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Konjunkturabkühlung in Osteuropa weniger stark als erwartet

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Österreich profitiert von Investitionen und Exporten in sowie Arbeitskräften aus der Region. Als überdurchschnittlich profitabel erweisen sich vor allem Investitionen in die EU-Mitglieder der Region.

Wien – Die Konjunktur in Mittel- und Osteuropa wird sich heuer abkühlen. Das Wachstum wird aber nach der aktuellen Einschätzung des WIIW vor allem in den EU-Mitgliedern der Region weniger stark zurückgehen als noch im Frühjahr erwartet und dort auch stärker ausfallen als im Euroraum. Österreich profitiert von Investitionen und Exporten in die Region sowie von Arbeitskräften aus Mittel- und Osteuropa.

In zehn Ländern gehört Österreich zu den Top-drei-Investoren, ein Drittel der Investitionen befindet sich dort. In Slowenien und Kroatien liege Österreich sogar an erster Stelle der ausländischen Investoren, so Julia Grübel, Expertin am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW), am Donnerstag bei der neuen Wirtschaftsprognose für Mittel-, Ost- und Südosteuropa.

Investitionen überdurchschnittlich profitabel

Als überdurchschnittlich profitabel erweisen sich vor allem Investitionen in die EU-Mitglieder der Region: Ihr Anteil an den gesamten Beständen ausländischer Direktinvestitionen lag mit rund 49 Mrd. Euro bei fast einem Viertel (24,5 Prozent), denen fast 30 Prozent (3,7 Mrd. Euro) des gesamten daraus erzielten Einkommens gegenüberstanden. Auf die gesamte EU entfielen rund 72 Prozent der Investitionen und rund 55 Prozent der Einkommen. Weiter gestiegen ist seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004 auch der Außenhandel, der Anteil an den österreichischen Warenexporten wuchs seither von 16 Prozent auf 18 Prozent im Jahr 2018.

Österreich ist weiter ein interessanter Standort für Arbeitskräfte aus der Region. Diese leisten auch einen überproportionalen Beitrag zur österreichischen Wirtschaft, konstatieren die Experten. Die vier Visegrad-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn) repräsentierten 2,3 Prozent der österreichischen Bevölkerung, aber fünf Prozent der Beschäftigten. Österreich komme die Migration zu Gute, weil der Fachkräftemangel abgefedert oder in die Zukunft verschoben werden könne.

Vom Abschwung im Euroraum abgekoppelt

Die anhaltende Attraktivität des österreichischen Arbeitsmarktes verschärfe aber den Arbeitskräftemangel in Osteuropa. Davon könnte auch die österreichische Wirtschaft betroffen und zwar bereits vor dem „kritischen Jahr“, in dem die Arbeitskräftenachfrage das -angebot übersteigt. Das WIIW sieht als „kritisches Jahr“ für Tschechien, Polen und Litauen bereits 2021, für Österreich das Jahr 2029. Begegnen könnte man dem durch Migration aus Drittländern sowie einer stärkeren Integration von Asylberechtigten und Frauen am Arbeitsmarkt, so Grübler.

Zu Österreichs wichtigsten Wirtschaftspartnern in der Region zählen die vier Visegrad-Staaten. Auf sie entfallen beispielsweise mehr als 10 Prozent des österreichischen Güterhandels, mehr als 15 Prozent der Direktinvestitionsbestände im Ausland und mehr als ein Fünftel der Einkommen daraus sowie mehr als 40 Prozent der Auslandsforderungen österreichischer Banken. In Osteuropa hat sich die Konjunktur laut WIIW vor allem in den elf EU-Mitgliedern bisher vom Abschwung im Euroraum abgekoppelt, ihr Wachstumsvorsprung gegenüber der Eurozone dürfte sogar steigen. Die Prognosen wurden für viele Länder erhöht, für die Türkei und Russland etwas zurückgenommen. Am Westbalkan wird eine stabile Entwicklung gesehen.

„Soft landing“ erwartet

Mittelfristig erwartet das WIIW für die EU-Mitgliedsländer in Osteuropa ein „soft landing“ vor allem wegen der weltweiten Konjunkturabflachung. Als Risiken sehen die Ökonomen vor allem verstärkten Protektionismus. Insbesondere höhere US-Zölle auf EU-Autos könnten sich auswirken und - in einem geringerem Ausmaß - ein harter Brexit. Von höherem US-Importzöllen auf EU-Autos wären die Slowakei und Ungarn am meisten betroffen. Am Westbalkan werden ein stabiles Wachstum und steigende Investitionen erwartet.

Eine Zwischenbilanz hat das WIIW auch angesichts des Falls der Berliner Mauer vor 30 Jahren gezogen: Die meisten EU-Länder der Region hätten in den drei Jahrzehnten gegenüber Österreich wesentlich aufgeholt. Am rasantesten fiel dieser Prozess in Estland aus. Aber auch Tschechien, Litauen, Polen, Rumänien und die Slowakei haben in diesem Zeitraum gemessen am BIP pro Kopf zu Kaufkraftparitäten um mehr als 20 Prozentpunkte des österreichischen Niveaus aufgeholt, so das WIIW. Am schlechtesten war die Performance in Moldau und der Ukraine, die gegenüber Österreich sogar zurückgefallen sind.(APA)

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