Chemie-Nobelpreis für drei Erbgut-Forscher
Die Wissenschafter Tomas Lindahl, Paul Modrich und Aziz Sancar erhalten heuer den Nobelpreis für Chemie. Sie haben die Mechanik der DNA-Reparatur in Zellen untersucht.
Stockholm – Drei Forscher werden dieses Jahr mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet: Tomas Lindahl, Paul Modrich und Aziz Sancar. Der Preis wird den Wissenschaftern für ihre Arbeit über „die Werkzeuge, die Zellen haben, um DNA zu reparieren“ zuerkannt.
Tagtäglich wird unsere DNA beschädigt – durch UV-Strahlen, freie Radikale und andere krebserregende Substanzen. Aber auch ohne äußere Einflüsse ist die DNA in sich selbst instabil. Tausende spontane Veränderungen passieren täglich im menschlichen Genom. Schließlich können auch Schäden entstehen, wenn das Erbgut bei der Zellteilung kopiert wird. Im Körper werden jeden Tag mehrere Millionen Zellen neu gebildet. Damit das genetische Material sich nicht völlig auflöst oder in „chemischem Chaos“ auflöst, gibt es diverse molekulare Systeme, die ständig die DNA überwachen und reparieren.
„Die drei diesjährigen Nobelpreisträger haben aufgezeichnet, wie einige dieser Reparatur-Systeme auf molekularer Ebene funktionieren“, heißt es in der Begründung der Nobel-Jury. „Sie haben fundamentale Einblicke geliefert, wie Zellen funktionieren, Wissen, dass zum Beispiel für neue Krebs-Therapien genutzt werden kann.“
Enzyme, die geschädigtes Erbgut reparieren
Der Schwede Tomas Lindahl (77) war Leiter der Britischen Krebsforschung am Clare Hall Laboratory in Hertfordshire. Er entdeckte, dass die DNA sich so schnell zersetzt, dass sich eigentlich kein Leben auf der Erde entwickeln hätte können. Er machte sich auf die Suche und fand ein Molekular-System, das unaufhörlich gegen den Kollaps unseres Erbguts arbeitet: Beim so genannten „Base excision repair“ werden fehlerhafte Nukleinbasen, aus denen die DNA sich zusammensetzt, gefunden und von Enzymen aus der Helix entfernt. Anschließend werden die Lücken in einem Prozess wieder geschlossen.
Paul Modrich (79) forscht am Howard Hughes Medical Institute an der Duke University in den USA. Wenn Zellen sich Teilen wird die DNA kopiert. Dabei kann es zu Fehlern kommen. Modrich hat herausgefunden, wie diese behoben werden. Auch hier entdecken Enzyme die Falschen Paarungen, schneiden sie heraus. Die sogenannte DNA-Polymerase füllt die Lücke auf, das Erbgut ist wieder intakt.
Erster Wissenschafter aus der Türkei geehrt
Aziz Sancar hat seine Studien an der University of North Carolina School of Medicine durchgeführt. Mit ihm wird erstmals ein Wissenschaftler mit dem Nobelpreis ausgezeichnet, der aus der Türkei stammt. Er 1946 wurde in Savur im Südosten des Landes geboren. Seine Eltern waren Analphabeten. Sancar ging schon früh in die USA, wo er noch heute forscht.
Er hat herausgefunden, wie DNA-Schäden, die durch UV-Strahlung oder Zigarettenrauch entstehen, behoben werden. Ein Enzym findet dabei die geschädigte Stelle im Strang. Ein Stück bestehend aus zwölf Nucleotiden, wird herausgeschnitten und anschließend durch neue ersetzt.
Die höchste Auszeichnung für Chemiker ist mit umgerechnet rund 850.000 Euro (acht Millionen Schwedischen Kronen) dotiert. Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.
Tomas Lindahl hat die Nachricht von derAuszeichnung überrascht. „Ich wusste, dass ich über die Jahre für denPreis in Betracht gezogen worden bin, aber das sind hundert andere genauso“, sagte der per Telefon aus London zugeschaltete Forscher bei der Nobel-Pressekonferenz. „Ich fühle mich sehr glücklich und bin stolz darauf, heute ausgewählt worden zu sein.“ (TT.com, smo)