Reise

„Mit dem Fahrrad reist man nackt“

"Mein Leben war ein Scherbenhaufen, jetzt bringen Scherben Glück", sagt Arturo Woehler zu dem Bild, auf dem er vor Keramikscherben in der türkischen Stadt Eskisehir zu sehen ist.
© Privat

Sechs Monate, zwölf Länder, 7200 Kilometer: Arturo Woehler hat die Komfortzone verlassen und radelte dieses Jahr von der Leutasch nach Taschkent in Usbekistan. Er erzählt, wie er sich sein Glück erstrampelte.

Von Theresa Mair

Leutasch –Im Gasthaus eines Freundes in der Leutasch hat Arturo Woehler seinen Wohnsitz. „Weil man nun einmal eine Adresse braucht, für die Post und so“, erzählt der 48-Jährige beim Kaffee in einem Zimmer, das mit den vielen kleinen, rot-kariert-betuchten Tischen wie ein gemütlicher Frühstücksraum für Gäste wirkt.

Denn eigentlich ist der gebürtige Argentinier am liebsten unterwegs. Dieses Jahr hat er ein Fahrrad-Abenteuer gewagt. Von März bis Anfang Oktober ist er 7000 Kilometer gestrampelt und hat zwölf Länder passiert. Startpunkt war die Schweiz, wo er in der Wintersaison in der Gastronomie sein Geld für einen freien Sommer verdient. Das Ziel: Taschkent in Usbekistan. Reise- und radelfit machte er sich zuvor in der beschaulichen Leutasch.

„Meine Freunde haben mich gefragt, ob ich die Midlife-Crisis habe, als ich von meinem Plan erzählte. Aber ich habe gesagt, dass ich abnehmen will“, schmunzelt Woehler. Tatsächlich sei es wahrscheinlich eine Mischung aus beidem gewesen.

Der studierte Marketingfachmann war an seinem „Nullpunkt“ angekommen, fühlte sich unmotiviert und traurig, bis er im Sommer 2014 den Entschluss zur Fahrradreise fasste. Die sportliche Herausforderung habe er aber nicht gesucht. Sein Projekt benannte er „bike4happiness“ – Radeln macht glücklich.

„Das Reisen mit dem Fahrrad ist einfach günstig. Zeit habe ich genug.“ Ausgerechnet auf Taschkent sei er als leidenschaftlicher Besucher des Leokinos in Innsbruck gekommen. „Da ist in der Vorschau immer die Werbung für European Cinemas. Neben Städten wie London und Barcelona taucht auch Taschkent auf. Das hat mich immer fasziniert.“

Die vielfältigen Eindrücke und Erlebnisse von der Puszta-Landschaft in Ungarn über die türkische Gastfreundschaft bis zu absurden Überraschungen wie ein Riesenrad mitten im Nirgendwo der aserbaidschanischen Wüste hat er mit dem Fotoapparat eingefangen und auf einem Reiseblog geteilt. Zu jedem Foto, das auf dem Bildschirm auftaucht, hat Woehler eine Geschichte auf Lager. Wo es ihm gefallen hat, verweilte er länger, manche Länder hat er schneller hinter sich gelassen, und immer wieder lernte er andere Reisende kennen, mit denen er ein Stück gemeinsam zurücklegte. Nach einer Nacht im Zelt hinter einer abgelegenen Tankstelle in der Türkei wurde er von einem Bauer angesprochen, der in jungen Jahren in Telfs arbeitete und dessen Kinder in Tirol sesshaft geworden sind.

„Die größte Gefahr beim Reisen ist, dass man seine Vorurteile verliert“, sagt Woehler. Er selber sei unvoreingenommen an sein Abenteuer herangegangen. Doch immer wieder habe es warnende Stimmen gegeben. „Mit dem Fahrrad reist man quasi nackt. Man hat keinen Schutz, aber auch nichts zu verbergen.“ Dementsprechend offen und interessiert seien auch die Einheimischen gewesen. Nie wäre etwas Schlimmes passiert und er habe auch nur zwei Fahrradschläuche verschlissen.

„Vielleicht verliebe ich mich einmal.“ Das wäre für ihn ein Grund, das Nomadenleben an den Nagel zu hängen. Bis dahin wird Woehler weiterreisen. „Weniger ist mehr. Am liebsten würde ich gar nichts besitzen und nur Erfahrungen sammeln“, blickt er sehnsuchtsvoll. Das nächste Abenteuer hat Woehler schon im Kopf: „Ich will mit dem Faltboot reisen. Den Unterkörper hab ich ja schon trainiert.“

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