TT-Interview

Skisprung-Coach Schuster: „Schlierenzauer kann mich anrufen“

Werner Schuster: Für Schlierenzauer "der weltbeste Skisprung-Trainer, den es gibt".
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Cheftrainer Werner Schuster führte die deutschen Skispringer zu dreimal WM-Gold in Seefeld. Der 49-Jährige freut sich im TT-Gespräch auf mehr Zeit für die Familie und erklärt, warum er dem Schigymnasium Stams absagt.

Was empfinden Sie vor Ihrem großen Finale?

Werner Schuster: Ich bin nicht sonderlich wehmütig, weil ich mit mir im Reinen bin. Zudem bin ich stolz und dankbar, wie alles gelaufen ist. Die letzten Jahre wurden ja immer erfolgreicher, teilweise mit neuen Leuten. Das zeigt, dass ein nachhaltiges System aufgebaut wurde, was mir wichtig ist. Ich freue mich über das positive Echo, auch im medialen Bereich. Da kommt schon Sentimentalität auf. Aber ich muss da selber ein bisschen auf die Bremse steigen. Und auch wenn es mein letzter Weltcup als deutscher Cheftrainer ist, muss es ja nicht mein letztes Skispringen an sich sein.

Ihr Wissen ist gefragt. Stams hätte Sie gerne als Lehrkraft zurück, der Deutsche Ski-Verband DSV würde Sie gerne im Nachwuchs halten und auch sonst wurde um Sie geworben.

Schuster: Das ist natürlich sehr angenehm. Gleichzeitig bin ich aber schon immer ein realistischer Mensch. Ich weiß, es ist ein Momentum. Schlussendlich muss man schauen, was übrig bleibt. Und für mich ist es noch nicht einfach, eine Entscheidung für die Zukunft zu treffen. Ich will nicht wieder bis zum Anschlag arbeiten, aber gleichzeitig muss man von irgendetwas leben. Wer weiß denn im Leben schon, was genau er immer will? Ich jedenfalls nicht.

Sie haben gesagt, Sie würden gerne ein Sabbatical einlegen, wissen aber nicht, ob Sie es sich trauen.

Schuster: Ich bin jetzt mittendrin in der Materie und der Spitzensport ist gnadenlos, die Entwicklung geht weiter. Was heute zählt, ist in fünf Jahren schon wieder überholt oder adaptiert. Und wenn man eine Chance bekommt, die vielleicht nicht ein zweites Mal so kommt, muss man sich das gut überlegen. Ich würde auch gerne das Erlebte sacken lassen und mich selber wieder fortbilden. Dazu hatte ich in den elf Jahren keine Chance. Ich war immer der, der die Richtung vorgab. Ich wäre wirklich interessiert, auch einmal in eine andere Sportart reinzuschauen.

Sie fürchten sich demnach nicht davor, in ein Loch zu fallen?

Schuster: Es gibt immer etwas zu tun. Ich spüre, wie der körperliche Zustand Richtung 50 zurückgeht, und es wäre fein, wieder einmal etwas für sich selbst machen zu können. Wandern oder Skitouren gehen oder Tennis spielen, und das ohne Terminhatz. Mein Sohn springt auch Ski und fragt immer mal wieder nach, ob ich ihm nicht helfen könnte. Mein anderer Sohn spielt Fußball und meine Frau wäre froh, wenn ich ihn öfter einmal zum Fußballplatz fahren würde. Ich habe wirklich keine Angst, in ein Loch zu fallen.

Bei der Bekanntgabe des Endes dankten Sie besonders Ihrer Frau Annika. Warum?

Schuster: Der gesellschaftliche Trend geht dahin, dass die Arbeitsaufteilung 50:50 ist, und das ist auch gut so. Aber in unserem Job funktioniert das nicht. Wenn meine Frau auf 50:50 gepocht hätte, hätte ich den Vertrag gar nicht unterschreiben können. Weil die Arbeitszeiten so intensiv und ungelegen sind, das geht sich nicht aus. Sie hat das über den langen Zeitraum mitgetragen, zu Anfang in einer Phase, in der die Kinder noch sehr klein waren. Meine Frau hat auch eine Ausbildung und sie hat auch nicht dafür studiert, dass sie auf mich wartet. Und deswegen kann man in Worten gar nicht ausdrücken, was die Familie im Hintergrund alles leistet.

