Aufsichtsrat kürt Hans Dieter Pötsch zum neuen VW-Chefkontrolleur
Bereits am Mittwoch Früh hatte das zuständige Gericht den Weg für Pötsch-Wahl ohne Hauptversammlung freigemacht .
Braunschweig – Erwartungsgemäß hat der Aufsichtsrat von Volkswagen den bisherigen Konzern-Finanzchef Hans Dieter Pötsch zu seinem neuen Vorsitzenden gewählt. Dies teilte das Unternehmen am Mittwoch nach einer weiteren Krisensitzung des 20-köpfigen Kontrollgremiums in Wolfsburg mit. Pötsch löst damit den seit Ende April übergangsweise amtierenden Berthold Huber ab.Sym
Der frühere IG-Metall-Chef Huber hatte den Posten im Frühjahr vom zurückgetretenen VW-Patriarchen Ferdinand Piech übernommen.
In der Früh hatte das Amtsgericht Braunschweig die Wahl von Pötsch durch einen Beschluss erst möglich gemacht. Das Gericht ernannte den 64-jährigen Österreicher auf Antrag des VW-Präsidiums zum Mitglied des Aufsichtsrats - befristet bis zur nächsten, noch nicht terminierten VW-Hauptversammlung. Dort soll dann - wie bereits von Aktionärsvertretern verlangt - die offizielle Wahl von Pötsch durch die stimmberechtigten Anteilseigner nachgeholt werden.
Für Pötsch muss auf der Kapitalseite des Aufsichtsrates Julia Kuhn-Piech ihren Platz räumen. Die Nichte von Ferdinand Piech war im Mai nach dessen Rücktritt übergangsweise in das Gremium aufgerückt. Die Wahl von Pötsch war bis zuletzt umstritten, da dessen Rolle in der Abgas-Affäre nicht zweifelsfrei geklärt ist.
Der in Traun (Oberösterreich) geborene 64-jährige schloss sein Studium an der technischen Hochschule Darmstadt als Diplom-Wirtschaftsingenieur ab und kam 1979 zum Münchner Autobauer BMW. Dort stieg er zum Hauptabteilungsleiter „Konzerncontrolling im Zentralen Controlling“ auf. 1987 verließ er BMW und wechselte zur Trumpf GmbH, einem Maschinenbau- und Industrielaserhersteller in Ditzingen bei Stuttgart mit damals knapp 3.000 Mitarbeitern. Er war dort Geschäftsführer Finanzen und Strategie. Die Anlagen von Trumpf werden auch in der Autoindustrie eingesetzt.
1991 wechselte Pötsch dann an die Spitze des Reichenbacher Industriemaschinenherstellers Traub AG. 1995 übernahm er schließlich als Vorstandsvorsitzender die Verantwortung bei der Dürr AG. 2003 kam der als Kunst- und Fußballfan geltende Familienvater zu Europas größtem Autobauer Volkswagen.
Der Herr der Zahlen
Wenn andere Vorstandsmitglieder bei Messen oder Pressekonferenzen ins Rampenlicht traten, hielt sich Hans Dieter Pötsch meist lieber im Hintergrund. Als "Herr der Zahlen" agierte Volkswagens erfahrener Finanzchef bisher eher hinter den Kulissen. Sein Einfluss im und sein Überblick über den riesigen Weltkonzern waren dabei aber stets beträchtlich.
Die Benennung zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates und Nachfolger des abgetretenen Patriarchen Ferdinand Piech - zunächst ohne offizielle Wahl durch die Hauptversammlung - bringt den 64-Jährigen nun in eine noch mächtigere Position.
Das sorgt bei einigen Skeptikern für Stirnrunzeln. Denn noch - so etwa der Einwand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) - sei gar nicht zweifelsfrei geklärt, dass der Manager in der Affäre um manipulierte Abgaswerte selbst keinerlei Mitverantwortung trage. Und auch dass Pötsch direkt von einem Vorstandsamt ohne "Abkühlphase" in das Kontrollgremium wechselt, stößt manch einem Beobachter sauer auf.
Dabei ist Pötschs Renommee als Kapitalmarkt- und Automobil-Kenner unbestritten. Der gelernte Wirtschaftsingenieur kam nach dem Diplom zunächst 1979 zu BMW. 1987 verließ er die Münchner als Controlling-Chef, es folgten Stationen beim Laser-Spezialisten Trumpf, Maschinenhersteller Traub und Lackieranlagenbauer Dürr.
2003 kam Pötsch als Finanzvorstand zu Volkswagen, er gilt als enger Vertrauter des über die Abgas-Affäre gestolperten Ex-Vorstandschefs Martin Winterkorn. Zusätzlich zu diesem Job rückte Pötsch 2009 in den Vorstand der Porsche-Holding Porsche SE auf, die die Mehrheit an VW hält. Dort war er ebenfalls für das Ressort Finanzen zuständig.
Der als kontrolliert und besonnen beschriebene, aber auch mit Teamgeist ausgestattete Oberösterreicher war für Volkswagen in vielen entscheidenden Momenten zur Stelle. So gilt Pötsch als einer der Architekten hinter der vollständigen Übernahme von Porsche durch den VW-Konzern im August 2012 - auch wenn das gewählte Konstrukt über eine spezielle Regel im Steuerrecht mit großer Steuerersparnis Kritik auf sich zog. (APA, dpa)