Politik ringt um Milchlösung, Proteste gegen den Handel
Neue Märkte in China und in den USA sollen den Verfall des Milchpreises stoppen. Politik und Kammern fordern vom Handel fairen Wettbewerb.
Gnadenwald – Ratlosigkeit ist den Landwirtschaftskammerpräsidenten aus den Ländern und den Agrarpolitikern nach dem Milchgipfel in Gnadenwald ins Gesicht geschrieben. Obwohl die Milchanlieferungsmenge unter dem Niveau des Vorjahres liegt, fallen die Preise. Das Ende der Milchquote ist jedoch nicht der Hauptgrund. Vielmehr wirkt sich die Konzentration im Handel massiv auf die Erzeugerpreise aus. „Wir bewegen uns auf einem dramatisch niedrigen Niveau. Wir müssen uns einem Wettbewerb stellen, der nicht fair ist“, sagt der Vorsitzende der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Hermann Schultes. Verlierer seien die bäuerlichen Familien.
Es sind auch die Russland-Sanktionen, wie Schultes, Agrarminister Andrä Rupprechter, Tirols Landwirtschaftskammerpräsident Josef Hechenberger und Agrarreferent LHStv. Josef Geisler (VP) feststellen. Dass sich die heimische Landwirtschaft nicht auf die Marktgegebenheiten vorbereitet habe, stimme so nicht. „Wir liefern ausgezeichnete Qualität, aber erhalten dafür nicht die entsprechenden Preise“, sagt Hechenberger. Informveranstaltungen vor den Handelsketten schließt er nicht aus, wie schon 2008 könnte es zu Protestaktionen kommen. Gestern haben Bauernbund und Jungbauernschaft in Tirol bereits damit begonnen. Aber welche Maßnahmen wollen Politik und bäuerliche Interessenvertreter konkret setzen?
Rupprechter verweist auf die Verlängerung der erlaubten Lagerhaltung oder die Erhöhung des Interventionspreises. Im Herbst wird es auch einen Marketingschwerpunkt im Milchbereich geben. „An unserer Qualitätsstrategie halte ich weiterhin fest. Mit unseren verschiedenen Qualitätsprogrammen gibt es für unsere hochwertigen Produkte auch viel Potenzial im Export. Um diese Marktchancen zu nützen, habe ich eine Exportservicestelle geplant“, betont der Landwirtschaftsminister. In China und in den USA will die heimische Landwirtschaft reüssieren. Bei einem EU-Sonder-Agrarrat am 7. September zur Milchpreis-Krise will der Minister Brüssel ebenfalls in die Pflicht nehmen.
Im öffentlichen Bereich soll übrigens für österreichische Lebensmittel das Bestbieterprinzip gelten, Rupprechter kündigte eine entsprechende Gesetzesnovelle an. Dem Erlass des französischen Staatspräsidenten François Hollande, dass öffentliche Institutionen nur noch mit einheimischen Lebensmittel beliefert werden dürfen, kann er wenig abgewinnen. „Das ist wahrscheinlich auch EU-rechtlich nicht ganz vereinbar.“
Die offene Konfrontation mit dem Handel lehnt Agrarreferent Geisler ab. „Mir ist Bewusstseinsbildung lieber. Ich bevorzuge Kooperationen mit der Gastronomie, dem Tourismus sowie den öffentlichen Großküchen. Hier gibt es noch viel Luft nach oben.“ Bauernkammerchef Josef Hechenberger pflichtet ihm bei. „In Tirol müssen endlich die Regierungsversprechen eingelöst und regionale Produkte in den öffentlichen Einrichtungen verkocht werden, davon würden die Bauern massiv profitieren.“ Heuer verlieren sie jedoch vorerst rund 20 Mio. Euro beim Milchgeld. (pn)