Genuss

50 und kein bisschen schlecht

Nur weil ein Lebensmittel ein paar Jahre auf dem Buckel hat, ist es nicht gleich müllreif. Manche bräuchten gar kein Mindesthaltbarkeitsdatum, bestätigt ein AGES-Experte.

Von Elke Ruß

Linz –Was offiziell „Mindesthaltbarkeitsdatum“ heißt und auf eine potenziell länger­e Verwendbarkeit hinweist, nennt der Verbraucher gerne „Ablaufdatum“ – und assoziiert damit den automatischen Verfal­l. Auch aus diesem Grund landen Tonnen noch einwandfreier Produkte im Müll. Dabei gibt es etliche Lebensmittel, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) unnötig ist – oder wäre, bestätigt Leopold Pilsbacher vom AGES-Institut für Lebensmittelsicherheit in Linz.

1Salz bleibt Salz. – Tatsächlich, das Speise­salzpackerl in der Küche trägt einen „Mindestens haltbar bis“-Stempel. Den verlangt bei Salz (mit wenigen Ausnahmen) nicht einmal das Gesetz. Kanal, Meer, Fabrik – chemisch bleibt es immer derselbe Stoff, der einen Kreislauf durchläuft.

2 Für immer süß. – Auch Zucker hält „ewig“, sagt Pilsbacher. „Wir haben einmal Würfelzucker gehabt, der mehr als 50 Jahre alt war. Er hat sich nicht so schnell gelöst wie frischer, aber die Zuckerwirkung war die gleiche.“ Bei Honig sollen sogar Funde aus Pharaonengräbern noch genießbar sein. Pilsbacher schränkt ein: „Honig darf bis zu 20 Prozent Wasser enthalten – und es gibt ein paar Hefen, die Honig verderben können. Wenn aber ein Mikro­organismus in Honig reinkommt, wo wenig Wasser ist, dann wird ihm der Honig das Wasser entziehen und der Mikroorganismus wird zerplatzen“, erklärt er.

3 Hochprozentig konserviert. – Sogar Lebensmittelrechtlich kein MHD erforderlich ist bei Zuckerwaren wie harten Lutschbonbons und Kaugummi (der aus einer Baumharzbasis und Zucker besteht). Unnötig ist es weiters bei Getränken mit mehr als zehn Volumsprozent Alkohol und bei Essig (also verdünnter Essigsäure).

Die Kombination aus Zucker und Alkohol bewirkt auch, dass selbst historische Funde von Omas Marmelade in aller Regel noch gut sind: „Die Oma hat sicher im Verhältnis 1:1 eingekocht und beim Zurexen noch einen Schuss Schnaps dazugegeben“, sagt Pilsbacher. „Heikel“ ist er aber bei Schimmel. Abkratzen genüge nicht, „der Schimmel ist tief drin“.

4 Freiheit für die Nudeln. – Mikroorganismen haben einen gewissen Wasser­aktivitätswert, ohne ein Minimum an Feuchtigkeit können sie nichts ausrichten. Auf gekochtem Reis und Nudeln können selbst im Kühlschrank nach einem Tag üble Bazillen wachsen, die Brechdurchfall verursachen. Doch gut verschlossen gelagerte Trockenprodukte wie Maisstärke, Teigwaren und Reis bieten keine Angriffsfläche. Schweden und die Niederlande starteten deshalb 2014 einen Vorstoß auf EU-Ebene, das MHD auch für Nudeln, Reis und Kaffee zu kippen.

„Trockene Teigwaren halten zwei bis drei Jahre“, sagt Pilsbacher dazu. Das gelte auch für mit Spinat und Paprika eingefärbte Nudeln, „die können aber in der Sonne ausbleichen“. Das ist ein Grund, warum Hersteller „oft nur die Hälfte der möglichen Haltbarkeit angeben“: Sie wollen sicherstellen, dass das Produkt bis zum MHD seine charakteristischen Eigenschaften (Farbe, Konsistenz, Geschmack) behält.

Den Verdacht, Hersteller würden gern kürzere Fristen nennen, damit der Konsument Produkte öfter austauscht, bestätigt Pilsbacher nicht. Auf der anderen Seite stehe ja auch der Händler. „Und der sagt: Wenn du lieferst, will ich noch drei Monate Lagerzeit – von fünf Monaten insgesamt.“

5 Nicht verwechseln. – Keine Diskussion gibt es bei Lebensmitteln, die den Aufdruck „Zu verbrauchen bis“ tragen. Das sind leicht verderbliche Waren wie z. B. Fisch und Fleisch. Hier ist von Selbstversuchen abzuraten.

6Es darf ein bisserl mehr sein. – „Das Mindesthaltbarkeitsdatum kann immer überschritten werden“, versichert der Experte. Es gilt: Je länger die Lagerfähigkeit, desto mehr kann man überziehen. „Ein Joghurt, das 20 Tage Haltbarkeit hat, würde ich nicht um 15 Tage überschreiten.“ Bei intakter Kühlkette kann aber ein original verpacktes Schlagobers noch Wochen später gut sein. „Eher kriegt man beim Schlagen ein bisschen Probleme, aber wenn es nicht ranzig schmeckt, ist es in Ordnung. Eine Vollkonserve, die bis Mitte 2017 hält, ist mit relativ hoher Sicherheit auch Mitte 2018 noch okay.“

„Wir schmeißen zu viel weg, das noch in Ordnung ist“, sagt Pilsbacher und rät, sparsamer einzukaufen. Wir müssten auch wieder lernen, mehr auf Auge, Nase und Zunge zu vertrauen. Initiativen, um den Umfang der Produkte ohne Mindesthaltbarkeit auszuweiten, begrüßt er: „Das MHD als Richtschnur durchzubringen, wo dann der Konsument die Verantwortung hat, zu schauen, ob etwas noch gut ist, bringt man nicht durch.“

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