Großbritannien

Reisekonzern Thomas Cook ist pleite: 600.000 Urlauber betroffen

Thomas Cook hat Insolvenz angemeldet.
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Der zweitgrößte Reisekonzern der Welt hatte das ganze Wochenende um eine Abwendung der Insolvenz gerungen, nachdem eine Finanzierung in Höhe von 200 Millionen Pfund (226,7 Mio. Euro) nötig geworden war. Von der Pleite sind 600.000 Urlauber betroffen.

London — Der letzte Flug des insolventen Reisekonzerns Thomas Cook ist in Manchester gelandet. Dies bestätigte der Flughafen Manchester am Montag. Passagiere berichteten von emotionalen Szenen an Bord. "Die Besatzung wusste bis zur Landung nicht, was passiert. Einige haben geweint", sagte ein Reisender am Montag dem Sender Sky News. Die Crew habe sich aber bis zuletzt äußerst professionell verhalten.

Ein weiterer Passagier berichtete, dass an Bord für die Besatzung gesammelt worden sei. Immer wieder hätten die Reisenden der Crew applaudiert. Die Maschine war am Vorabend in Orlando im US-Staat Florida gestartet, kurz bevor Thomas Cook den Betrieb einstellte.

Der britische Reisekonzern Thomas Cook hat kein Geld mehr und deshalb den Betrieb mit sofortiger Wirkung eingestellt. Allein aus Großbritannien sind etwa 150.000 Urlauber im Ausland von der Pleite betroffen, auch deutsche Touristen könnten die Folgen spüren. Die britische Regierung ließ die größte Rückholaktion in Friedenszeiten anlaufen.

4600 Österreicher derzeit in Zielgebieten

Nach den Milliardenverlusten und der Zahlungsunfähigkeit des in London börsennotierten Reiseveranstalters Thomas Cook Group plc hängen auch Tausende Urlauber aus Österreich in der Luft. Per heute, Montag, befinden sich 4600 österreichische Gäste in den Zielgebieten, wie ein Sprecher von Thomas Cook Österreich der APA mitteilte. Für heute und morgen seien je 400 Anreisen geplant.

Im Falle einer Insolvenz können sich diese ihr Geld zurückholen. Sollte die Reise aufgrund der Pleite gar nicht mehr angetreten werden können, erstattet der Versicherer den Reisepreis zurück, so Peter Kolba vom Verbraucherschutzverein. Tritt die Insolvenz ein, wenn man sich bereits im Urlaub befindet, hat man Anspruch darauf, rasch und kostenlos in die Heimat gebracht zu werden. Betroffene müssen ihre Ansprüche binnen acht Wochen ab Eintritt der Insolvenz beim Abwickler anmelden.

In Österreich ist Thomas Cook der drittgrößte Anbieter von Pauschalreisen nach TUI und Rewe Austria Touristik, mit rund einer Viertelmillion Reisenden jährlich. Ende 2017 beteiligte sich der Konzern mit seiner Airline Condor auch im Verfahren um die insolvente Fluglinie Niki, und kooperierte später mit dem erfolgreichen Bieter Laudamotion.

Condor darf Thomas-Cook-Fluggäste nicht ans Reiseziel bringen

Die deutsche Thomas-Cook-Tochter Condor darf aus rechtlichen Gründen Urlauber, die mit Thomas-Cook-Veranstaltern gebucht haben, nicht mehr an ihr Reiseziel bringen. Die deutsche Thomas Cook hatte nach der Insolvenz der britischen Mutter mitgeteilt, man könne nicht gewährleisten, dass gebuchte Reisen mit Abreisedatum 23. und 24. September stattfinden.

„Wir dürfen Sie daher für Ihren Flug nicht annehmen, was uns außerordentlich leid tut", teilte Condor am Montag mit. Rückflüge sind nicht betroffen. Den Flugbetrieb hält der Ferienflieger aber aufrecht.

(Symbolfoto)
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Condor hat derzeit rund 240.000 Kunden auf Rückflügen gebucht. Der Flugbetrieb werde aufrechterhalten, bekräftigte ein Sprecher von Condor am Montag.

Britische Regierung lehnte eine Finanzierungsbitte ab

Zuvor waren die Bemühungen um eine Rettung des angeschlagenen Konzerns gescheitert. Die britische Regierung lehnte eine Finanzierungsbitte über 150 Mio. Pfund (knapp 170 Mio. Euro) ab. „Das ist natürlich eine Menge Steuergeld und stellt, wie die Menschen anerkennen werden, eine moralische Gefahr für den Fall dar, dass Unternehmen künftig mit solchen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert werden", sagte Johnson noch vor der Betriebseinstellung.

Der britische Verkehrsminister Grant Shapps hat die Entscheidung der Regierung verteidigt, den Reisekonzern Thomas Cook nicht mit einer großen Finanzspritze vor der Pleite zu retten. "Ich fürchte, das hätte sie nur für eine sehr kurze Zeit über Wasser gehalten", sagte Shapps am Montag dem Sender BBC in London.

Das Unternehmen habe grundlegende Probleme in Zeiten, in denen immer mehr Menschen ihre Reisen online buchen. Sowohl die Opposition als auch Gewerkschaften hatten die Regierung für die Ablehnung kritisiert.

Die Transportgewerkschaft TSSA machte die Regierung dafür verantwortlich, dass die weltweit 21.000 Mitarbeiter, davon 9000 in Großbritannien, ihre Jobs verlieren. „Dass sie (die Regierung) unsere Mitglieder lieber hängen lassen als Thomas Cook zu retten, ist beschämend und falsch", sagte Gewerkschaftschef Manuel Cortes einer Mitteilung zufolge.

