Ski Alpin

ÖSV-Star Reichelt: „Riesentorlauf ist Horror für den Körper“

Speed-Spezialist Hannes Reichelt schlägt kritische Töne an.
© Gepa

Anna Fenninger machte gestern bereits auf Krücken gestützt die ersten Schritte – Super-G-Weltmeister Hannes Reichelt sieht insbesondere im Riesentorlauf das Plafond an frei werdenden Kräften überschritten.

Von Max Ischia und Sabine Hochschwarzer

Sölden – Der Tag danach. Der Tag nach dem harmlos aussehenden Trainingssturz, der Anna Fenninger mit einem kapitalen Knieschaden auf den Operationstisch des Sanatoriums Hochrum befördert hat. Österreichs Skikönigin macht auf Krücken gestützt die ersten Schritte. Sinnbildlich für einen langen und beschwerlichen Weg zurück. Am Nachmittag folgten bereits die ersten Therapieschritte: „Zuerst mit Lymphdrainagen und leichter Bewegung des Knies mittels einer motorisierten Schiene“, wie Chirurg Christian Hoser erläuterte.

Der Kampfgeist der 25-Jährigen scheint jedenfalls ungebrochen. Schon nach der Operation, in der das gerissene Kreuz- und Innenband sowie die Patellasehne geflickt wurden, habe Fenninger laut ihrer Pressesprecherin Ursula Hoffmann von starken Trainingsläufen erzählt, ehe sie im dritten Lauf nicht schwer, aber verhängnisvoll zu Sturz kam. Anna hätte bei ihren Trainingsschilderungen direkt euphorisch gewirkt und auch schon wieder lachen können.

Einer, dessen breites Lächeln ebenso ein Markenzeichen ist, hat sich in der Vorwoche bei einem Gespräch mit der Tiroler Tageszeitung über die Verletzungsproblematik ausgelassen: Hannes Reichelt. Der Super-G-Weltmeister sieht insbesondere im Riesentorlauf das Plafond längst schon wieder erreicht. Die vor drei Jahren seitens des Skiweltverbandes FIS beschlossene Regeländerung, wonach die RTL-Ski länger und schmäler werden und die Taillierung reduziert wird, hätte, so Reichelt, längst an Wirkung verloren. „Die Ski von damals und heute, das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht.“ Und die frei werdenden Kräfte seien inzwischen für den Körper kaum verkraftbar. Kurzum: „Riesentorlauffahren ist ein Horror für den Körper. Und ich kenne genug, die jammern.“

Der Salzburger, der im Jänner 2014 unmittelbar nach seinem fulminanten Abfahrtstriumph in Kitzbühel mit akutem Bandscheibenvorfall unters Messer musste, ist sich bewusst, dass er mit seiner Kritik mancherorts auch Verwunderung auslösen werde. „Einige werden sagen, der Reichelt ist ein Raunzer, weil er im Riesentorlauf nicht mehr an der Spitze ist. Aber ich hatte vor wenigen Tagen mit Ferdinand Hirscher, dem Papa vom Marcel, ein Gespräch über diese Problematik, und er hat mir in vielen Punkten beigepflichtet.“

Marcel Hirscher selbst wollte sich zu dieser Causa gestern nicht äußern. Dafür ÖSV-Herrencheftrainer Andreas Puelacher, der mit Reichelt nicht einer Meinung war. „Dass die Belastungen mitunter grenzwertig sind, da­rüber brauchen wir nicht diskutieren. Aber das ist nichts Neues. Im Vergleich zu vor drei Jahren sind die heutigen Ski leichter fahrbar. So lange die Kurse nicht zu eng gesetzt sind, man mit einer gewissen Geschwindigkeit um die Tore carvt und die Pisten nicht total vereist werden, halte ich das jetzige Material für gut fahrbar. Und sicherer als vor der Material-Umstellung.“

Am Nachmittag teilte der kanadische Skiverband mit, dass sich Super-G-Vizeweltmeister Dustin Cook beim Training am Pitztaler Gletscher schwer verletzt hat – Kreuz- und Seitenbandriss im Knie, eine Operation folgt, das Saisonende scheint fixiert.