Privatpleiten

150.000 Menschen können Bank-Schulden nicht zahlen

Für 9500 Menschen geht sich heuer die Rechnung nicht mehr aus – sie müssen in die Privatinsolvenz.
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KSV erwartet heuer 9500 Privatpleiten mit durchschnittlich 58.000 Euro Schulden und findet neue Pleiteregeln für Private nun doch ganz gut.

Wien –Die Gläubigerschützer des KSV waren keine großen Befürworter der seit November 2017 geltenden Insolvenzrechtsnovelle. Diese brachte Erleichterungen für Privatschuldner, die dank der neuen Regeln (Einkommen wird „nur noch“ 5 Jahre lang aufs Existenzminimum von 900 Euro gepfändet, keine Mindestquote für Schuldentilgung) den Schuldenrucksack schneller ablegen können.

Die neuen Regeln funktionieren nach anfänglichen „Verwerfungen“ jetzt ganz gut, räumte KSV-Insolvenz­rechtsexperte Hans-Georg Kantner ein. „Schuldner kommen jetzt früher und gehen mit weniger zeitlicher Verzögerung in dieses Verfahren“, sagte Kantner.

Gläubigerschützer hatten die Schuldenregulierung für Private früher sehr kritisch gesehen. „Man hat aber als Gläubiger mittlerweile gelernt, dass das Schuldenregulierungsverfahren Vorteile bietet gegenüber dieser ewigen Exekution, die ins Leere geht, Kosten produziert und Gerichte beschäftigt“, so Kantner.

In den ersten neun Monaten dieses Jahres wurden laut Kantner 7174 Privatinsolvenzen eröffnet. Bei zwei Drittel davon sind Tilgungspläne vereinbart worden, in fast allen anderen Fällen gebe es fünfjährige Abschöpfungsverfahren. „Wir hatten letztes Jahr knapp über 10.000 Verfahren und werden heuer auf 9500 kommen – und im nächsten Jahr, schätze ich, auch ungefähr auf dieses Niveau“, sagt der KSV-Experte. Ein privater Schuldner hat im Durchschnitt 58.000 Euro Schulden, wobei jeder dritte Schuldner ein Ex-Unternehmer ist. Die „echten“ Privatschuldner sind im Schnitt mit 28.000 Euro ­verschuldet.

Auf den Warnlisten der Banken stehen in Österreich 100.000 bis 150.000 Leute, die mehr als 10.000 Euro Verbindlichkeiten haben, ohne diese zu tilgen. Unter diesen Menschen seien viele, „bei denen nichts zu holen ist. Das wissen die Gläubiger, das wissen die Exekutoren, denen tut der Rechtsstaat auch nichts mehr.“ Kantner warnte davor, der EU-Empfehlung für eine weitere Reduktion der Entschuldungszeit für Privatschuldner auf drei Jahre zu folgen.

Unterdessen fordern die Schuldenberatungen Qualitätsstandards für die Finanzbildung und Basis-Finanzbildung von Jugendlichen. Dabei sollten die Grundlagen vermittelt werden, aber nicht das Agieren am Kapitalmarkt. „Finanzbildung soll nicht – wie im letzten Regierungsprogramm – im Kapitel ‚Kapitalmarkt stärken‘ stehen. Lieber würde ich es in einem Kapitel ‚Armut bekämpfen‘ finden“, sagte Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen. Besonders junge Menschen bräuchten Kompetenzen für ein gesundes Geld-Leben. Knapp 23 Prozent der Klienten der Schuldenberatungen sind höchstens 30 Jahre alt. (APA)

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