Militärparade in Pjöngjang: Entschärfte Machtdemonstration
Pjöngjang/Seoul (APA/dpa) - Zum 70. Geburtstag von Nordkoreas Arbeiterpartei verzichtet das Regime auf den befürchteten Raketentest - Tauwet...
Pjöngjang/Seoul (APA/dpa) - Zum 70. Geburtstag von Nordkoreas Arbeiterpartei verzichtet das Regime auf den befürchteten Raketentest - Tauwetter im Atomkonflikt ist deshalb aber längst nicht in Sicht.
Zuerst treten Bataillone von Soldaten an, dann zieht eine endlose Schlange von Panzern und anderem Militärgerät vorbei. Kurz darauf verwandelt sich der Kim-Il-sung-Platz im Herzen von Pjöngjang in ein Meer von Menschen, die über ihren Köpfen mit Plastikblumen wedeln und ihrem jungen Führer Kim Jong-un ekstatisch zujubeln. Zehntausende Fackelträger, die dann übernehmen, lassen sich nicht mal vom Starkregen stoppen, der über ihnen niederprasselt.
Es war wie erwartet ein gewaltiger, teilweise bizarrer Zirkus, den das Regime in Nordkorea zum 70. Gründungstag der herrschenden Arbeiterpartei aufgeführt hat. Natürlich eine Machtdemonstration. Allerdings eine, die am Ende doch nicht so folgenreich ausfiel, wie befürchtet.
Auf den ganz großen Knall verzichtete Pjöngjang am Samstag dann doch: Vor dem Gründungsgeburtstag hatte das Regime mehrfach angedeutet, pünktlich zu den Feierlichkeiten einen Satelliten ins All schießen zu wollen.
Südkorea befürchtete gar, das Nachbarland könne zu dem eine Langstreckenrakete oder sogar einen Atomtest unternehmen. Auch Washington meldete sich zu Wort und warnte, Nordkorea sei technisch in der Lage, mit einer Atomrakete die USA zu treffen. Nordkorea hatte seit 2006 bereits drei Tests mit Atomwaffen durchgeführt, auf die der UN-Sicherheitsrat jedes Mal mit schärferen Sanktionen reagierte.
Aus Sicht von Nordkorea-Experten ist das nun ausgefallene zusätzliche Geburtstags-Feuerwerk jedoch nicht als Zeichen der Entspannung zu werten. „Einen neuen Test kann es jederzeit geben. Nordkorea war da nicht unbedingt auf den Gründungsgeburtstag festgelegt“, sagt der chinesische Nordkoreafachmann Zhang Lianwei. „Pjöngjang wird nicht auf seine nukleare Ambition verzichten, auch wenn es dafür noch weitere Sanktionen in Kauf nehmen muss.“
Daran werden wohl auch die Gespräche in Pjöngjang zwischen Kim Jong-un und Liu Yunshan nichts ändern, der Nummer fünf der mächtigsten Politiker Chinas. Liu Yunshan versuchte seinen Gastgeber zu überzeugen, wegen der Atomfrage endlich wieder Gespräche mit der internationalen Gemeinschaft aufzunehmen. Eine Forderung, der Pjöngjang kaum nachkommen wird.
Dass sich Kim Jong-un und sein chinesischer Gast allerdings nicht nur gemeinsam zeigten, sondern das Volk sogar Hand in Hand grüßten, deutet zumindest auf eine leichte Entspannung des zuletzt abgekühlten Verhältnisses der beiden Nachbarstaaten hin.
Als Peking Anfang Oktober selbst zu einer großen Militärparade lud, ließ Nordkorea seinen wichtigsten Devisenbringer noch eiskalt abblitzen: Der „geachtete Marschall“ sei sehr beschäftigt, ließ Pjöngjang ausrichten. Es sind solche Aktionen, die Kim bei vielen Beobachtern den Ruf eingebracht haben, zu jung und unreif für eine berechenbare Außenpolitik zu sein.
Für seinen wirtschaftlichen Spürsinn gibt es dagegen sogar Lob für den Machthaber. „Die Wirtschaft macht große Fortschritte“, sagt Cui Yingjiu, Professor an der Peking Universität. Im Vergleich zu seinem verstorbenen Vater Kim Jong-il lasse der neue Machthaber deutlich mehr Privatwirtschaft zu.
Tatsächlich lassen sich in Pjöngjang Anzeichen einer sich entwickelnden Mittelschicht beobachten. Der Weg vom Flughafen in die Innenstadt ist gesäumt von Neubauten mit bunt gestrichenen Fassaden. Auf den für ihre gähnende Leere berühmten Straßen der Hauptstadt sind plötzlich auch westliche Mittelklassewagen unterwegs. Und einige Fußgänger sind im Vorbeigehen völlig in ihre modernen Smartphones vertieft. Drei Millionen Mobilfunknutzer soll es mittlerweile im Land geben.
Und während die Reichen Autos und Apartments kaufen, werden die Ärmsten zumindest immer häufiger satt. Denn auch im Ackerbau macht das Land nach Einschätzung von Experten Fortschritte. „Wir beobachten ein gesteigertes Interesse der Regierung, die Landwirtschaft zu verbessern“, sagt Simone Pott von der Welthungerhilfe.
Trotz einiger Erfolge, die das Regime für sich reklamieren kann, ist die Kluft zum Nachbarn Südkorea aber immer noch gewaltig: Das Pro-Kopf-Einkommen der Südkoreaner ist laut Schätzungen 15 Mal höher als im Norden. Ein Abstand, der sich laut Nordkoreafachmann Zhang Lianwei auch mit den aktuell angelaufenen Reformen kaum spürbar verkleinern lässt. Solange Nordkorea wegen seiner Atompolitik massiv sanktioniert wird und abgeschottet bleibt, sei eine wirtschaftliche Aufholjagd kaum denkbar.
Dass Kim Yong-un jedoch keine Anstalten macht, seine Außenpolitik zugunsten eines höheren Wirtschaftswachstums zu überdenken, machte er am Samstag in seiner Rede noch einmal deutlich: „Unsere revolutionäre Streitmacht ist bereit, jede Art von Krieg zu führen, der von den US-Imperialisten angezettelt wird“.