Die leidvolle Rückkehr in das analoge Zeitalter
Caspar Pfaundler erzählt im TT-Interview anlässlich des Starts seines Filmes „Gehen am Strand“ von digitalen Problemen und Depressionen.
Innsbruck – Eine Diplomarbeit soll künftigen Arbeitgebern den Nachweis liefern, hier ist jemand, der über einen längeren Zeitraum konzentriert arbeiten kann. Vor dem letzten Kapitel ihrer Arbeit befällt die Studentin Anja (Elisabeth Umlauft) eine Schreibblockade. Sie widmet sich banalen Dingen, bricht soziale Kontakte ab und fällt schließlich in das tiefe Loch der Depression.
„Gehen am Strand“ wurde bereits bei der Diagonale 2013 uraufgeführt. Die Reaktionen bei Publikum und Kritik waren positiv. Warum hat sich der Kinostart so lange hinausgezögert?
Caspar Pfaundler: Wir haben den Film 2011 gedreht und es hat sich dann herausgestellt, dass 60 Prozent des digitalen Materials kaputt waren. Wir sind dann bei einer Firma, die auf Filmrestaurierungen spezialisiert ist, in Mumbai gelandet. So sind schon einmal zwei Jahre vergangen und so ist es in etwa auch weitergegangen. Es wird mit dem Film so umgegangen wie das, was er thematisiert. Die Verleiher haben einfach Angst gehabt, wenn es um Depression geht, und darum geht es ja auch, dass sich das niemand anschauen will.
Nach dem Motto, depressiv bin ich schon, das muss ich nicht noch einen deprimierenden Film sehen.
Pfaundler: Die meisten wissen ja gar nicht, dass sie depressiv sind. Aber in Wien, in dieser depressiven Stadt, ist er gut angekommen.
Mit drei Spielfilmen in 15 Jahren gehören Sie nicht gerade zu den produktivsten Regisseuren.
Pfaundler: Das muss man auch erst einmal zuwege bringen. Nein, das sind drei Filme, die es nicht leicht hatten, und ich habe es mir auch nicht leicht gemacht. Aber es sind drei Filme, die so sind, wie ich sie mir vorgestellt habe. Gerade „Gehen am Strand“ ist wirklich so geworden, wie ich das wollte. Man braucht halt eine gewisse Form von Leidenschaft und Durchhaltevermögen in dieser Art von Filmschaffen, wo es nicht darum geht, die Massen zu bewegen.
Was war denn Ihre erste Kinoerfahrung, die zu dieser Leidenschaft geführt hat?
Pfaundler: Meine ersten Kinoerlebnisse waren in Innsbruck. Da habe ich mich mit einem Schulfreund in ein Kino hineingeschlichen, das war, glaube ich, von Visconti „Die Unschuld“. Da war ich 16, 17 und habe gedacht, ja, das möchte ich machen. In Wien ist halt das Tolle, dass es das Filmmuseum gibt, da bin ich wirklich jeden Tag. Meine große Liebe ist das japanische Kino der 50er-Jahre, dazu kommt noch der Franzose Maurice Pialat, den ich sehr schätze. Aber auch in Filmen, die mir nicht gefallen, gibt es zehn Minuten, von denen ich was habe. In jedem Film gibt es zehn Minuten. Für mich ist Film meine beste Schule des Lebens, durch das Kino habe ich die Welt kennen gelernt. Von meinen filmischen Einflüssen mag ich gern ein Kino, wo man als Zuseher Zeit hat, wo man nicht überfahren wird, ohne sich zu langweilen natürlich.
Aber die Idee, mit einem Film viele Menschen zu erreichen, ist nicht abwegig?
Pfaundler: Es würde mich sehr frustrieren, wenn ich das so absolut setze. Für mich ist einfach jeder einzelne Besucher, der etwas erlebt, wenn er einen Film anschaut, wichtiger als dass es viele sehen. Es geht mir mehr um den einzelnen Besucher, wird er berührt und wie wird er berührt? Ich habe nichts dagegen, wenn man meine Filme mag, aber ich mache sie nicht, um geliebt zu werden.
Die Studentin in Ihrem Film verweigert sich dem Lockruf der Leistungsgesellschaft und verzichtet möglicherweise auch aus Kostengründen auf die aktuellen Kommunikationstechniken.
Pfaundler: Ja, sie fällt auch etwas aus der Zeit in ihrem Widerstand.
Bald sieht es in ihrer Wohnung mit einem Festnetztelefon, das wegen offener Rechnungen nur passiv funktioniert, wie vor 20 Jahren aus. Sie hat keinen Fernseher, sie schaut in das Fenster der Waschmaschine.
Pfaundler: Das ist auch das bessere Programm, würde ich sagen. Es ist kein lustiges Leben.
Anjas Familie kultiviert eine sehr seltsame, lieblose Form, miteinander umzugehen.
Pfaundler: Das ist alles kein Einzelfall. Die Depression kommt nicht von irgendwo her, die kommt sicher von einem lieblosen Umgang mit sich selbst.
Das Gespräch führte Peter Angerer