Sie haben viel als Cheftrainer geleistet und mit drei WM-Goldmedaillen eine starke Abschlusssaison hingelegt.

Schuster: Wenn man den Weltcup anschaut, dann war es eine schwierige Saison und sogar ein bisschen enttäuschend. Wir sind weit weg vom Gesamtweltcup, Polen wird den Nationencup gewinnen. Aber es gab zwei Highlights: die Vierschanzentournee und die WM. Die Tournee haben wir zwar nicht gewonnen, aber wir waren auf Platz zwei und drei. Und wir sind eine herausragende WM gesprungen, das bleibt in der Öffentlichkeit hängen.

Sie haben sich bei der WM besonders gefreut, endlich auch am Bergisel erfolgreich gewesen zu sein ...

Schuster: Die zwei Verletzungen von Richard Freitag und Severin Freund auf dem Weg zu einem möglichen Tourneesieg haben richtig weh getan. Ich hatte nie etwas gegen die Schanze, aber es hat dort irgendwie nie funktioniert. Und von dem her war es schon sehr schön, Events dort zu erleben, die für uns gespielt haben. Das Einzel-Gold von Markus Eisenbichler und der Team-Titel. Speziell Mannschaftsgold hat mir sehr viel bedeutet.

Was war denn Ihr schönster Moment Ihrer Karriere?

Schuster: Das ist sehr schwierig. Ob es der WM-Titel von Freund war oder der Olympiasieg von Andreas Wellinger? Eigentlich hat es mit dem Vize-Titel 2009 von Martin Schmitt begonnen. Er war davor schon sechs Jahre sportlich tot. Und viele haben gefragt: „Warum hört er nicht endlich auf? Er trägt ja nur noch seinen Helm spazieren.“ Das war viel schlimmer als bei Gregor Schlierenzauer jetzt. Aber ich habe immer noch an Martin geglaubt und er hat dann noch einmal Silber gewonnen.

Sie waren Schlierenzauers Mentor in Stams. Würde es Sie nicht reizen, ihm wieder Flügel zu verleihen?

Schuster: Gregor hat mich noch nicht gefragt, ob ich es machen würde. Aber er hat meine Nummer, er kann mich anrufen. Und dann werde ich mich mit dem Thema auseinandersetzen. Es war für mich eine interessante Zeit, so einen Athleten als Jugendtrainer zu coachen. Es sind aber dreizehn Jahre seither vergangen und er ist ein anderer Mensch und ich bin ein anderer Trainer. Man müsste schauen, ob das überhaupt funktionieren würde.

Auf was freuen Sie sich zukünftig?

Schuster: Derzeit überlagern die Grundsatz-Entscheidungen noch meine Gefühle. Ich habe also nicht das Gefühl, ab dem Tag X nichts mehr zu tun zu haben. Ich habe auch noch nichts mit der Familie geplant. Ich glaube aber, dass sich mein Leben gar nicht so dramatisch verändern wird. Auf was ich mich wirklich schon freue, im Sommer nicht wieder stundenlang vor der Planung zu sitzen und zu überlegen, wie bekomme ich die verschiedenen Interessen in Deutschland unter einen Hut.

Was Sie als Österreicher gut hinbekommen haben ...

Schuster: In Summe war es ein Vorteil, als Österreicher den Cheftrainerposten damals anzunehmen. Weil ich unbefangen war und Skisprung-Deutschland 2008 ein sehr zerstrittenes Land war und da ist man sehr schnell einem Lager zugeordnet gewesen.

Derzeit kann man Sie auch nirgends zuordnen, weil keiner weiß, was Sie machen.

Schuster: Eine Entscheidung ist gefallen: Ich steige im September nicht wieder voll am Schigymnasium Stams ein. Ich gebe dort weiterhin Schulstunden in Sportkunde und bleibe somit verbunden. Ich möchte mich beruflich einfach etwas freispielen. Ich werde auch schauen, in welcher Form und wie lange ich dem Deutschen Ski-Verband noch zur Verfügung stehe. Ansonsten sortiere ich zwei, drei Anfragen aus und überlege, ob ich Vorträge mache. Aber das würde ich sicher keine 15 Jahre machen. Es wäre jedoch gut, um das Erlebte aufzuarbeiten.

Das Gespräch führte Susann Frank

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