Türkei - Tuncel: „Wahlen werden nicht frei und transparent sein“

Ankara/Wien (APA) - „Es ist klar dass die Wahlen nicht frei und transparent ablaufen werden“, sagte Sebahat Tuncel, Ex-Abgeordnete der pro-k...

Ankara/Wien (APA) - „Es ist klar dass die Wahlen nicht frei und transparent ablaufen werden“, sagte Sebahat Tuncel, Ex-Abgeordnete der pro-kurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) und Co-Vorsitzende des Demokratischen Kongresses der Völker (HDK), am Montag in Wien zur APA. Die regierende islamisch-konservative AKP habe bereits in der Vergangenheit den „Willen des Volkes“ nicht anerkannt und es gäbe genug Anzeichen, dass sich dies wiederhole.

Tuncel, die zuvor auch für internationale Organisationen wie UNDP und Amnesty International gearbeitet hat, setzt sich für die Rechte der Minderheiten und Frauen in der Türkei ein. „Wir sehen, dass die sogenannten Sicherheitsmaßnahmen in Kurdistan verstärkt werden und auch Wahlurnen zum Beispiel von manchen Städten in andere versetzt werden, weil die Region zu unsicher sei. All das sind Anzeichen. Dass wir uns mitten in einer Auseinandersetzung befinden, wird mit Sicherheit auch die Wahlbeteiligung der Bevölkerung beeinflussen.“

Sie sprach zudem von rund 3.000 Festnahmen seit 20. Juli, die vor allem HDP-Abgeordnete und Sympathisanten betreffen, von Bürgermeistern, die mit „lebenslänglich“, der „neuen Todesstrafe“, verurteilt worden seien sowie unzähligen getöteten Zivilisten: „Leichen getöteter Männer werden hinter Panzern angebunden und mitgeschleift und die weiblicher Guerilla ausgezogen und die geschändeten Körper auf die Straßen geworfen.“

Auf Einladung des VIDC - Wiener Institut für internationalen Dialog und Zusammenarbeit für die Veranstaltung „Die muslimische und kurdische Frauenbewegung in der Türkei“ ist Tuncel gemeinsam mit Feyza Akinerdem, seit 2007 Mitglied zahlreicher feministischer Organisationen und seit 2011 Mitglied der Fraueninitiative für den Frieden, in der Diplomatische Akademie zu Gast in Wien.

„Auch wenn das Thema Frauenrechte sehr wichtig wäre, spielt es in der aktuellen politischen Lage in der Türkei kein große Rolle und ist durch den Krieg und die zunehmende Polarisierung in den Hintergrund gerückt“, so Akinerdem. Die muslimischen und kurdischen Frauenbewegungen stellen jedoch eine zunehmend wichtige Quelle gesellschaftlicher Transformation dar. Während die muslimische Frauenbewegung ihren Ursprung in der Mobilisierung von muslimischen Frauen gegen das erstmals im Jahr 1982 eingeführte Kopftuchverbot an den türkischen Hochschulen hat, entstand die kurdische Frauenbewegung im Kontext der kurdischen Kämpfe in den 1980ern.

Die Lage der Flüchtlinge in der Türkei schätzen sowohl Tuncel als auch Akinerdem als „sehr ernst“ ein. Akinerdem sprach von langfristigen Entwicklungen die man noch gar nicht vorhersehen könne und einem mangelnden Plan von Staat und Gesellschaft. Tuncel steht den aktuellen Entwicklungen kritisch gegenüber. Der Besuch von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am gestrigen Sonntag bewirke, dass das „Image der AKP, das sehr beschädigt war, wiederhergestellt wird“. Außerdem kritisierte sie massiv, dass es in den Verhandlungen nicht um Menschenrechte ginge oder das Recht auf Leben.

Die Flüchtlinge in der Türkei erleben sehr massive Menschenrechtsverhandlungen und die Co-Vorsitzende des HDK sieht die Herangehensweise der EU als problematisch: „Die EU lässt Gelder in die Türkei fließen, um die Flüchtlinge davon abzuhalten in ihre eigenen Länder zu kommen. Aber was mit dem Geld passiert wird nicht überwacht.“ Sie plädiert dafür, dass man hinschauen müsse, wie die Frauen und Kinder in den Flüchtlingslagern leben. „Ich denke, dass nur ein kleiner Teil der Gelder den Flüchtlingen zu Gute kommt.“

Akinerdem schätzt die Ergebnisse nach den Neuwahlen nicht anders ein als nach der letzten: „Aber ich hoffe, dass sich die Regierung diesmal auf eine Koalition einigt. Und dass die Friedensverhandlungen ein essenzieller Teil der Koalitionsbildung sein werden.“ Aus ihrer Sicht ist mit der Europäischen Union jetzt eine neue dritte Partei in die Verhandlungen eingetreten. „Ich denke, dass das hilfreich ist. Es ist eine gute Intervention wenn auch noch lange keine Lösung.“