Burghart Klaußner empfindet „schon auch Bewunderung“ für Politiker

Wien (APA) - Dauerrauchend, hustend, immer gehetzt und gequält wirkend - gleichzeitig hartnäckig, aufsässig und kaum abzuschütteln - so präg...

Wien (APA) - Dauerrauchend, hustend, immer gehetzt und gequält wirkend - gleichzeitig hartnäckig, aufsässig und kaum abzuschütteln - so prägt Burghart Klaußner mit wehendem weißen Haar als deutscher Generalsstaatsanwalt Fritz Bauer den Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“, der heute, Freitag, in den österreichischen Kinos startet. Vor der gestrigen Österreich-Premiere traf die APA den 66-Jährigen zum Interview.

Noch vor wenigen Jahren hatte der gebürtige Berliner, der u.a. für die Rolle des mit salbungsvollen Predigten und bereitliegendem Ochsenziemer ein familiäres Schreckensregiment führenden Pastors in Michael Hanekes „Das weiße Band“ viel Lob erhielt, das Gefühl, auf Vaterfiguren abonniert zu sein. „Das Fatum der Vaterfiguren ist diesmal über mich hinweggezogen“, schmunzelt Klaußner. Dafür spielt er nun - diesmal nach einem wahren Vorbild - nicht zum ersten Mal einen Juristen. „Juristen tauchen tatsächlich immer wieder auf, aber Sie dürfen nicht vergessen, es gab auch einen Schlosser in ‚Requiem‘, es gab einen Maurer in ‚Kinderspiele‘ - es gab Gott sei Dank immer wieder Gelegenheiten, dieses bäuerliche Gen meiner Herkunft zu aktivieren.“

Der Film von Lars Kraume arbeitet ein bitteres Kapitel deutscher Zeitgeschichte auf: den Kampf des damaligen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer (1903-1968) um eine juristische Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Hitler-Diktatur. „Bis 1963 waren 80 Prozent der Angehörigen des Justizapparates in Deutschland ehemalige Nationalsozialisten oder zumindest Angehörige auch schon im Dritten Reich gewesen. Es ist kaum ein Mitglied des Justizapparates belangt worden. Die Justiz hat immer wieder - ich nehme an, in Österreich war es genauso - Wege gefunden, Strafvereitelung zu betreiben“, sagt der Schauspieler, der sich immer wieder fundiert mit deutscher Geschichte beschäftigt, bei dieser Arbeit aber auch manches Neue erfahren hat.

„Überrascht hat mich erstens die Tatsache, dass der Tipp an den Mossad, dass Eichmann in Argentinien sitzt, von Fritz Bauer kam. Das wusste niemand. Das weiß auch bis heute fast niemand. Das ist der eigentliche Aufhänger erzählerischer Art für unseren Film über Fritz Bauer, denn der ganze Auschwitz-Prozess ist in einem Film nicht erzählbar. Überrascht hat mich außerdem die Tatsache, dass Bauer so auf verlorenem Posten stand, in einem derartigen Ausmaß allein war im Apparat.“

Der Film ist aber auch ein ästhetisch brillantes Porträt der moralischen Engstirnigkeit der 50er Jahre, die dem homosexuellen Staatsanwalt schwer zu schaffen machte und seinen Gegnern einige Handhabe bot. „Das ist so ähnlich wie mit dem Grundgesetz, das angeblich sofort danach die Demokratie ausgelöst hat. Natürlich war es nicht so, dass 1949 in Deutschland mit einem Schlag eine liberale Gesellschaft ausbrach. Ähnlich verhält es sich mit dem Komplex Homosexualität, der für uns deshalb eine solche Rolle spielt, weil er quasi als stilistisches Mittel eine ganze Zeit-Repression charakterisiert.“

Heute sei die Gesellschaft ungleich liberaler, doch man dürfe sich nicht darauf verlassen, dass die Situation nicht kippen könne, meint der Schauspieler, der grundsätzlich optimistisch ist: „Ich sehe eine Gesellschaft, die sich auf erstaunlichste Weise offen zeigt, nachdem es sich ja vorher ganz anders zu entwickeln schien, mit Pogromen und Brandstiftungen. Ich sehe, dass eine große Zahl von jüngeren Leuten geradezu danach dürstet, etwas Gutes zu tun, nämlich zu helfen. Mir ist aber nicht ganz klar, ob hinter dieser ganzen Fluchtbewegung auch eine Strategie gewisser Großmächte steckt. Da gibt es viele schwierige Fragen. Die entscheidende Frage ist aber natürlich: Wird Europa zu einer Stimme finden?“

Angela Merkels „Wir schaffen das“ sei „natürlich“ die richtige Ansage gewesen. „Das Gegenteil wäre: Wir schaffen das nicht, und das gibt es in meinem Leben sowieso nicht.“ In dem ARD-Mehrteiler „Die Stadt und die Macht“, der 2016 ausgestrahlt werden soll, spielt Klaußner selbst einen Politiker: „Das ist nur eine kleine Rolle. Das ist eine Politikbetriebs-Geschichte, ein bisschen orientiert an ‚Borgen‘, nur spielt sie in Berlin. Mir hat das Spaß gemacht, auch wenn es ein bisschen holzschnittartig ist. Gezeigt werden Leute aus dem Mittelbau, die alle irgendwelche Altlasten mit sich rumschleppen.“ „Ich empfinde schon auch Bewunderung für die Leute, die jetzt in Verantwortung sind. Ich finde es ziemlich lobenswert, sich der gesellschaftlichen Verantwortung zu stellen, die es bedeutet, Politiker zu sein.“

Eine Verantwortung spürt Burghart Klaußner auch angesichts seiner Inszenierung des Gerichtsdramas „Terror“ von Ferdinand von Schirach, die er im Jänner 2016 im Schauspielhaus Dresden herausbringen wird. „Das in Dresden zu machen, einer Stadt des wiederauflebenden Rechtsradikalismus, wird eine besondere Verantwortung sein. Es ist eine hoch gewaltbereite Menschenmenge, die sich da inzwischen jeden Montag versammelt. Das ist nicht mehr zivilisiert, das ist auch nicht demokratisch im Auftreten und Argument. Das ist einfach gewaltbereiter Mob. Die Politik versagt da weitestgehend und tritt dem nicht entschieden genug entgegen. Das ist besorgniserregend.“

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - www.derstaatgegenfritzbauer.de)

(B I L D A V I S O - Bilder von Klaußner sind im AOM abrufbar.)