Aufsehen. Wie gut verstehen Sie seine Lage?

Svindal: Sehr gut. Ich hatte das einige Male, am schlimmsten war es nach meinem Sturz 2007 in Beaver Creek (mehrere Knochenbrüche, Anm.). Das war so schlimm, dass ich dachte, ich komme nicht mehr zurück. Aber wenn du aufwachst nach der Operation, hast du zwei Möglichkeiten: aufhören oder weitermachen. Da musst du dich durchkämpfen. Ich hatte einige Szenarien, in denen mir Ärzte sagten, es wird wohl nichts mehr mit dem Sport. Und: Ich bin noch hier.

An ein Karriereende denken Sie noch nicht?

Svindal: Ich fühle: Das Ende rückt immer näher. Ob es jetzt gleich ist oder erst nächstes Jahr, das weiß ich nicht. Aber es ist nahe. Das große Problem war der wirklich schlechte Frühling 2018. Ich kann das jetzt nicht mehr Jahr für Jahr machen, habe ja auch ein Leben nach dem Skifahren. Ich kann nicht mehr „bamm, bamm, bamm“ alles riskieren. Ich muss mein Hirn mehr nutzen, jetzt bin ich ja schon 36 Jahre alt (lacht). Für mich ist nach dem Olympiasieg 2018 alles Bonus.

Noch ein anderes Thema: Was sagen Sie zum kürzlich aberkannten Riesentorlauf-Sieg des deutschen Stefan Luitz in Beaver Creek?

Svindal: Es ist eine Schand­e, das war absolut unnötig. Das muss sein Team besser wissen. Du brauchst keinen künstlichen Sauerstoff, um zu gewinnen, aber die Rege­l gibt es nun einmal. Eine Schande ist es deshalb, weil der Riesentorlauf die härteste Disziplin für das Knie ist. Luitz ist nach einem Kreuzbandriss zurückgekommen und hat gleich gewonnen. Das hat vorher noch keiner geschafft. Wir sollten jetzt nicht über künstlichen Sauerstoff reden – wir sollten vielmehr über ein faszinierendes Comeback sprechen.

Das Gespräch führte Roman Stelzl

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