Durchgespielt

Assassin‘s Creed Syndicate: Das Beste und Schlechteste der Reihe

Die Inszenierung stimmt: Nach einem geglückten Meuchelmord den Tatort stilvoll zu verlassen gibt ein ganz besonderes Hochgefühl, das die "Assassin's Creed"-Spiele mit ausmacht.
© Ubisoft

Der neueste Ausflug in die Welt der Assassinen vermeidet viele Fehler des Vorgängers „Unity“ und bringt sinnvolle Neuerungen. Altbekannte Schwächen bleiben uns aber erhalten.

Von Lukas Schwitzer

Innsbruck – „Assassin‘s Creed Syndicate“ ist ein ganz besonderer Eintrag in der bereits altgedienten Spielereihe rund um den ewigen Kampf zwischen Assassinen und Templern. Denn der Ausflug ins viktorianische London vereint in sich alles, was die Serie ausmacht: Die begeisternden, mitreißenden und süchtig machenden Elemente, die dafür sorgen, dass die jährlich erscheinenden Spiele immer zu Verkaufsschlagern werden. Und die unglaublich frustrierenden, klischeehaften und langweiligen Teile, welche das Durchspielen eines „Assassin‘s Creed“-Titels immer wieder zu einem Geduldsspiel werden lassen.

Das mörderische Doppel

Doch beginnen wir am Anfang. In „Syndicate“ übernehmen wir erstmals in der Assassinengeschichte zwei Hauptcharaktere, die Zwillinge Evie und Jacob Frye. Die beiden, Kinder einer etablierten Assassinenfamilie, machen es sich zur Aufgabe, das von den Templern unterjochte und mit eiserner Faust kontrollierte London zu befreien. Zu zweit. Wir können den beiden vieles vorwerfen, fehlende Ambition aber nicht. Um ihr Ziel zu erreichen, müssen sie sich durch die Befehlskette der Londoner Templer meucheln, bis letzten Endes nur noch der böseste aller Templer vor ihnen steht.

Das Hauptquartier der Fryes ist ein fahrender Zug. Helferlein Henry (rechts) ist Traditionalist, was Assassinen-Bekleidung angeht.
© Ubisoft

Da die beiden Geschwister recht unterschiedliche Charaktere sind, vollzieht sich dieser Weg nach oben nicht entlang einer geraden Linie. Jacob ist das liebenswürdige, gewalttätige Schlitzohr, das bislang in fast jedem „Assassin‘s Creed“-Spiel die Hauptrolle übernahm. Seine Schwester Evie handelt hingegen sehr viel überlegter und vorsichtiger. Was nicht heißt, dass sie Gegner nicht auch das Fürchten lehren kann. Standesgemäß nimmt sich Jacob vor, die Stadt mit Hilfe seiner eigenen Gang zu übernehmen. Evie hingegen konzentriert sich auf die Suche nach einem Edensplitter (die Überreste einer alten Zivilisation, die der Reihe die Rahmenhandlung gibt). Während des Spiels kann jederzeit zwischen den beiden gewechselt werden, was das Spiel deutlich abwechslungsreicher macht. Beide haben verschiedene Fähigkeiten, auch wenn der Unterschied in der Spielweise letztlich minimal ist. Trotzdem ist dieser Neuzugang schön zu sehen. Schade ist, dass der Wechsel nicht wie in „GTA 5“ vollzogen wird, in dem die anderen Charaktere ihr eigenes Leben zu haben scheinen. In „Syndicate“ wird einfach ein Charaktermodell durch das andere ausgetauscht.

Großartiges Setting, sinnvolle Neuerungen

Die eigentliche Hauptrolle aber spielt auch diesmal wieder das Setting, die Stadt: London. Nach dem großartigen Design von Paris im spielerisch wenig ansprechenden und verbuggten „Unity“ setzen die Entwickler von Ubisoft Quebec mit ihrem ersten eigenen „Assassin‘s Creed“ noch einen drauf. Das viktorianische London mit seinen nebeligen Gassen, den rauchenden Fabrikschloten und der emsig-betriebigen Themse zieht den Spieler schnell in seinen Bann. Das Flair stimmt, und auch beim Charakterdesign wird der Zeit Rechnung getragen. Wir kämpfen nicht mehr mit Schwertern, die in den 1860er Jahren schlicht niemand mehr mit sich trug. Stattdessen setzten wir auf leicht zu verbergende Kukri-Dolche, Schlagringe und in Gehstöcken versteckte Klingen. Jacobs stilvoller Zylinder ist da nur das Tüpfelchen auf dem i.

