Sozialversicherung: Hauptverband 2 - Experte Berka: verfassungswidrig

Wien (APA) - Von den insgesamt 15 verfassungsrechtlich bedenklichen Punkten in der Stellungnahme des Hauptverbandes zur Kassenreform stellen...

Wien (APA) - Von den insgesamt 15 verfassungsrechtlich bedenklichen Punkten in der Stellungnahme des Hauptverbandes zur Kassenreform stellen für den Verfassungsrechtler Walter Berka die Beitragsprüfung durch die Finanz, die Parität in den Gremien, das Aufsichtsrecht der Ministerien und Unklarheiten bei den Zuständigkeiten die größten Probleme dar. Ob der Hauptverband eine Verfassungsklage einbringt, ist vorerst noch offen.

Berka bezeichnete es am Dienstag vor Journalisten als eine „spannende Frage“, ob ein aufgelöster Träger (bis 2020 soll es die Träger in ihrer jetzigen Form noch geben, Anm.) noch eine Klage einbringen kann. Vermutlich werde diese Frage der Verfassungsgerichtshof klären müssen. Der Verfassungsrechtler (Universität Salzburg) verwies jedoch darauf, dass bei Vereinen nach deren Auflösung die Mitglieder noch klagen können. Außerdem gebe es noch die Möglichkeiten, dass ein Drittel der Abgeordneten jederzeit beim VfGH klagen könne, und einzelne Versicherte könnten dies auch tun, indem sie einen Bescheid bis zum Höchstgericht anfechten.

Eine Reform mit der angestrebten Reduktion auf fünf Träger wäre nach Ansicht des Experten aus verfassungsrechtlicher Sicht durchaus möglich. Mit „mehr verfassungsrechtlicher Bedachtsamkeit“ könnte man seiner Auffassung nach Lösungen finden, ohne die zentralen Anliegen der Strukturreform zu gefährden.

Eindeutig verfassungswidrig ist für Berka allerdings die geplante Übersiedlung der Beitragsprüfung von den Kassen zur Finanz, die er selbst mit einem Gutachten geprüft hat. Die Finanzverwaltung sei eine staatliche Behörde, deshalb handle es sich um eine „Verstaatlichung der Beitragsprüfung“. Der Regierungsentwurf setze sich damit gegen ein Wesensmerkmal der Selbstverwaltung hinweg, indem die Finanzautonomie nicht beachtet werde. Außerdem werde das Prinzip auch nicht durchgängig eingehalten, die mit den Bauern fusionierten Selbstständigen-Kasse (SVS) und die Beamten behalten nämlich die Zuständigkeit für die Beitragsprüfung. Das verstößt nach Ansicht Berkas auch gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Neben der geplanten Parität von Dienstgebern und Dienstnehmern in den Gremien der künftigen Träger hält der Verfassungsrechtler auch die Ausweitung der Aufsichtsbefugnisse durch das Finanz- und das Sozialministerium für verfassungswidrig. Jeder größere Vertrag müsse demnach genehmigt werden, finanzielle Beschlüsse würden an einen Genehmigungsvorbehalt gebunden. Auch damit werde die Selbstverwaltung ausgehebelt. Als Beispiele genannt wurden Verträge mit Ärzten, Dienstpostenpläne oder Mustergeschäftsordnungen.

Große Probleme sehen sowohl der Hauptverband als auch Berka durch die geplanten Zuständigkeiten zwischen dem künftigen Dachverband und den einzelnen Trägern. So muss etwa der Dachverband den Erstattungskodex für die Medikamente herausgeben und ist damit auch dafür verantwortlich. Erstellt werde dieser aber von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), für die aber der Dachverband kein Weisungsrecht habe. Diese Frage wird noch rechtlich geprüft, für Berka ist das jedenfalls eine „juristisch sehr brisante Situation“.

Außerdem muss der Dachverband österreich-weite Verträge abschließen. Für die Ausarbeitung sei aber eine Abteilung der ÖGK zuständig. Als Beispiele genannt wurden hier etwa die Verträge für die Vorsorgeuntersuchungen, für den Mutter-Kind-Pass, für die Zahnbehandlung oder der Apotheken-Vertrag.

Derzeitige Funktionäre in den Krankenkassen dürfen weder im Überleitungsgremium noch in der künftig zusammengelegten ÖGK ein Funktion ausüben. Die derzeitige Obfrau der WGKK und Vorsitzende der Trägerkonferenz, Ingrid Reischl, ist damit ebenso wie andere von künftigen Funktionen ausgeschlossen. Diese Bestimmung gilt allerdings nicht für die Beamtenversicherung.

Von den derzeit 350 Mitarbeitern des Hauptverbandes sollen 250 in die ÖGK übersiedeln und nur rund 100 vorläufig für den künftig abgespeckten Dachverband übrig bleiben. Im Hauptverband befürchtet man allerdings, dass am Ende nur etwa 30 Mitarbeiter übrig bleiben werden.

Was mit dem derzeit in Sanierung befindlichen Gebäude des Hauptverbandes passieren soll, ist derzeit offen. Darüber weiß man im Hauptverband noch nichts. Die Sanierung hat ein Bauvolumen von rund 30 Millionen Euro und wird mit Innenausstattung etwa 40 Mio. Euro kosten.