Kein Plan für das Welterbe
Über 1000 Welterbestätten gibt es derzeit. Die Liste wird ständig erweitert. Ob das gut- gehen kann? Zwei österreichische Expertinnen sind skeptisch. In Wien gibt es Probleme.
Innsbruck –Vergangene Kulturen, künstlerische Meisterwerke und einzigartige Naturlandschaften: Die Welterbestätten (dazu gehören Weltkultur- und Weltnaturerbe) setzen Menschheitsgeschichte und Natur Denkmäler. Doch um das Welterbe, das geschützt und bewahrt werden soll, ist unlängst eine Diskussion ausgebrochen. Wie viele Welterbestätten verträgt die Erde, lautet die brennende Frage.
1031 Stätten und Landschaften aus 163 Staaten tragen derzeit das Siegel der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Unesco). Und es werden ständig mehr. Denn der Andrang ist noch immer groß, bestätigt Gabriele Eschig, die Generalsekretärin der österreichischen Unesco-Kommission.
Angesichts der Größe der Staaten und der Weltbevölkerung seien „1000 Stätten nicht so viel“, meint sie. Sie könne aber ein „großes Ungleichgewicht“ erkennen. „Europa hat bereits sehr viele Welterbestätten. Andere Kontinente und Staaten muss die Chance gegeben werden, hier nachzuziehen.“ In Österreich herrscht ebenfalls eine Schieflage. Denn laut Eschig sind neun Stätten Kulturerbe (Bild oben), „es gibt aber kein Naturerbe“. Tirol hat überhaupt kein Welterbe (siehe Infobox).
Ob es hierzulande insgesamt zu wenig Welterbestätten gibt, lässt sich für Eschig nicht so einfach beantworten. „Ich bin aber nicht dafür, dass wir zu viele Stätten haben.“ Es sei für Eschig besser, weniger Welterbestätten zu haben, diese dafür gut zu betreuen. Dies sei in Österreich aber „leider nicht der Fall“. So wird aktuell in Wien über ein Hochhausprojekt auf dem Gelände des Eislaufvereins diskutiert. Die Unesco sieht das historische Zentrum Wiens als Welterbe gefährdet.
Eschig vermisst strukturelle und gesetzliche Festlegungen, um das österreichische Welterbe zu schützen und in gutem Zustand zu erhalten. Die Verantwortlichen würden sich zwar bemühen, „es gibt jedoch zu wenig Zusammenarbeit. Die Bundesregierung hat keinen Plan“, meint die Generalsekretärin.
Für das Bundeskanzleramt funktioniere die Zusammenarbeit der Stellen allerdings gut. Mit neun Welterbestätten sei man derzeit gut aufgestellt. Die Welterbestätten werden dem Bundeskanzleramt von Ländern, Gemeinden oder Initiativen vorgeschlagen. Dieses erstellt dann eine „vorläufige Liste“. Nach der Nominierung prüfen der Internationale Rat für Denkmalpflege (Icomos) und die Weltnaturschutzunion (IUCN) die Bewerbung. Wird dieser stattgegeben und sie vom Antragsteller nicht zurückgezogen, ist der Weg frei. Bei einer Unesco-Konferenz werden die Welterbestätten schließlich ernannt. Die jeweiligen Länder verpflichten sich, ihr Welterbe zu schützen und zu bewahren. Sie haben teilweise auch die finanziellen Mittel zu tragen.
Der “außergewöhnliche universelle Wert“ ist es, der ein Welterbe überhaupt erst zu einem solchen macht. Genau dieser Wert birgt aber Fragen. „Ich glaube schon, dass man Gefahr läuft, beliebig zu werden“, sagt Sabine Ladstätter. Die Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts leitet die Grabungen im türkischen Ephesos, das erst kürzlich zum Welterbe ernannt wurde. Jedes Land müsste sich überlegen, ob die Stätte ein Weltkultur- und nicht bloß ein nationales Kulturerbe sei. (deda, dpa, APA)
Tirol hat kein Welterbe und drei Nominierungen zurückgezogen
Kandidaten: Der Nationalpark Hohe Tauern (2004), die Stadt Innsbruck und das Karwendel (2005) sowie die Münzprägung und Altstadt in Hall (2015) wurden in den vergangenen Jahren dem Bundeskanzleramt für das Unesco-Welterbe vorgeschlagen.
Die Nominierungen wurden allerdings wieder zurückgezogen. Tirol hat somit noch kein Weltkultur- oder Weltnaturerbe. Die Großglockner-Hochalpenstraße wurde vor Kurzem unter Denkmalschutz gestellt. Die Straßengesellschaft und die Länder Kärnten und Salzburg möchten die Straße nun als Weltkulturerbe anerkennen lassen.
Gründe: Bei den Hohen Tauern habe es zu wenig technische Daten gegeben. Der Innsbrucker Antrag sei aufgrund von Seilbahnprojekten zu bruchstückhaft gewesen, meint die Generalsekretärin der österreichischen Unesco-Kommission, Gabriele Eschig, gegenüber der TT. Aufgrund des Fundes von Überresten der Antriebsanlage einer historischen Walzenprägemaschine zog Hall die Nominierung vorerst zurück. Laut Eschig gibt es in Peru eine Münzprägung, die schon als Welterbe gelistet ist.