Britisches Luftfahrtbehörde: Modernisierung verschlafen

Der britische Reisekonzern Thomas Cook hat nach Ansicht der nationalen Luftfahrtbehörde CAA die Modernisierung der Branche verschlafen. Thomas Cook habe weiterhin mit Broschüren gearbeitet, während die Konkurrenz schon auf Barcodes umgestellt habe, sagte CAA-Chefin Deirdre Hutton am Montag dem Sender BBC.

Es gebe aber noch andere Gründe für die Pleite des Unternehmens, etwa den "unglaublichen" Wettbewerb im Markt. Die CAA werde dafür sorgen, dass etwa 150.000 Thomas-Cook-Kunden von 55 Zielen weltweit kostenlos nach Großbritannien zurückfliegen, kündigte Hutton an. "Jeder einzelne da draußen wird zu der Zeit zurück nach Hause kommen, zu der sein Urlaub endet."

Die Pilotengewerkschaft Balpa hat schwere Vorwürfe gegen die britische Regierung erhoben. Während es für die Rückholaktion betroffener Urlauber detaillierte Pläne gebe, "wurde der Belegschaft ohne Zögern in den Rücken gestochen", hieß es in einer Mitteilung vom Montag. Von der Insolvenz sind weltweit etwa 21.000 Beschäftigte betroffen, davon rund 9.000 in Großbritannien.

Das Unternehmen stellte einen Insolvenzantrag, wie der zweitgrößte Reisekonzern Europas Montagfrüh auf seiner Website mitteilte. Der Flugbetrieb in Großbritannien wurde nach Angaben der britischen Luftfahrtbehörde CAA mit sofortiger Wirkung eingestellt. Peter Fankhauser, der Chef von Thomas Cook, bezeichnete das Scheitern der Bemühungen zur Rettung des Touristikkonzerns als „verheerend". Noch bis Sonntagabend war mit Investoren über eine zusätzliche Finanzierung in Höhe von 200 Mio. Pfund verhandelt worden. Der chinesische Mehrheitseigner Fosun zeigte sich „enttäuscht".

Veranstaltertöchter haben Verkauf von Reisen gestoppt

Die deutschen Veranstaltertöchter, zu denen Marken wie Neckermann Reisen, Bucher Last Minute, Öger Tours, Air Marin und Thomas Cook Signature gehören, haben den Verkauf von Reisen nach eigenen Angaben komplett gestoppt. Man könne nicht gewährleisten, dass gebuchte Reisen mit Abreisedatum 23. und 24. September stattfinden, teilte Thomas Cook GmbH in der Früh in Oberursel bei Frankfurt mit.

Die Luftfahrtbehörde CAA teilte mit, sie habe eine Flugzeugflotte bereit gestellt, um Urlauber nach Großbritannien zurückzuholen. Die britische Regierung betonte, im Zuge der „Aktion Matterhorn" würden die Maschinen Touristen ungeachtet ihrer Nationalität ausfliegen, falls sie eine Reise mit Ziel Großbritannien gebucht hätten. „Die größte Rückführungsaktion des Vereinigten Königreichs in Friedenszeiten ist angelaufen", so Transportminister Shapps. „Es ist eine riesige Aufgabe, es wird einige Verzögerungen geben, aber wir arbeiten rund um die Uhr, um alles zu tun, was wir können." Bereits in der Nacht starteten bereits erste Flugzeuge zu verschiedenen Zielen. Für Urlauber im Ausland wurde die Website thomascook.caa.co.uk geschaltet.

Während bei Pauschalreisenden aus Deutschland im Fall einer Insolvenz des Veranstalters ein Versicherer einspringt, bezahlt in Großbritannien der Staat für die Rückholung gestrandeter Urlauber aus dem Ausland.

Thomas Cook verhandelte zuletzt mit Investoren über weiteres Kapital in Höhe von rund 200 Mio. Pfund für seine Sanierungspläne. Diese kämen zu einem bereits ausgehandelten 900 Mio. Euro schweren Rettungspaket hinzu. Thomas Cook verhandelte zum einen mit dem chinesischen Mischkonzern Fosun, der den TUI-Konkurrenten übernehmen wollte, aber auch mit Banken und Anleihegläubigern.

Thomas Cook war in den vergangenen Jahren immer wieder in Schieflage geraten. Bereits im Jahr 2012 retteten mehrere Banken den Konzern mit frischem Geld nach immensen Abschreibungen auf das britische Geschäft und IT-Systeme. Auch dadurch sitzt Thomas Cook auf einem Schuldenberg in Milliardenhöhe und ächzt unter der hohen Zinslast. Der jüngste Preiskampf im Reise- und Fluggeschäft kam erschwerend hinzu, ebenso anhaltende Unsicherheit rund um den Brexit, die die Urlaubsfreude der britischen Kundschaft dämpft.

Um dringend benötigtes Geld zu bekommen, hatte der Konzern im Februar sogar seine Fluggesellschaften samt Condor zum Verkauf gestellt. Im Juli blies er das Vorhaben wieder ab und präsentierte stattdessen einen umfangreichen Rettungsplan mit Investoren - der nun scheiterte.

Das Sommerhalbjahr bis Ende September werde deutlich schwächer als 2018, hatte Konzernchef Fankhauser Mitte Juli erklärt — und die Vorlage der Quartalszahlen abgeblasen. Dass es noch immer keine Klarheit über den Brexit gibt, dürfte die Lage noch verschärft haben. Großbritannien ist neben Deutschland der wichtigste Absatzmarkt für Thomas Cook. (APA/dpa)

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