Warum es Schutzbauten braucht
Zum ersten Mal in Osttirol veranstaltete die Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) einen Tag der offenen Baustelle. In Nußdorf-Debant zeigten die Verantwortlichen zukunftssichernde Maßnahmen.
Von Christoph Blassnig
Nußdorf-Debant –Die Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) ist eine Einrichtung des Bundes. In den Bundesländern bestehen jeweils Sektionen. Osttirol ist eines der fünf Teilgebiete der „Wildbach“-Sektion in Tirol, mit einer eigenständigen Gebietsbauleitung, der Otto Unterweger vorsteht.
An die Murenkatastrophen in der Wartschensiedlung erinnert eine Tafel am Wegkreuz in der Lienzer Straße. Am 6. August 1995 schob sich aus dem Gerinne des Wartschenbaches eine 40.000 Kubikmeter große Mure in die Siedlung am Auslauf. 16 Häuser und ein Bauhof wurden beschädigt oder zerstört. Nur zwei Jahre und wenige Tage später rollten am 16. August 1997 erneut 45.000 Kubikmeter durch die Wohnsiedlung. Kaum waren die gröbsten Massen entfernt, folgte Wochen später, am 6. September 1997, ein dritter Murgang in weniger als drei Jahren: noch einmal 35.000 Kubikmeter Material. „1960 stand in der Wartschensiedlung kein einziges Haus“, weiß Otto Unterweger, Gebietsbauleiter der WLV Osttirol. „Ein Schreiben aus unserem Haus mit der eindringlichen Warnung, dass der Wartschenbach ein schlafender Riese sei und Handlungsbedarf besteht, wurde ignoriert.“ Geplante große Auffangbecken seien in den 80er-Jahren verhindert worden. Die WLV stieß damals auf wenig Sympathie und war sogar mit Vorwürfen konfrontiert, sie wolle aus einem Bächlein künstlich einen Wildbach machen.
„Man muss dazu sagen, dass der Mensch in zu kurzen Zeitabständen denkt“, sagt Gebhard Walter, Sektionsleiter-Stellvertreter in Tirol. Nach Jahrzehnten günstiger Wetterperioden wollte man damals nicht mehr an verheerende Murenereignisse glauben. Der Siedlungsdruck und damit das Gezerre um höher verwertbare Widmungsflächen würden speziell in Tirol eine Tatsache bleiben, der man sich mit Verantwortung stellen müsse, so Walter. „Das sieht man in Nußdorf-Debant an den beiden großen Auffangbecken für den Dorf- und den Wartschenbach im Talboden, die hinter aufgeschütteten Dämmen zusammen 70.000 Kubikmeter fassen und das Wasser dosiert ableiten können.“ Landwirtschaftliche Flächen wie diese mit ihren Schutzfunktionen seien zu erhalten und der unbedachten Verbauung raumplanerisch Einhalt zu gebieten.
Heuer noch wird erstmals ein vollständiger Gefahrenplan aller Tiroler Gemeinden fertig gestellt und darin Risikoflächen ausgewiesen. „Die EU hat auch ihr Gutes, wie man an der zugrundeliegenden Hochwasserrichtlinie sieht“, so Walter.
Nun führte die WLV in Nußdorf-Debant alle Interessierten zu aktuellen und bereits abgeschlossenen Baustellen an Gemeindegewässern. Von der Hochwasser-Rückhalteanlage nördlich des Fachmarktzentrums ging es zu Fuß zum Mündungsbecken des Dorfbaches, das im Bedarfsfall über ein zusätzliches Ein-Meter-Rohr entleert wird.
Am Zwieslingbach betoniert man gerade eine von zwei Geschiebe-Rückhalteanlagen, begleitet von Sohl- und Ufersicherungsmaßnahmen. 1,5 Mio. Euro werden allein dort bis zur Fertigstellung 2018 verbaut.
Schon seit 2012 sind die Arbeiten am Dorfbach abgeschlossen. 13 Konsolidierungssperren im Mittellauf schützen seither vor Erosion und damit vor einer Geschiebemobilisierung. „Ein Fangnetz im Flusslauf und weiter darunterliegende Holzbarrieren zeigen, wie sich moderne heutige und übernommene frühere Schutzmaßnahmen sinnvoll zu einem Gesamtkonzept kombinieren lassen“, erklärte Otto Unterweger.
Letzte Station am Tag der offenen Baustelle war eine Brücke am Wartschenbach. „Weiter oben gehen wir einen ganz neuen Weg“, führte Unterweger aus. „Anstatt die Becken nach jedem Ereignis um 250.000 Euro auszuräumen, bauen wir um diesen Betrag gleich oberhalb eine neue Sperranlage.“ Zehn solcher Sperren sind bereits genehmigt und werden nach Bedarf errichtet werden. Mit der Zeit wird so die Bachsohle gesichert und wieder ange- hoben.