TT-Interview

Ski-Ass Kristoffersen: „Habe Marcel Hirscher schneller gemacht“

Zwischen nachdenklich und angriffslustig: Vor dem Weltcup-Auftakt in Sölden ließ der Norweger Henrik Kristoffersen tief blicken.
© Vanessa Rachlé

Norwegens Ski-Star Henrik Kristoffersen ist der große Favorit im Gesamtweltcup. Vor dem Saisonstart am Sonntag in Sölden spricht der 25-Jährige über die verlorene Millionenklage und Marcel Hirschers Abschied.

Herr Kristoffersen, nach dem Rücktritt von Marcel Hirscher fällt auf der Suche nach einem Nachfolger im Gesamtweltcup als Erstes Ihr Name. Wie gerne nehmen Sie diese Rolle an?

Henrik Kristoffersen: Das passt. Ich habe viel aus dem letzten Jahr gelernt. Da habe ich mich selbst zu sehr auf den Gesamtweltcup fokussiert. Jetzt weiß ich: Zuerst muss ich schnell fahren und Rennen gewinnen, dann kommt der Rest von selbst.

Sie haben stets betont, dass Sie der Wettkampf mit Hirscher besser gemacht hat. Sie haben sich über Jahre gepusht – nun ist er weg ...

Kristoffersen: Wir haben uns gegenseitig besser gemacht. Marcel wäre nicht so schnell gefahren, wenn ich nicht da gewesen wäre. Ich habe ihn schnell gemacht. (lacht) Jetzt wird es neue Gegner geben.

Und die kämpfen gegen Sie, der seit heuer ein eigenes Trainer-Team hat. Sie haben lange dafür gekämpft.

Kristoffersen: Ich will die Möglichkeit haben, der beste Athlet zu werden. In einer eigenen Gruppe kannst du das erreichen, kannst tun, was du tun willst, musst nicht auf andere achten. Ich bin sehr glücklich, dass es geklappt hat. Möglich wurde das durch Steve Skavik, den neuen Herren-Chef. Er setzt auf individuelle Betreuung.

Wie sieht Ihr Team aus?

Kristoffersen: Mein Vater Lars ist der Chef. Dazu habe ich zwei weitere Trainer, einer war mein Jugend-Coach. Daneben gibt es zwei Service-Mitarbeiter. Red Bull und ich zahlen ein Drittel, ein Drittel übernimmt der Verband, ein Drittel Rossignol. Für mich ist mein Vater extrem wichtig. Wenn er nicht gewesen wäre, wäre ich nicht dort, wo ich jetzt bin. Ein Coach kann aufhören, mein Vater wird immer mein Vater sein.

Henrik Kristoffersen will mit einem eigenen Team zum Gesamtweltcup-Sieg carven.
© gepa/Pranter

Ein Coach wie Stefan Kornberger? Der norwegische Technik-Trainer, der jetzt bei den ÖSV-Damen arbeitet, soll im Jänner nach einem Streit mit Ihnen seinen Job hingeschmissen haben ...

Kristoffersen: Stefan ist ein großartiger Mensch, ein harter Arbeiter. Aber sagen wir es so: Es gibt Trainer mit mehr Erfahrung. Ich wollte eine Sache, die anderen Athleten eine andere. Stefan musste sich zwischen den Parteien strecken. Das war zu viel.

Danach haben Sie ab Februar alleine trainiert?

Kristoffersen: Ja, ich habe nach Schladming Ende Jänner und damit vor der WM alleine mit meinem Vater trainiert. Ich arbeite einfach besser im kleinen Team. Es ist auch notwendig, denn der Sport wird immer professioneller. Shiffrin, Maze, Hirscher, Vonn – die hatten alle eigene Teams. Ich will der Beste werden. Das ist der Weg, den ich gehen muss.

Ex-Herren-Chef Christian Mitter stand vor dem Wechsel zum ÖSV am Pranger. Das medizinische Team kritisierte in einem offenen Brief den Führungsstil, einige Leute hörten auf. Wie stehen Sie zu der Sache?

Kristoffersen: Kein Kommentar dazu. Christian ist ein großartiger Trainer, das Organisieren ist aber wieder eine eigene Geschichte.

Was wollen Sie noch zur Klage gegen Norwegens Verband sagen? Es ging um etwa 1,6 Millionen Euro an Entschädigung wegen entgangener Gelder sowie einen eigenen Kopfsponsor. Sie haben die Klage im Frühjahr verloren ...