Die industrielle Revolution ist auch die Zeit der Eisenbahn. Kämpfe auf den Waggons gehören daher dazu.
© Ubisoft

Ein weiterer neuer Gegenstand verändert das Gameplay so stark wie noch keiner in der Geschichte von „Assassin‘s Creed“: die Hakenpistole. Wie Batman in seinen besten „Arkham Asylum“-Tagen können wir damit blitzschnell Fassaden erklimmen, Innenhöfe überbrücken und allgemein weniger Zeit auf dem Boden verbringen. Schon nach kurzer Zeit fragen wir uns, wie die Reihe bisher ohne dieses Gerät auskam. Ein echter Gewinn für das Spiel. Zudem werden dem Spieler lange Wege erleichtert, schließlich ist London nochmal deutlich größer als Paris. Die Straßen der britischen Hauptstadt sind allerdings auch von zahllosen Kutschen bevölkert. In „GTA“-Manier können wir diese kapern und uns einen Weg durch die Straßen der Stadt bahnen. Es ist, einfach gesagt, „Grand Theft Kutsche“, aber den Linksverkehr nicht vergessen.

Story wird nur durch gute Hauptmissionen gerettet

Wieder einmal enttäuscht „Assassin‘s Creed“ mit der Story. Auch der Kampf um London verläuft nach dem gleichen Schema wie so viele andere. Zwar geht es diesmal ausnahmsweise nicht um Rache, doch wiederum sind es die selben Elemente: der Bevölkerung helfen, hochrangige Templer nach und nach ausschalten und zum Schluss den Chef konfrontieren. All das ist uns bereits bekannt. Auch die beiden Fryes verlieren schnell an Anziehungskraft, da wir außer ihren unmittelbaren Zielen eigentlich nichts von ihnen erfahren. Gut, dass zumindest der in der Gegenwart spielende Teil praktisch nicht existent ist. Niemand wird die Geschichte um den Templerkonzern Abstergo vermissen. Wichtig also, dass es Nebenmissionen gibt. Und diese werden wieder einmal von allerlei historischen Figuren geschmückt. So baut uns Alexander Graham Bell für etwas Gegenhilfe unsere Spezial-Gadgets, Charles Dickens schickt uns auf Geisterjagd, Charles Darwin bangt um sein wissenschaftliches Erbe und Karl Marx rekrutiert uns für seinen persönlichen Schutz. Besonders die Dickens-Missionen bringen den Spieler immer wieder zum Schmunzeln.

Die Hakenpistole ist die beste Neuerung, die "Assassin's Creed" seit langem erfahren hat.
© Ubisoft

Die Hauptstory aber hat zumindest jene Missionen, in denen wir wirklich dem Assassinen-Tagewerk nachgehen: eine bestimmte Zielperson über den Jordan zu schicken. Und diese sind großartig gestaltet worden. Viele mögliche Vorgehensweisen, herausfordernde Lokalitäten wie der Tower von London und phantasievolle Optionen wie die Möglichkeit, einem sadistischen Arzt als zu sezierende Leiche zu begegnen. Genau diese Dinge sind es, die „Assassin‘s Creed“ großartig machen. Die dem Spieler das Gefühl geben, tatsächlich taktisch und klug vorgehen zu können, ein echter Assassine zu sein. Sie sind das Salz in der Suppe.

Das zum wiederholten Male am meisten frustrierende Element des Spiels ist aber eindeutig die Steuerung. Langjährige Fans sind bereits leidgeprüft und wissen, dass unsere Assassinen nicht immer das tun, was wir von ihnen wollen. Sei es, dass sie an einem architektonisch besonders interessanten Eck hängenbleiben, von einer Wand ins Nichts springen oder anstatt eine Kutsche zu besteigen lieber eine Leiche auf die Schultern nehmen. Nun passiert dies natürlich nicht andauernd. Aber immer wieder einmal ohne eigene Schuld das Zeitliche zu segnen, ist ärgerlich. Ein gründliches Neu-Design der Steuerung wäre daher schon längst fällig. Besonders in den unerträglichen Verfolgungsmissionen wird dies immer wieder deutlich.

Fazit

Gegenüber den Vorjahrestiteln „Unity“ und „Rogue“ ist „Assassin‘s Creed Syndicate“ eine deutliche Verbesserung. Nicht nur ist die Stadt London im Spiel überwältigend, auch neue Elemente wie die Hakenpistole, die beiden Hauptcharaktere und die vielen Kutschen erfrischen das alte Spielkonzept. Zu einem guten „Assassin‘s Creed“ wird „Syndicate“ zudem durch die Assassinen-Hauptmissionen und die Nebengeschichten rund um Dickens, Bell, Darwin und Marx. Aber auch dieses Jahr laboriert die Reihe an ihren traditionellen Schwächen. Eine belanglose Story, teils hakelige Steuerung und eindimensionale Hauptcharaktere vermiesen den Spaß etwas. Aber zumindest für Fans bestimmt nicht zu sehr. Man darf sich aber in jedem Fall auf das nächste Jahr freuen. Denn „Syndicate“ ist vor allem eines: ein Versprechen. Die Reihe kann sich verändern, kann ihr verstaubtes Konzept erneuern. Wir können also darauf hoffen, dass die Veränderungen weitergehen. Spätestens im Oktober 2016 wissen wir mehr.

© Ubisoft

Entwickler: Ubisoft Quebec

Publisher: Ubisoft

„Assassin‘s Creed Syndicate“ ist für Playstation 4 und Xbox One sowie ab 19. November für Windows-PCs erhältlich.

Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.