Dieselgate

Drei Wochen Abgasskandal: Die gesamte VW-Welt steht Kopf

Volkswagen stürzte mit dem Skandal in eine tiefe Krise.
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Mythos VW: Lange war der Autogigant ein Vorzeigeunternehmen. Das ist vorbei. Das Image ist ramponiert, Vertrauen verloren. Was bleibt, ist ein Konzern im Krisenmodus und das wohl für ziemlich lange Zeit.

Wolfsburg - Am Anfang war es die verzweifelte Suche von VWnach einem Ausweg aus dem Absatz-Dilemma auf dem US-Markt. Am Ende ist es die größte Krise der Konzerngeschichte. Auch drei Wochen nach Bekanntwerden der massenhaften Manipulationen an Diesel-Fahrzeugen sind noch viele Fragen offen. Wer wusste seit wann von den Betrügereien? Wer hat sie veranlasst? Wie teuer wird der Skandal für VW? Sind am Ende gar Jobs von den 600.000 Beschäftigten in Gefahr?Und vor allem: Wie reagieren die Kunden?

„Dreckige“ Geschichte in den USA

Nur eines steht bislang fest:Das nach der Affäre um Schmiergelder und Lustreisen auf Firmenkosten vor zehn Jahren wieder aufgebaute gute Image ist dahin. „VW wird einen hohen Preis für dieses dreckige kleine Geheimnis bezahlen“, sagt ein amerikanischer Abgeordneter am Donnerstag, als VW-US-Chef Michael Horn vor einem Kongressausschuss ins Kreuzverhör genommen wird.

„Clean Diesel“ Die „dreckige“ Geschichte beginnt vor zehn Jahren. Damals hat VW massive Probleme in den USA. Eine Wende muss her. Wie auch andere deutsche Autobauer kommt VWauf die Idee, in den Vereinigten Staaten mit Dieselfahrzeugen zu punkten. Die hat die US-Konkurrenz nicht im Angebot, außerdem steigen damals die Sprit-Preise. Das Problem: der Diesel gilt vielen Amerikanern als Dreckschleuder.

VW propagiert also den „Clean Diesel“. Dann aber passiert das, was nun als „Dieselgate“ die Autowelt in Atem hält. Denn die Vorgabe aus Wolfsburg lautet, die Diesel-Autos trotz der schärferen Abgaswerte in den USA kostendeckend anzubieten, wie es in VW-Konzernkreisen heißt. Die Einhaltung dieser Grenzwerte, zumindest auf dem Prüfstand, sei aber nur mit Hilfe der Manipulations-Software möglich gewesen. VW verzichtet also darauf, eine bestimmte Technologie zur Abgasreinigung in die Autos einzubauen - das wäre zu teuer gewesen. Ein folgenschwerer Fehler.

Wann genau die Entscheidung zum Einbau der Manipulations-Software in Diesel-Fahrzeugen fiel, ist unklar. Wer sie gefällt hat auch. In Wolfsburg heißt es, das dies bereits in den Jahren 2005 und 2006 geschehen sei. Die damaligen Konzernoberen, VW-Chef Bernd Pischetsrieder und Markenchef Wolfgang Bernhard bestreiten aber vehement, etwas vom Einbau der Software gewusst zu haben.

Passiert ist es trotzdem. Und nicht nur einmal. Mit Hilfe der Software manipulierte VW von 2009 bis 2015 die Abgaswerte in US-Dieselfahrzeugen mit dem Motor EA 189. Sage und schreibe elf Millionen Mal wird die Betrugs-Software weltweit installiert - auch wenn VW sagt, in den meisten Fällen sei sie nicht eingeschaltet gewesen - „Dieselgate“ ist geboren.

Interne und externe Untersuchungen

Wer aber traf die Entscheidung zum Einbau der Manipulations-Software? Die VW-Spitze sagt: „Nur einige wenige Mitarbeiter.“ So hat es der neue Konzernchef Matthias Müller ausgeführt. „Genau werden wir das natürlich erst wissen, wenn in einigen Wochen die Ergebnisse der internen und externen Untersuchung vorliegen.“

Vier Mitarbeiter sind bisher beurlaubt worden, davon drei Vorstände - darunter der frühere VW-Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer. Neußer wurde im Frühjahr 2014 vom US-Statthalter Horn, damals frisch im Amt, über mögliche Verstöße gegen US-Emissionsregeln informiert, wie es in Konzernkreisen unter Berufung auf die interne Revision heißt.

Horn selbst hatte dem Kongressausschuss gesagt, ihm sei damals auch mitgeteilt worden, dass die US-Umweltbehörde EPA Strafen verhängen könnte. Zuvor hatte 2014 eine Studie der Organisation International Council on Clean Transportation sowie der Universität West Virginia die erhöhten Emissionswerte bei VW-Modellen aufgedeckt.

Wie die Informationskette bei VW im Frühjahr 2014 dann weitergeht, ist bisher nicht bekannt. Informierte Neußer, dessen Anwältin dazu nichts sagen will, auch die VW-Spitze? Horn sagte vor dem Kongress aus, er habe von den gezielten Manipulationen des Autobauers bei den US-Abgasmessungen erst vor wenigen Wochen erfahren, im September. Ex-Konzernchef Martin Winterkorn sagte in seiner Rücktrittserklärung, er sei sich „keines Fehlverhaltens“ bewusst.

Fakt ist: Nun drohen Milliardenschäden, über Summen von 40 oder 50 Milliarden wird spekuliert. Ein „Kulturwandel“ wird ausgerufen, es soll mehr Transparenz geben - einNeustart intern und extern.

Die Ära von Ferdinand Piëch als Aufsichtsratsboss und Winterkorn als Vorstandschef ist Geschichte. Piëch hat dem Konzern bereits im Frühjahr nach einem internen Machtkampf mit Winterkorn den Rücken gekehrt, Winterkorn trat vor zwei Wochen auf Druck des VW-Aufsichtsratspräsidiums zurück. Aber ist damit auch der bisherige, zentralistische Führungsstil aus dem riesigen VW-Imperium verschwunden? Ist das „Klima der Angst“, wie es nun genannt wird, schon vergessen?

VW-Städte in Alarmbereitschaft

Der neue Konzernchef Müller, will „jeden Stein“ umdrehen. Alle Investitionen stehen auf dem Prüfstand, die Struktur des Konzerns sowieso. Und VW-Städte wie Wolfsburg und Braunschweig sind längst in Alarmbereitschaft und haben ihre Haushaltsplanungen verschoben.

Der Neuanfang aber ist schwierig. In Wolfsburg fallen nun Sätze wie: „Die Treppe wird von oben geputzt.“ Bei Mitarbeitern herrscht Angst um den eigenen Job. Die gesamte VW-Welt wird derzeit auf den Kopf gestellt. Denn nicht nur die interne Revision fahndet, sondern auch die Staatsanwaltschaft.

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