Kristoffersen: Der norwegische Verband hat einen Deal mit Telenor als Teamsponsor bis 2022. Wir haben verschiedene Wege versucht, darunter war auch ein drastischer.

Sie meinen die 1,6-Millionen-Euro-Klage?

Kristoffersen: Mit der Zahl hatte ich nichts zu tun. Ich habe dem Verband das ganze Geld aus dem Red-Bull-Deal angeboten, damit ich den Kopfsponsor bekomme. Es geht aber nicht um Geld. Ich will die Möglichkeit, der beste Skifahrer aller Zeiten zu werden. Und der Sport hat sich auch verändert, es braucht individuelle Kopf-Sponsoren. Du musst richtig gut sein, um Geld zu verdienen. Wenn du 20 oder 21 Jahre alt bist, zahlen die Eltern für dein Leben. Der Verband stellt dir zwar alles zur Verfügung, wenn du etwa im Europacup-Team bist. Aber du verdienst nichts. Die Eltern müssen dein privates Leben finanzieren. Aber im Moment passt alles für mich.

Ski-Weltcup-Auftakt in Sölden - Programm

Freitag: 19.00 Uhr: Startnummernauslosung Damen

Samstag: 10.00/13.00 Uhr: RTL Damen - live TT.com

17.45 Uhr: Fanclub-Parade

19.00 Uhr: Siegerehrung, Startnummernauslosung Herren

Sonntag: 10.00/13.00 Uhr: RTL Herren - live TT.com, anschließend Siegerehrung Rettenbachgletscher.

Tickets: in allen Raiffeisen-Banken und online

Shuttlebus-Service: aus allen Teilen Tirols zum und vom Gletscher für Samstag und Sonntag. Abfahrtszeiten im Internet unter www.soelden.com

Wohl auch in Ihrem Trainingsgebiet auf der Reiteralm. Da dürfte jetzt mehr Platz für Sie sein, nachdem Hirscher zurückgetreten ist.

Kristoffersen: Ich hoffe doch. (lacht) Ich war einer der wenigen Athleten, die mit Marcel trainieren durften. Wir haben oft auf demselben Hang und demselben Kurs trainiert. Er war der Beste, es war immer gut, mit ihm zu trainieren.

Sie haben Seite an Seite mit Hirscher trainiert. War es möglich, eine persönliche Beziehung aufzubauen?

Kristoffersen: Auf jeden Fall. Wir sind viel zusammen gereist, auch im Privatjet. Wir haben sehr viel gemeinsam, sind beide früh gut geworden, hatten immer den Vater dabei. Und wir wollten immer die Besten werden.

Im Privatjet saß auch oft der Franzose Alexis Pinturault, wohl Ihr großer Konkurrent im Gesamtweltcup.

Kristoffersen: Alexis ist für mich der Favorit, Dominik Paris und Vincent Kriechmayr sind auch stark. Für Marco Schwarz ist es zu früh.

Zuletzt stand der Weltcup-Kalender mit zu vielen Rennen in der Kritik. Was sagen Sie zu dem Thema?

Kristoffersen: Es ist ein stetiges Vor und Zurück. Viele beschweren sich, dass es zu wenige Speed-Rennen gibt. Aber jetzt können sich die Speed-Spezialisten im Kombi-Super-G und im Slalom die Nummer aussuchen. Ich meine: Wie viele Vorteile kannst du noch haben? Das Beste wäre: je zehn Riesentorläufe, Slaloms, Abfahrten, Super-Gs. Weg mit der Kombination, weg mit den Parallel-Rennen.

Keine Kombi und Parallelbewerbe mehr?

Kristoffersen: Dann kann sich keiner mehr beschweren. Wenn Sie sich die Parallel-Rennen ansehen: Die sind nur populär, weil sie Nachtrennen sind. Aber schauen Sie sich die Nachtslaloms an, wie Schlad­ming oder Madonna: Da ist viel mehr los. Darüber muss man nachdenken.

Eine Frage noch: Im Vorjahr wurde in einer TV-Show aufgezählt, wie oft Sie hinter Hirscher Zweiter wurden, was Sie ohne ihn gewonnen hätten. Ärgern Sie solche Vergleiche?

Kristoffersen: Ich kann es nicht ändern. Ich war, glaube ich, 15-mal Zweiter hinter Marcel, er aber 13-mal hinter mir Zweiter. Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre er viel näher am Rekord von Ingemar Stenmark dran. Ich hätte gerne noch eine Chance, Marcel zu besiegen. Aber ich habe sie oft genug nicht genutzt. Daran bin ich selbst schuld.

Das Gespräch führte Roman Stelzl

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