Tchibos schwieriger Weg zu besseren Arbeitsbedingungen
Hamburg (APA/dpa) - Der Hamburger deutsche Kaffee- und Handelskonzern Tchibo hat seit fast zehn Jahren Nachhaltigkeit als wesentlichen Besta...
Hamburg (APA/dpa) - Der Hamburger deutsche Kaffee- und Handelskonzern Tchibo hat seit fast zehn Jahren Nachhaltigkeit als wesentlichen Bestandteil seiner Firmenstrategie festgeschrieben. „Wir wollen ein zu 100 Prozent nachhaltiges Unternehmen werden“, meint Unternehmenschef Markus Conrad.
„Zum einen, weil wir aufgrund unserer Expertise und auch unserer Größe etwas bewegen können. Zum anderen, weil wir davon überzeugt sind, dass unser zukünftiger wirtschaftlicher Erfolg maßgeblich von einer nachhaltigen Geschäftspolitik profitieren wird.“
Auf diesem Weg ist Tchibo schon ein Stück vorangekommen, hat das ehrgeizige Ziel aber keineswegs erreicht. Ein Drittel des Tchibo-Kaffees kommt aus nachhaltigem Anbau und trägt ein entsprechendes Zertifikat. 80 Prozent der Textilien sind aus Bio-Baumwolle oder „Cotton made in Africa“, einer Initiative für afrikanische Baumwolle. Zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Lieferländern und der Regelung von Bezahlung, Arbeitszeiten, Sicherheit und Gesundheit setzt Tchibo auf ein Trainings- und Dialogprogramm mit dem Namen „Weltweite Verbesserung der sozialen Qualität (Worldwide Enhancement of social quality (WE)), bei dem Manager und Beschäftigte gemeinsam an Lösungen arbeiten, um die Arbeitsqualität zu verbessern.
„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Social Auditing nicht alles aufdeckt“, sagt Nanda Bergstein, bei Tchibo verantwortlich für Lieferantenbeziehungen und Nachhaltigkeit. Gemeint ist damit: Spezialisierte Dienstleister prüfen die Sozialstandards in den Unternehmen, zum Beispiel in Bangladesch, Vietnam oder Kambodscha. „Diese Dienstleister haben oft eigene kommerzielle Interessen; da ist ja eine ganze Branche entstanden“, sagt Berndt Hinzmann von der Initiative für saubere Kleidung („Clean Clothes Campaign“). Die Prüfer werden gern getäuscht und hinters Licht geführt.
Etliche Initiativen und Organisationen bemühen sich um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Lieferländern, so zum Beispiel die „Ethical Trading Initiative“, „Social Accountability International“ und die „Business Social Compliance Initiative“. Kein großes Unternehmen will sich Ausbeutung, überlange Arbeitszeiten und unzureichende Sicherheitsbedingungen in seinen Herstellerbetrieben und deren Zulieferern nachsagen lassen. Doch sind die Standards natürlich immer noch viel niedriger als in den etablierten Industrieländern. Deshalb wird ja dort produziert. In den Betrieben im WE-Programm sind die Löhne um 30 bis 50 Prozent gestiegen, haben aber dennoch kein existenzsicherndes Niveau erreicht. Auch um die Freiheit der Arbeiter, sich in Gewerkschaften zu organisieren, ist es in den Produktionsländern nicht gut bestellt.
Es ist für die Kundenunternehmen in den Industrieländern nicht leicht, ihre Lieferanten lückenlos zu kontrollieren und alle Verstöße gegen ihre Regeln zu erkennen. Dazu sind es zu viele Unternehmen, die für den Westen produzieren. Allein Tchibo unterhält regelmäßig oder sporadisch Lieferbeziehungen mit 1.200 Unternehmen aus Asien, früher waren es sogar mehr als doppelt so viele. Davon sind 320 Firmen in dem WE-Programm, die 75 Prozent aller Tchibo-Produkte herstellen. 40 Trainer gehen in die Unternehmen und stoßen Dialogprozesse zwischen Belegschaft und Management an. Im Idealfall werden Lösungen gefunden, die beiden Seiten nutzen, zum Beispiel bei den Arbeitszeiten. „Entscheidend ist die Bereitschaft der Eigentümer, sich auf Dialog und Verbesserungen einzulassen“, sagt die zuständige Tchibo-Managerin Bergstein. „Ihr Wort ist Gesetz.“
~ WEB http://www.tchibo.com/ ~ APA200 2015-07-22/11:45